Allen Ernstes vermeldete die seinerzeit für ihre seriöse Berichterstattung hoch angesehene „Zeitung des Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten“ rund um die 1740er, daß in der Nähe des Klosters Lilienfeld ein Lindwurm „etliche Welt- und Geistliche Personen verschlucket hat“. Die von entrüsteten weltlichen und geistlichen Amts- und Würdenträgern der Gegend erfolgten Klarstellungen zum Sachverhalt blieben im anerkannten Qualitätsmedium unbeachtet. Die Schlagzeile war raus, die Aufmerksamkeit der Leser, bzw. durch Vorleser informierter Analphabeten war gewonnen.
Es wird höchstwahrscheinlich bereits die Vermutung aufgekommen sein, doch soll es hiermit auch bestätigt werden: Bei der Geschichte des menschenfressenden Lindwurms von Lilienfeld handelte es sich um eine Zeitungsente. Es handelte sich um „Fake News“.
Nun hat sich seither in der Welt der Medien und ihrer Konsumenten – man mag es kaum für möglich halten – recht wenig geändert. Nach wie vor werden schamlos blöde Falschmeldungen unter dem Deckmantel seriöser Berichterstattung rausgelassen. Und nach wie vor gibt es Quasi-Analphabeten, denen die Nachrichten (samt moralischer Deutung) in einfacher Sprache vorgekaut werden. Das „Lesen zwischen den Zeilen“, das Abwägen, ob die Geschichte plausibel ist, das Hinterfragen wurde dem Medienkonsumenten erfolgreich über die Jahre und Jahrzehnte wieder abtrainiert.
Freilich, heute sind es keine Lindwürmer und ihr Unwesen, von denen der Durchschnittsjournalist mit Hang zum großen Aufstieg berichtet. Es sind neue, zeitgemäßere Monster, die dem Leser und/oder Seher den Schrecken in die Gebeine treiben. Aber das Schema blieb gleich. Um Leser zu fischen, erzählt man wüste Geschichten. Und wenn man dann irgendwann einmal eine Richtigstellung bringt, hat sie natürlich nie das gleiche Ausmaß wie die Schlagzeile, mit der Schwachsinn, Unwahrheit und Lüge verbreitet wurde.
Aber wo liegt der Sinn dieses gesamten Getues? Der Sinn der Medien und Medienarbeit liegt – je nach Standpunkt des Beteiligten – im Erlangen von Macht, Ruhm, Geld, im Durchsetzen der eigenen Ziele im Bestimmen einer Meinungshoheit, im Verbreiten der eigenen Wahrheit oder der Wahrheit irgendeiner Partei oder anderen Interessensgruppe.
Dieses Durcheinander von Wünschen und Sehnsüchten macht aus der gesamten Medienlandschaft – speziell in Österreich – ein Milieu, neben dem der oft zitierte „Sumpf“ beinahe wohnlich und angenehm wirkt.
Die Welt der Medien ist schon eher vergleichbar mit einem Flußdelta in den Tropen, am Rand zu einem Ozean. Eine Gegend, in der es nicht nur Krokodile, sondern auch schon Haie gibt, wo man aus Angst nicht ins Wasser gehen kann und dafür von der Sonne gebraten und von Mücken gequält wird. Ja, so in etwa kann man sich die Welt der österreichischen Medien durchaus vorstellen. Haie, Krokodile und lästige Insekten.
Der wahrscheinlich einzige, und doch wesentliche Unterschied zwischen diesem Flußdelta und der Welt der Nachrichten ist, daß über eine der beiden Welten jeder die Kontrolle sucht. Die andere Gegend will man hingegen eher meiden.
Und dieser Wunsch nach Kontrolle, die Gier nach Geld und Macht, diese Sehnsucht nach dem Bestimmen, was Nachricht ist oder nicht, was die Wahrheit ist oder nicht, wird von allen beteiligten Seiten gelebt und verteidigt.
Und so kommt es zu seltsamen Verflechtungen zwischen denen, die über Macht und Geld verfügen und denen, die weniger ihre Nachrichten, als ihre Reichweite, und damit ihren Einfluß verkaufen. Redakteure gehen mit Politikern essen und trinken, verbringen gemeinsame Urlaube, „verhabern“ zusehends, während die Rechnung für diese heiteren Stunden von einem Dritten bezahlt werden, der auf diesem Weg gleich zwei Unterstützer für seine Sache, für sein Anliegen oder sein Geschäft gewonnen hat. Und so werden – nur so als aus den Fingern gesogenes Beispiel – vollkommen wirre Bauprojekte, für die man denkmalgeschützte Gebäude wegschieben muß, für die Parkanlagen zubetoniert, oder gewachsener und leistbarer Wohnraum ausradiert wird, zum medial mit Beifall überschütteten Non Plus Ultra der Städteplanung. – Sollten Sie jetzt ein Déjà-vu haben, ist das selbstverständlich purer Zufall.
Die „hohe Politik“, die in der Angst lebt, irgendwann von den Medien auch durch den Kakao gezogen zu werden, gleichzeitig auch noch Alles unternimmt, um diesem Zeitpunkt näher zu kommen, will auf gänzlich neue Art Einfluß nehmen: Nicht mehr so billig wie bisher, mit Inseraten und banalen Förderungen auf Basis der Druckauflagen, sondern mit der Festlegung von Qualitätsstandards, um die Geldflüße „gerechter“ verteilen zu können. Ein wöchentlich erscheinendes Käseblättchen mit bspw. 50.000 Druckauflage soll dann, weil es als sogenanntes „Qualitätsmedium“ eingeordnet ist, den gleichen Förderbetrag – wenn nicht sogar mehr – erhalten, wie ein sogenanntes „Boulevardblatt“, mit 2 Millionen Druckauflage pro Tag. Die Journalistenausbildung soll fürderhin auch wieder unter staatliche Kontrolle gebracht werden. Eine eigene staatliche „Journalistenakademie“, in der explizit auch auf die im journalistischen Werk beinhaltete „Haltung“ Wert gelegt werden soll, schwirrt schon in den Köpfen der sich vor freier Presse ängstigenden Politiker herum.
Man hat es in Österreich natürlich leicht, mit den Medienhäusern Schlitten zu fahren: Die großen Medienhäuser hängen am Tropf von Medienförderungen und Inseraten der öffentlichen Hand. Die Werbeeinnahmen aus der Wirtschaft sind vergleichsweise überschaubar und der Leser, die Zielperson des gesamten Aufwandes, ist es längst gewohnt, für seine Nachrichten, seine Zeitung keinen müden Groschen mehr zu zahlen, oder zumindest nicht mehr als einen beinahe schon symbolischen Betrag, der in keiner Relation zu den Entstehungskosten der Zeitschrift oder der TV-Sendung steht.
Man hat sich den Markt so hergerichtet, daß man jederzeit wieder neue Geschichten über menschenfressende Lindwürmer bringen kann – im übertragenen Sinne selbstverständlich – und die Leser werden es fressen.
Geschätzte Leserinnen und Leser, in den nächsten Wochen beschäftigen wir uns näher mit diesem Themenkomplex. Die Herausgeber, die Journalisten und Redakteure, das Verhalten der Politik, der Parteien, und natürlich das liebe Geld. Es wird spannend!
Bleiben Sie uns treu und – frei nach Karl Farkas – schau`n Sie sich das an!
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