Geschäft mit der Not
Wenn sich der Winter langsam dem Ende zuneigt und die Temperaturen wieder nach oben klettern, kommt auch wieder mehr Bewegung in die Innenstädte, vor allem in die Einkaufsstraßen. Hier veränderte sich das Stadtbild im Laufe der letzten 10-15 Jahre maßgeblich durch die vielen Bettler, die dort um die Gunst (in Form finanzieller Zuwendung) der Menschen warben.
Jeder Mensch hat das Recht einen anderen Menschen um Hilfe zu bitten. – Auch „gewerbsmäßig“. Und es ist auch unbestritten eine Sache des Anstandes, Menschen in Not im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu helfen.
Wir werden allerdings hier mit einem gänzlich anderen Phänomen konfrontiert. Die meisten der sogenannten „Bettler“ sind Teil von organisierten Gruppen, deren Geschäft die Not des einzelnen Menschen in der Situation des Bettlers und die Gutherzigkeit spendabler Bürger ist. Diese Gruppen werden meist gut organisiert geführt, haben hierarchische Strukturierung und aufgabenteilige Vorgangsweisen.
Linz Landstraße/Am Taubenmarkt
Eine Partnerstadt der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz ist seit 2012 Brașov (dt.: Kronstadt) in Siebenbürgen in Rumänien. Ab diesem Zeitpunkt tauchten organisierte Bettlergruppen in Linz auf. Sie campierten gemeinsam auf schwer einsehbaren Grünflächen, von wo die Bettler täglich mit den Autos zu ihren Standorten gebracht wurden. In einer guten Lage, bspw. in einer Fußgängerzone zwischen Kirche und Einkaufszentrum konnte ein „fleißiger“ Bettler bis zu € 500,– am Tag erwirtschaften. Andere Angehörige dieser Gruppe, meist Frauen, gingen mit Kleinkinder durch die Stadt von einem zum nächsten Gastronomiebetrieb und bettelten dort aktiv die Gäste an. – Sehr zum Mißfallen der Lokalbetreiber, welche oft mehrmals täglich diese ungebetenen Gäste vor die Türe setzen mußten. Diese aktive Form des Bettelns ist im Übrigen untersagt.
Diese Form der Bettelei, die durchorganisierte Struktur und aktive, teils aggressive Vorgangsweise war den Sicherheitsbehörden bislang unbekannt und man stand vor einem Problem. Während die Stadt Wien (aus Steuermitteln) das „Beschenken“ der Bettler bewarb und sich so anmaßte, eine moralische Richtschnur einzurichten, wollte man in Linz diesem klar von mafiösen Strukturen durchdrungenen Treiben nicht länger zusehen und erließ über einzelne Stadtgebiete ein Bettelverbot. Als dieses nicht nutzte, wurden die einzelnen Bettler ermahnt und des Platzes verwiesen. Auch das brachte nicht den erwünschten Erfolg, weshalb die Verwaltungsrechtsbrecher mit Geldbußen bestraft wurden.
In der Zwischenzeit ging man auch heran und sah sich die illegalen Lagerstätten der rumänischen Bettler (meist Roma aus dem Umkreis von Brașov) an. Die zuständigen Behörden für die minderjährigen Kinder, die Gesundheitsbehörden wurden eingeschaltet und rasch tätig. Die illegalen Lager wurden beseitigt. Geldstrafen für die Rechtsbrüche wurden erteilt. Kurz darauf wurden die Lager an anderer Stelle wieder aufgebaut und alles wiederholte sich.
Die weiter in den Bettelverbotszonen agierenden Mitglieder der Gruppe wurden weiter mit immer höher werdenden Strafen sanktioniert, bis der Punkt kam, an dem die Verwaltungsübertreter wegen der Nichtbezahlung der Strafen die Ersatzhaft verbüßen mußten. Hier wurden die Linzer Sicherheitsbehörden überrascht, als kurz nach Haftantritt seiner „Schützlinge“ ein Kapo der Bettlergruppe auftauchte, die Strafen in bar bezahlte und seine Erwerbspersonen so wieder auslöste. Die Bettler standen wieder in der Verbotszone… Das Spiel wiederholte und wiederholte sich weiter… Bis das Ausmaß der Strafen – und die waren in ihrer Gesamtheit schon ziemlich hoch – den Punkt erreichten, daß die illegale Bettelei in Linz unrentabel wurde.
Rückblickend kann man sagen, daß es sich um stattliche Umsätze handelte, welche diese Bettlerbande machte. Die Personen, denen man aus Mitleid einen oder zwei Euros gibt, haben nichts davon. Sie werden von ihren Kapos abkassiert. Die Idee, man würde Leid lindern, aus einer Not helfen, wenn man den Bettlern Geld gibt, wurde durch die Praxis erschreckend widerlegt.
Bilder:
Innenstadt Linz © Michael Kranewitter / wikimedia / cc-by-sa 4.0
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