Wer hat das Sagen in Europa?

Blick durch Europa

Ein Kommentar

Immer weiter klaffen die öffentliche und veröffentlichte Meinung beim Thema Ukraine-Krieg auseinander. Auch in den Ländern, die „traditionell“ nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem lang ersehnten Abzug der Sowjettruppen, ein angespanntes Verhältnis zum großen Nachbar im Osten haben, pendelt die starke Kriegsbegeisterung langsam aber stetig in Richtung pragmatischere Ansätze zur Friedensschaffung. Einzig in den Regierungen westlicher Staaten wird die Begeisterung für Krieg, Tod und Zerstörung immer größer. Es wird ein Verhalten an den Tag gelegt, als hätte es das 20. Jahrhundert samt Weltkriegen und staatlich organisierten Massenmorden nie gegeben. Die sogenannten „kleinen Leute“ haben einen erheblich lebensnäheren und realistischeren Zugang zum Thema Krieg. Egal ob „nur“ Wirtschaftskrieg oder ausgewachsene militärische Auseinandersetzung. Logisch, da diese „kleinen Leute“ erfahrungsgemäß die ersten sind, die an der Aggression der „Großen“ zu leiden haben. Und in Anbetracht der EU-Sanktionen, einer rein wirtschaftskriegerischen Maßnahme, wissen die „Kleinen“ jetzt schon, was auf sie zukommt, wenn sich die Situation verschärft. Denn sie leiden jetzt schon. Sich Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr leisten zu können, obwohl man einen Job hat, treibt die Menschen in die Verzweiflung. Der selbstgewählte Energiekrieg aus der EU-Führungsetage treibt für weite Teile der europäischen Bevölkerung die Lebenserhaltungskosten in nicht mehr greifbare Höhen.

Die Inflation frißt die Kaufkraft.

Sehr ungern sieht und hört man Protest gegen diese Maßnahmen, die nicht nur den Frieden weiter gefährden, sondern schon jetzt, bevor auch nur ein einziger (kriegsbedingter) Schuß in Europa gefallen ist, die Menschen in die Not treibt. Niemand ist ausgebombt, und trotzdem droht Obdachlosigkeit. – Nicht nur bei Mietwohnungen, in die nun – aus Rentabilitätsgründen – lieber sogenannte Flüchtlinge untergebracht werden. Die Bürger vieler EU-Staaten sind immer mehr und mehr „mit der Gesamtsituation unzufrieden“. Und der demonstrativ gezeigte Unmut der Regierungen über die laut artikulierten Wünsche der Völker trägt genau nichts zur Entschärfung dieser Unzufriedenheit bei. Im Gegenteil. Es entsteht ein gegenseitiges Mißverstehen. – Kein Mißverständnis, sondern ein tatsächliches  und ausgewachsenes Mißverstehen. Die Regierenden verstehen sich selbst unanständigerweise als Herrscher und die Bürger als Untertanen. Gleichzeitig wünschen sich die „Kleinen“ wieder einen Staat, in dem sie die Herrscher, die Bosse sind und die Regierungen ihren Stellenwert als Angestellte des Volkes wieder erkennen und wahrnehmen. Die Angehörigen der Regierungen finden ihren Platz nicht, sie glauben tatsächlich Regenten, ja Erziehungsberechtigte zu sein. Und wie erwähnt, macht das die Bürger grantig.

Regierungsstil: Mehr Peitsche statt Zuckerbrot!

Besonders bunt trieben es die Möchtegern-Erziehungsberechtigten in Kooperation mit den (Mainstream-)Medien vor, während und nach der Friedenskundgebung, die am Samstag in Berlin stattfand. Alice Schwarzer, Emma-Gründerin und -Herausgeberin, eine frühere Ikone des Feminismus und der deutschen Linken wurde von eben den regierungsverantwortlichen Politikern und ihren Parteigängern auf ekelhafte Weise beschimpft und beflegelt. Auch Sahra Wagenknecht, die wohl bekannteste und prominenteste Vertreterin der Partei „Die Linke“ bekam ihre Fett weg. Den beiden Damen wurde im freundlichsten Falle Naivität vorgeworfen. Freundliche Beschimpfungen und Unterstellungen waren jedoch eher selten. Eher wild gewordene Redakteure warfen den beiden Initiatorinnen gar einen „Dolchstoß“ gegen die Rußlandpolitik der Regierung vor. „Dolchstoß“! 104 Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs ist man sich als angeblich gebildeter deutscher Publizist nicht zu blöd, den Vertretern politisch anderer Standpunkte einen „Dolchstoß“ vorzuwerfen.

Der „Dolchstoß“ vor 100 Jahren…

Geschichte ist ja eine feine Sache. Aber man sollte auch aus ihr lernen (können). Die lautstarken Protagonisten der veröffentlichten Meinung, des Radikalkurses im unseligen Konflikt am Ostrand Europas, sind augenscheinlich nicht fähig oder willens die Parallelen in ihrem Verhalten zu den Hetzern der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts zu erkennen. Beklagte man vor 100 Jahren den Mangel an „vaterländischer Gesinnung“, mokiert man sich heute über „fehlende Solidarität“. Gleicher Zweck mit anderer Etikette: Die Bürger sollen sich brav hinter der Regierung und ihrem Programm einfinden und keinen eigenen Willen, keine eigenen Ideen entwickeln.

Die „kleinen Leute“ – Bürger, nicht Untertanen!

Es ist ein ausgewachsenes Problem für die Menschen Europas, speziell der EU, wenn die Angehörigen von Regierungen ihren Platz nicht kennen und den Bürger nicht als Chef, sondern als Untertanen begreifen.



Fotos:
Gouvernante (Bildausschnitt) © wikiMANNia / cc by-sa 3.0


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