Nach der Wahl ist vor der Wahl

Versuch einer Wahlanalyse und Zukunftsprognose

Die Wahlen in Niederösterreich sind geschlagen. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 71% um rund 5%-Punkte höher als 2018. Und das Ergebnis bringt einiges an Veränderung. Ein einfaches Durchregieren der letzten Legislaturperiode, weil man – obwohl man nicht einmal mehr die Hälfte der Wählerstimmen hinter sich vereinen konnte – über eine Mehrheit im Landtag und bei den Regierungssitzen verfügte, wird es nicht mehr geben. Die neun Regierungssitze werden nun auf ÖVP (vier Sitze), FPÖ (drei Sitze) und SPÖ (zwei Sitze) aufgeteilt. Im Landtag mit 56 Sitzen haben ÖVP 23, FPÖ 14, SPÖ 12, Grüne vier und die Neos drei Sitze. So der Stand nach dem vorläufigen Endergebnis.

ÖVP 39,94%
FPÖ 24,19%
SPÖ 20,66%
Grüne 7,58%
Neos 6,67%


ÖVP
Totgeglaubte leben länger. Das Problem für die ÖVP ist, daß sie einen Flügel hat, der sich selbst für tot hält und einen anderen Flügel, der die schwere Amputation, die ihr zugefügt wurde, nicht einmal realisiert. Dies jedoch nicht auf eine lustige Art, wie es der schwarze Ritter in Monty Pythons „Ritter von der Kokosnuß“ praktizierte.

Mit rund 40% ist die niederösterreichische ÖVP sicher noch immer eine mächtige Partei. Allerdings nicht mehr allmächtig, und sie muß nun lernen, mit anderen politischen Gruppen zusammenzuarbeiten.
Die versuchsweise vorgetragenen Siegesmeldungen, man hätte Blau-Rot im Land Niederösterreich verhindert, wirken mehr als seltsam, um nicht zu sagen peinlich.
Die Schuld bei der Bundespolitik abzuladen, ist ein netter Versuch von der „beinahe-Personalunion“ niederösterreichischer ÖVP mit der ÖVP-Regierungsmannschaft abzulenken. Nicht die Bundespolitik, sondern der ÖVP-Beitrag zur Bundespolitik stellte für die Wähler das Problem dar.

FPÖ
Die Themen der Wahl kamen von den Bürgern. Aber verbalisiert wurden sie von den Freiheitlichen. Daß diese Themen dann von den politischen Mitbewerbern der Blauen runter gemacht und runter geredet wurden, war es für die Bürger klar, daß sie der FPÖ die Stimme geben müßen. Die Blauen haben seit Jahren konsequent ihren Kurs durchgezogen und haben keine anderen Parteien zu kopieren versucht. Das machte sich nun bezahlt. Die Personaldecke der niederösterreichischen Freiheitlichen ist dick genug, um die nun zugewonnenen Mandate auch mit kompetenten Persönlichkeiten zu besetzen.
Watschen sind die Blauen gewohnt, weshalb es auch kein Geheule gibt, wenn die anderen Parteien den Wahlsieg zum Anlaß nehmen, extra viel auf sie hinzuprügeln. Landbauers Ablehnung, Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu machen, ist auch ein Zeichen der Konsequenz. – Nicht zuletzt dafür, daß er vor fünf Jahren Opfer einer Hetzkampagne wurde, bei der die ÖVP und Mikl-Leitner nicht unbeteiligt waren. Jetzt muß die FPÖ in Regierungsverantwortung liefern. Und sie muß die Angriffe, die sie dafür einfahren wird, daß sie ihren Kurs auch umsetzt, auch aushalten.

SPÖ
Daß die SPÖ bei dieser Wahl verloren hat, liegt weniger an den Mitbewerbern als an den eigenen Genossen. Franz Schnabl war sicherlich der richtige Kandidat. Allerdings war er ein Dorn im Auge des linken Flügels der Sozialdemokratie, die sich eher mit Grünen ins Bett legen, bevor sie einen ehemaligen Polizisten als Spitzenkandidaten akzeptieren. Und als besonders verwerflich empfanden es viele Links-Abweichler, daß Schnabl eine Gesprächsbasis mit den Freiheitlichen zu haben schien. Sakrileg!
Die ständig alles überschattende Führungsdebatte der Bundes-SPÖ war der niederösterreichischen SPÖ in etwa so dienlich wie ein Stein im Schuh. Die Richtungsdebatte ließ den gesellschaftspolitisch (angeblich) linken Teil zu den Grünen und Neos abwandern und verhinderte einen Abfluß von ÖVP-Wählern, die mit einer FPÖ niemals könnten, zur SPÖ. Eine hausgemachte Niederlage einer Splittergruppe der SPÖ, die dann auch noch den Kopf des Mannes forderten, den sie erfolgreich sabotierten.
Nachfolger wird wohl der Chef des niederösterreichischen AMS, Sven Hergovich, ein bislang unauffälliger Pragmatiker von 34 Jahren werden. Das wird dem Links-Flügel wahrscheinlich wieder nicht genügen. Dieser will angeblich den betont linkslastigen Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler als Landeschef der niederösterreichischen Roten sehen.
Feind – Todfeind – Parteifreund.

Grüne
Angeführt von ihrer Spitzenkandidatin Helga Krismer, deren bei den Elefantenrunden zur Schau gestellte Gesprächskultur an ein rhetorisches Heumarktcatchen mit Tourettesyndromuntermalung erinnert, durften die Grünen ohne eigenes Zutun einen Zugewinn einfahren. Ohne eigenes Zutun deswegen, weil es die Links-Stimmen der SPÖ-Fremdgeher waren, die die Grünen nun in den Klubstatus hoben und ihnen ein Bundesratsmandat bescherten. Die von den Grünen in den Wahlkampf geführten Themen, wie bspw. Klimaneutralität interessierten nämlich nicht einmal die rund 5% der Wahlberechtigten, die dieser Partei die Stimme schenkten. In einem Bundesland, in dem man in weiten Teilen auf das eigene Fahrzeug angewiesen ist, muß man sich grüne Verkehrspolitik, wie sie von der Bundesebene so schmerzhaft betrieben wird, einmal leisten können. Auf jeden Fall wurden die Grünen mit einem weiteren Landtagsmandat, dem damit verbundenen Klubstatus mit Antragsrecht und einem Bundesratsmandat belohnt.

Neos
Auch die Neos vertreten eine Politik, die man sich erst ab einer gewissen Einkommenskategorie leisten kann. Herz und Hirn für Menschen mit kleinerem Einkommen signalisierten sie zu keinem Moment des Wahlkampfes. Das permanent wiederholte Mantra von sauberer Politik und Transparenz und natürlich Europa, Europa, Europa, … wurde ihnen entweder nicht abgenommen oder war bei den Wählern nicht erwünscht. Oder aber, die Wähler dachten einen Schritt weiter, als es die Neos für möglich hielten und konstatierten, daß Schamlosigkeit auch eine Form von Transparenz ist.
Kurz: Die Neos halten ihren Mandatsstand bei kleinen Zugewinnen.

Die nächsten Wochen werden sicherlich spannend für Niederösterreich und ganz Österreich. Mögen die Schritte der Verantwortlichen von Vernunft und Anstand geprägt sein.



Fotos:
Johanna Mikl-Leitner © wikimedia / NLK/Burchhart / cc by-sa 2.0 / cropped

GIF „Die Ritter von der Kokosnuß“: tumblr / © Monty Python
Udo Landbauer © wikimedia / Ailura / cc by-sa 3.0 / cropped
Franz Schnabl © wikimedia / SPÖ-Parlamentsklub / Elisabeth Mandl / SPÖ Presse und Kommunikation / cc by-sa 2.0 / cropped
Helga Krismer-Huber © wikimedia / Karl Gruber / cc by-sa 4.0 / cropped
Indra Collini © wikimedia / fgach80 / cc by-sa 4.0 / cropped

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2 thoughts on “Nach der Wahl ist vor der Wahl

  1. Habe gedacht dass ich was über Pogo und seine Partei lese. Laut Fellner hat er Bundesweit 6 % und für linkslinken/* passt er angeblich.

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