Ärzte, Asyl und die Neutralität

(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten

Ein Kommentar.

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Leserinnen und Leser!


Wir sind heute (wieder einmal) in der verzwickten Situation, wichtige Themen überspringen zu müssen, um unangenehme Vorfälle anzusprechen.
Die wichtigen und sicher interessanten Themen kamen, kämen und kommen aus Oberösterreich, wo der Landeshauptmannstellvertreter Dr. Manfred Haimbuchner gemeinsam mit seinem blauen Parteikollegen Gesundheitsstadtrat Dr. Michael Raml die besorgniserregenden Entwicklungen in der ärztlichen Versorgung skizzierten und einen Maßnahmenkatalog vorschlugen. Dies richteten sie als Brief an den Gesundheitsminister Rauch. Doch der fühlte sich nicht zuständig und verwies ans Bildungsministerium. Dort fühlte man sich ohnmächtig, weil es angeblich laut EU-Recht nicht ginge, die vorgeschlagenen Maßnahmen in Umsetzung zu bringen. Mehr dazu vielleicht (hoffentlich) ein anderes Mal.
Zur mehr als bürgerfeindlichen Asylanten-Verteilpolitik des Innenministers meldete sich dann auch noch der freiheitliche Landesparteisekretär Michael Gruber zu Wort. Und wie!? Er sagte klipp und klar, daß mit dem „Drüberfahren“ über die komplett überrumpelten Gemeinden endlich Schluß sein muß.
Neben dem zuvor angesprochenen Problem der Gesundheitsversorgung ein weiteres Top-Thema des vergangenen NÖ-Wahlkampfes und der kommenden Wahlkämpfe in Kärnten und Salzburg.

Die „unangenehmen Vorfälle“ die um Kommentierung betteln, sind allerdings andere. – Nein, nicht die kunstvoll skandalisierte Aussage des Herrn Landesrat Waldhäusl, der für seine Wortspende zwar nicht in den Olymp der größten Philosophen aufsteigen wird, aber – und das macht so viele Damen und Herr*innen diverser Parteien und Medien so fuchsteufelswild – im Grunde das oder zumindest Ähnliches aussprach, was sich viele Menschen ohnehin dachten.
Es geht leider wieder einmal um den Bundespräsidenten. Er kündigte noch vollmundig an, er wolle ein Präsident für alle Österreicher sein. Er lobte die „Schönheit der Verfassung“ und bewertete die ungustiösen Situationen im Lande mit „So sind wir nicht!“ oder nahm rhetorische Anleihen bei „Pfusch am Bau“, wenn er von feuchten Teilen des Hauses sinnierte.
Nun erzählte der Bundespräsident bei seinem Interview vor der Angelobung, er wolle die stimmenstärkste Partei, entgegen den bislang in der zweiten Republik praktizierten Usancen – nicht mit der Regierungsbildung beauftragen. Seine Argumente für diesen geplanten Akt der Demokratieignoranz wurden bereits Stück für Stück zerpflückt und erwiesen sich als untauglich und falsch. Die Idee, daß er das höchste, von Bürgern direkt gewählte Amt einnimmt, und damit viel mehr auf den Wunsch der Bürger achten sollte, nimmt er nicht ernst. So der Eindruck. Die oft gelobten und zitierten „Checks and Balances“, die in unserer Bundesverfassung manifestiert sind, funktionieren allerdings nur, wenn die Amtsinhaber die damit verbundenen Aufgaben auch wahrnehmen. Auch wenn man dann gegen die Vertreter der eigenen politischen Neigungsgruppe handeln muß. Und es macht nicht den Eindruck, als hätte dies der Herr Bundespräsident bislang gemacht. Das schmerzhafteste Beispiel dafür waren die Gesetze im Rahmen des Corona-Regimes, die er ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, abzeichnete und damit in Anwendung, in Rechtsgültigkeit brachte. Es gab keine Verzögerungen von ihm, kein Ablehnen. Dabei wäre es seine Aufgabe, diese Vorlagen noch einmal auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Kleine Bürger ohne einen eigenen juristischen Beraterstab mußten ihr Geld in die Hand nehmen und vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, um derartige Gesetze wieder zu kippen. Hier hatte der Bundespräsident mehrmals und zum Nachteil der Bürger versagt.

Und nun besuchte er in einer Überraschungsaktion die Regierung in Kiew, wo er im Namen der Republik Österreich und seiner Bürger Solidarität im Krieg gegen die russische Föderation aussprach und Geld wie Unterstützung versprach. Es ist allerdings keinesfalls die Aufgabe des österreichischen Bundespräsidenten ins Ausland zu fahren und Geld zu verschenken, es sei denn, es handle sich um sein eigenes. Dann aber muß er die Reise als Privatperson antreten.
Auch die nun wiederholt zum Besten gebrachte Pervertierung der österreichischen Neutralität gab er zum Besten. Es geht ja NUR um die militärische Neutralität. Mit Verlaub: Zur Nichtteilhabe an bewaffneten Konflikten auf militärischer Ebene ist Österreich eher durch die Realität der Möglichkeiten eines Bundesheeres gezwungen als durch eine willentliche Entscheidung. Neutralität bedeutet mehr als nicht dabei zu sein, wenn geschossen wird. Neutralität ist eine noble und gleichzeitig vernünftige Grundhaltung, die stets auch die Möglichkeit schafft, über Frieden zu sprechen. Der Schiedsrichter beim Fußball ist nicht dann neutral, solange er nicht die Mitglieder der einen Mannschaft foult, sondern wenn er beide Mannschaften gleich behandelt. Egal, wen er mehr mag, oder wen er zum Teufel wünscht. Wer neutral ist, darf sich den Luxus einer eigenen Meinung durchaus erlauben. Allerdings darf er sie nicht in politische Handlungen einfließen lassen. Dafür wird er von allen Konfliktparteien im Normalfall auch geschätzt. Diesen schier unbezahlbaren Bonus haben Bundesregierung und nun auch noch der Bundespräsident, ohne sich lange mit der Geschichte der österreichischen Neutralität zu befassen, beinahe verspielt.

Die im Staatsvertrag verbriefte und in unserer Verfassung festgelegte immerwährende Neutralität ist ein identitätsstiftendes Element der Republik Österreich. Und man kann sich sicher sein, daß jeder Politiker, jedes Regierungsmitglied und auch der Herr Bundespräsident entscheiden gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher handelt, wenn er sie aufs Spiel setzt, oder gar geringschätzt.
Als Paradebeispiel für die Praxis einer solchen Geringschätzung darf man den Alt-ÖVPler Werner Fasslabend anführen. Er war von 1990 bis 2000 Verteidigungsminister und die Truppe gedachte seiner stets mit dem Sinnspruch „Feierabend statt Fasslabend!“. In einem 22 Minuten langen Interview auf oe24 war er sich nicht zu blöd, um sich in der Aussage zu versteigen, daß die Neutralität ein Relikt des kalten Krieges sei. Neben dieser Einschätzung gab er allerdings noch so viele weitere Seltsamkeiten von sich. Die Stricherlliste zur Erfassung der Anzahl sachlich und fachlich unrichtiger Aussagen wurde bei 60 Stricherln nicht mehr weiter geführt. Als sein bemerkenswertestes Statement kann man seinen Gedankengang bewerten, daß es Rosinenpickerei wäre, wenn man sich als EU-Mitglied vollumfänglich neutral verhalte. Aber genau das wurde den Österreichern zur Abstimmung über den Beitritt zur EU versprochen!

Werner Fasslabend

Die Österreicherinnen und Österreicher sind geduldig, aber nicht blöd. Und wenn es um die Neutralität geht, deren Einhaltung uns vor so vielen Belastungen des Hier und Heute beschützt hätte, verstehen die Bürger keinen Spaß. Und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn sich wieder 100.000e auf der Straße treffen, um die Neutralität vor der Regierung und dem Bundespräsidenten zu schützen.




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Fotos:
A. Van der Bellen © w
ikimedia / Peter Lechner / cc by-sa 4.0 / cropped
Werner Fasslabend © w
ikimedia / Karl Gruber / cc by-sa 4.0 / cropped

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