Hubschraubereinsatz der Geschmackspolizei

Geist und Ungeist im Internet

Über Geschmack kann man bekanntlich trefflich streiten. Niveau ist keine Hautcreme. Mit dem Niveau soll man nicht Limbo tanzen. Geschmack und Stil kann man nicht kaufen. … Hundert andere Weisheiten zum Thema gibt es und es ist wirklich sinnlos darüber zu diskutieren.
Oder ergibt es doch Sinn? Ja! Auf jeden Fall ergibt es Sinn! Wir erleben die bedrohlichen Zeiten, in denen Geschmack mit moralischem Wert (oder Unwert) und in Folge mit strafrechtlich relevanten Verhalten in einen Topf geworfen wird.
Neuestes Beispiel dafür ist der Ballermann-Hit „Layla“ von DJ Robin und Schürze. Der Reihe nach wird er von Stadtverwaltungen und Jahrmarktveranstaltern gebannt. Radiosender spielen das Lied nur noch nach Mitternacht, oder gleich gar nicht. Der Vorwurf: Sexismus! Um die „Dringlichkeit behördlichen Einschreitens“ zu untermauern, gewähren wir Ihnen einen kleinen Einblick in den Text:
„…
Ich hab‘ ’nen Puff und meine Puffmama heißt Layla
Sie ist schöner, jünger, geiler
La-la-la-la-la-la-la-Layla
La-la-la-la

…“

Ob dieser Text nun „sexistisch“ ist oder nicht sei einmal dahin gestellt. Ob es die Begriffe „Puff“, „Puffmama“ oder „geiler“ sind, welche die selbsternannten Geschmackspolizisten in Schockstarre versetzen, vermögen wir nicht zu beurteilen.

Es gibt Lieder, die Kopfschmerzen verursachen. Niemand wird gezwungen, sie anzuhören.

Aber zwei Dinge können wir nach eigenem Gusto beurteilen:
1. Das Lied ist grottenschlecht. Es ist wie ein akkustisches Kratzen an der Großhirnrinde und verursacht bei nüchternen und kultivierten Menschen Kopfschmerzen und Nabelsausen. Allerdings wird niemand dazu gezwungen, es zu hören oder gar zu kaufen. Dank der an Paradespießertum des 19. Jahrhunderts erinnernden Verbotskultur einiger Scheinmoralisten wird dieser Song mit Sicherheit zum Verkaufsschlager.
2. Wer Begriffe wie „Puff“, „Puffmama“ oder „geiler“ als sexistische Belästigung empfindet (Und man kann davon ausgehen, daß es um diese Pfui Gacki-Worte ging!), hat die Kontrolle über seinen moralischen Kompass verloren. Wir leben in einer Zeit, in der es nicht unüblich ist, Grundschulkindern den Analsex zwischen Homosexuellen anschaulich zu erklären. Wo bleibt hier die moralische Entrüstung, wenn dieser Akt zwischenmenschlicher Zuneigung mit ganz anderen Begriffen umschrieben wird? Vor Kindern!

Ein Teil der Gesellschaft, der immer mehr dazu neigt, frühere und noch frühere „Sexualerziehung“ zu betreiben, der 7- oder 8-jährigen Kindern die Normalität des A****f***s mit freundlichen Worten erläutert, aber bei Begriffen wie „Puff“, „Puffmama“ und „geiler“ den moralisierenden Ohnmachtsanfall bekommt, ist verlogen und bigott! Und besonders verlogen und bigott sind die angesprochenen Moralapostel, weil sie nicht davor zurückschrecken, jeden Kritiker ihres Tuns ohne Umschweife als Sexist, Rassist, Nazi und sonst noch allerlei zu bezeichnen. Auch wenn es nicht dazu passt, wird auch gerne einmal der Vorwurf des Antisemitismus in den Raum geworfen. – Weil man ja schließlich schon dabei ist, aus der moralisch erhöhten Position auf den Rest der Menschheit runterzuprügeln.

Wer es will, kann sich das „Lied des Schreckens“ hier anhören.

À propos „Nazi“: Auch hier wird der Begriff, der eigentlich der Geschichte, vielleicht noch den Politikwissenschaften zuzuordnen ist, inflationär und dadurch auch sinnentstellend benutzt. Nicht jeder blöde Witz, nicht jedes Meme, Foto, Bildchen, nicht jede Karikatur, die man irgendwie mit dem Zeitraum 1933 – 1945 in Verbindung bringen kann, ist automatisch „Nazi“. Und noch viel weniger davon sind in irgendeiner Weise dazu geeignet, Hitler, seine Schergen oder deren Ideologie zu verherrlichen oder gut zu heißen. Trotzdem findet sich ruckzuck irgendwo irgendein Depp, der mit aufgesetztem Entsetzen irgendeinen Nazivergleich reininterpretiert und Demokratie und Frieden Österreichs in ernsthafter Gefahr sieht.

Ist das noch Sexismus? Oder schon…

Geschätzte Damen und Herren, das Thema ist ja auch nicht ohne: Denn dies wird in Österreich wie in Deutschland hart bestraft. Und diese selbsternannten dauerempörten Moralisten gehen wieder einmal ein Stück weiter. Auch Postings, in denen bspw. Hitler oder irgendwelche anderen Nazis oder irgendwelche historischen Ereignisse in diesem Zusammenhang lächerlich gemacht werden, erregen deren Unmut. Die besagten Moralisten meinen dazu tatsächlich, dieses „Lächerlich machen“ sei eine Verharmlosung des historischen Nationalsozialismus und als solche zu bestrafen! Strafrahmen ein bis zehn Jahre, geschätzte Damen und Herren!
Nochmals zur klaren Erläuterung: Herr oder Frau XYZ postet bspw. auf Twitter einen geschmacklosen Witz über … bspw. irgendeinen Nazi-Bonzen. Für einen Witz dieser Art wäre Herr oder Frau XYZ seinerzeit von der Gestapo vorgeladen und wahrscheinlich zu einigen Monaten Lagerhaft verurteilt worden. – Im besten Fall!
Und für diesen (oft geschmacklosen) Witz, der dazumals zu KZ-Strafen geführt hätte, wird man heute wegen Verhetzung oder Wiederbetätigung strafverfolgt?
Geschätzte Damen und Herren, das kann nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluß sein.
Denn was wäre dann mit Fritz Grünbaum, der noch während seiner Haftzeit im KZ Dachau Witze über das dritte Reich machte, bevor er am 14.01.1941 dort elend zu Grunde ging? Was wäre mit Charlie Chaplin und seinem epochalen Film „Der große Diktator“? Was wäre mit Helge Schneider und all den anderen Menschen, die das dritte Reich und seine Proponenten durch den Kakao zogen?


Liebe Leserinnen und Leser, wir leben unter dem scharfen Blick von sehr wachsamen und komplett humorbefreiten Geschmacksjakobinern, die ihr ganz persönliches geschmackliches Empfinden zur höchsten moralischen Superlative erklärt haben, nach der sich Alles und Jeder zu richten hat. Vielleicht sollte man diese knöchernen und versteinerten Spaßbremsen ebenfalls einfach auslachen! Aber ganz fest auslachen! Und viele Witze über sie machen, bis ihnen hoffentlich durch einen Rest von Reflektionsfähigkeit ein Licht darüber aufgeht, wie langweilig, bigott und spaßbefreit sie eigentlich sind.

Darum achten wir darauf, daß wir nicht Geschmack mit Moral verwechseln.

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