Ein Kommentar von Europaparlamentarier Mag. Roman Haider, FPÖ
Anfang Mai hat sich die Mehrheit des Europaparlaments für eine Wahlrechtsänderung bei den EU-Wahlen ausgesprochen, ein weiterer Schritt auf dem Weg zum zentralistischen EU-Einheitsstaat.
Worum geht es? Von den durch den Brexit freigewordenen 73 Sitzen im Europaparlament wurden 27 auf die restlichen Mitglieder aufgeteilt, 46 für mögliche Erweiterungen in Reserve gehalten. Jetzt sollen davon 28 Sitze in einem eigenen EU-Wahlkreis an transnationale Listen vergeben werden. Die Gegner eines Umbaus der Union von einem Staatenbund zu einem Zentralstaat wie die FPÖ haben sich für eine völlige Einsparung dieser Sitze und damit eine Verkleinerung des Parlaments ausgesprochen.
Die vier großen Blockparteien im EU-Parlament, Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne haben jedoch gemäß dem Motto „Lasse nie eine Krise ungenutzt vergehen“ sofort die Chance gewittert, die Umwandlung zum Einheitsstaat voranzutreiben, gleichzeitig ihren Einfluss auszubauen und zusätzliche Finanzmittel von der EU für ihre Fraktionen zu lukrieren.
Der vorgelegte Entwurf sieht die Schaffung eines eigenen EU-Wahlkreises vor, in dem neu zu schaffende transnationale Listen kandidieren sollen. Damit hätte jeder Bürger eines EU-Mitgliedsstaates bei den nächsten Wahlen zwei Stimmen, eine wie gewohnt für die nationalen Kandidaten sowie eine für die Kandidaten des neuen EU-Wahlkreises. Damit würden 3,8 Prozent der zu vergebenden Sitze im neuen EU-Wahlkreis vergeben. Um den EU-Apparat weiter aufzublähen, soll eine EU-Wahlbehörde geschaffen werden. Ebenso ist eine spezielle Dotierung für die transnationalen Listen aus EU-Töpfen und damit noch mehr Geld für die Fraktionskassen der Blockparteien im Entwurf vorgesehen.
Was angesichts der wenigen im EU-Wahlkreis zu vergebenden Mandate auf den ersten Blick harmlos anmutet, soll jedoch nur eine Übergangslösung sein. Längerfristig sollen die nationalen Wahlen zum Europaparlament vollständig zugunsten des neuen Systems verschwinden und nur noch transnationale Listen zur Wahl stehen. Das wäre dann, wie bereits oben angesprochen, ein weiterer großer Schritt weg vom Staatenbund zum Einheitsstaat.
Daneben sollen diese transnationalen Listen auch in einem anderen Bereich als Versuchsballon dienen. Geht es nach dem Willen der Parlamentsmehrheit der Blockparteien sollen die Listenplätze verpflichtend nach Quoten oder einem Reißverschlusssystem vergeben werden, so dass gleich viele Frauen und Männer auf diesen Listen stehen; natürlich „ohne die Rechte nicht-binärer Menschen zu verletzen“, wie, um der grassierenden Genderideologie Genüge zu tun, ausdrücklich betont wird. Das wäre ein gravierender Eingriff in die eigenständige Listengestaltung der wahlwerbenden Gruppen und damit ein direkter Angriff auf die Autonomie demokratischer Parteien insgesamt. Zudem würde damit der Weg für weitere Quoten für angeblich benachteiligte Gruppen geebnet.
Dass ehemals konservative, christdemokratische und liberale Gruppen auch für diesen demokratiegefährdenden Eingriff in die Parteienautonomie gestimmt haben, verdeutlicht einmal mehr die Linksverschiebung des gesamten politischen Spektrums. Selbstverständlich haben sich auch die österreichischen ÖVP-Mandatare nicht lumpen lassen und ihren braven Kotau vor dem Genderismus gemacht.
Eine Hürde gibt es aber noch für dieses neue Wahlrecht. Der Rat der Europäischen Union muss zustimmen, es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Auch dies soll gemäß dem Entwurf hin zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit geändert werden.
Ebenso abenteuerlich wie der Entwurf selbst ist die Begründung der Blockparteien für diesen Vorstoß. Die traditionell niedrige Wahlbeteiligung bei den Europawahlen soll gesteigert sowie Vertrauen und Unterstützung in der Bevölkerung geschaffen werden. Als Feigenblatt dienen die Vorschläge der jüngst zu Ende gegangenen Konferenz zur Zukunft Europas, einer Propagandaveranstaltung der EU, die Bürgerbeteiligung vorgaukeln sollte. Unter sorgsamer Anleitung ausgewählter Experten haben intransparent bestellte Bürger Vorschläge erarbeitet, die man getrost als Wunschliste aus der Mottenkiste der Eurokraten und Zentralisten im Europaparlament und der Kommission bezeichnen kann.
Auf die Idee, dass mangelndes Vertrauen und damit einhergehende niedrige Wahlbeteiligung ein Resultat der verfehlten, abgehobenen und europafeindlichen Politik in Brüssel und Straßburg sein könnten, ist man bei den EU-Blockparteien natürlich nicht gekommen. So bleibt nur die kleine Hoffnung, dass der Rat diesen Vorschlag kippt und die ideologiegetriebenen Zentralisten in ihre Schranken weist.