(Über eine verdrängte Unterhaltungskunst und ihre bedeutsamen Vertreter)
Von Niki Kaspar
Wahrlich es gibt viele anerkannte Künste, doch die Kunst des Furzens gehört nicht dazu. Das Furzen ist trotz Luthers einstigem Einwand, warum wir nicht furzeten und rülpseten in unserem Kulturkreis verpönt und mit einem Hauch von Unsittlichkeit behaftet. In der Öffentlichkeit ungeniert zu furzen, ist unschicklich und kann im Falle sogar eine Anzeige nach sich ziehen. Lediglich im ostasiatischen Raum gehört es zum guten Ton seine Methangase frei rauszublasen.
Dabei ist es doch eine phänomenale Einrichtung der Natur, dass Mensch wie Tier über einen Schließmuskel verfügen, der es vermag Gase wie festes Material abwechselnd auszustossen. Ein Wunder genaugenommen… wenn ’s nur nicht so stinken würde. Doch darum soll ’s nicht gehen, vielmehr um die einst hochgeschätzten Kunstfurzer, auch Flatulisten genannt. Jene also die es körpertechnisch verstehen, mittels ihres Sphinkters gezielt Gase einzusaugen und wieder auszuströmen.
Das Kunstfurzen blickt auf eine sehr lange Tradition zurück. Bereits in der Spätantike waren Flatulisten beim nach derber Unterhaltung verlangenden Publikum hochgeschätzt. Man könnte meinen sie sängen mit dem Hinterteil, lobte einst sinngemäß der fromme Kirchenvater Augustinus zeitgenössische Flatulenzkünstler. Noch im Mittelalter unterhielten Flatulisten mit ihrem pompösen Gebläse fürstliche Hofgesellschaften. Der Berühmteste unter ihnen war wohl Roland the Farter. Dieser königliche Hofnarr am illustren Hof Heinrich des II. Plantagenet war verpflichtet jährlich „…einen Sprung, einen Pfiff und einen Furz zu tun.“ Auch im 15. Jahrhundert bezieht sich Hieronymus Bosch wohl auf die Flatulisten, als er im Höllenteil seines berühmten Triptychons „Der Garten der Lüste“eine auch spielbare „Arschmelodie“verewigte.
Danach wurde es jahrhundertelang still um die Kunstfurzerei. Erst im 19. Jahrhundert erlebte dieses Metier ein fulminantes Revival. Vielenorts erfreuten Vertreter dieses Genres flatulierend wie humorvoll ihr Publikum. Der Berühmteste unter den Kunstfurzern war der Franzose Joseph Pujol (1857 -1945). Der aus Marseille stammende, gelernte Bäckermeister erwarb sich Weltruhm durch seine legendären Auftritte im Pariser Moulin Rouge, mit denen er sogar Sarah Bernard übertrumpft haben soll. Alle Welt kannte ihn als Fartomaniac. Das lag an Pujols Charisma wie seiner einzigartigen Begabung, selbst Hymnen fehlerfrei wie taktvoll zu furzen sowie Tierlaute imitieren zu können. Er komponierte zudem eigene Stücke, die er erlesenem Publikum präsentierte. Zu seinen Verehrern zählten Monarchen wie der dänische König und illustre Persönlickeiten wie Sigmund Freud. Pujol zog sich im Laufe des ersten Weltkrieges aus der Öffentlichkeit zurück um seinem ursprünglichen Beruf wieder nachzugehen. Mit Pujol verschwand auch das Kunstfurzen wieder aus dem gesellschaftlichen Unterhaltungsbewusstsein.
Pujol ist zwar aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden, seine Nachwirkung hält jedoch bis heute an. Seit den 60er Jahren wurde sein Leben verfilmt und durch berühmte Charakterdarsteller wie Ugo Tognazzi und Leonard Rossiter verkörpert. Die Filme über Pujol bewirkten eine vermehrte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Flatuieren. Sei es Musik, darstellende Kunst oder Film. Unvergessen bleibt diesbezüglich Louis de Funes letzter methangasreicher Leinwandauftritt. Verschiedene moderne Kunstprojekte widmen sich zum Teil unfreiwillig komisch der Faltulenzkunst. Und selbst Epigonen reihen sich ein, wie der englische Flatulist Mr. Methan, der durch diverse Fernsehauftritte schon eine gewisse Berühmtheit erlangte. Ob es ihm mit seiner Kunstfertigkeit wie Pujol zu Ruhm und Ehre zu gelangen, bleibt fraglich.
https://www.mrmethane.com/
Zuletzt sei noch angemerkt, dass ein Kunstfurzer es immer verstand, seine Gase zwar geräuschvollst aber gestankfrei herauszublasen. Und das ist, wie wohl jedem wohlbekannt sein dürfte, eine hohe Kunst. Und dennoch gilt auch hier, Bescheidenheit ist eine Zier, denn wie es einst Romaine Rolland so trefflich bemerkte: „ Man muss nicht höher furzen wollen, denn der Arsch ist.“
Bilder:
Graffiti © wikimedia / ŠJů / cc by-sa 3.0
Mr. Methane Plakat © Mr. Methane