Die große Flucht: Journalisten auf der Suche nach dem Bluesky-Überlebensurlaub

Die Welt des Journalismus ist ein ständiges Auf und Ab – und in letzter Zeit scheint das „Ab“ besonders tief zu gehen. Also, was macht man, wenn der Journalismus vor einem selbst in den Abgrund stürzt und der Shitstorm in den sozialen Medien dich wie ein übergroßes Tiramisu überrollt? Man packt seine Sachen und zieht ab. Wo hin? Nun, viele Journalisten haben sich jüngst für die goldene Zukunft auf Bluesky entschieden – dieser winzigen Plattform, die nur wenigen bekannt war, bevor sie plötzlich die perfekte Rettungsinsel für all diejenigen wurde, die von Twitter (oder X, aber wer zählt da noch?) genug hatten.

Warum Bluesky?
Nun, wenn du als Journalist mit der ewigen Blase von Twitter, den „Antwort-Delirien“ und den täglichen Algorithmen-Märchen in Kontakt gekommen bist, dann wird der Reiz von Bluesky schnell klar. Hier kannst du endlich all die grandiosen „Meinungsfreiheit“-Poste-Helden hinter dir lassen, die jeden Post mit „Stimmt es jetzt, dass XY…?“ kommentieren und dir mit „Ich hoffe, du bist nicht woke, sonst ignoriere ich dich direkt“ ein freundliches „Hallo“ sagen. Bluesky hingegen ist… nun, sagen wir mal, ein bisschen weniger „Theater“ und ein bisschen mehr „Hinterhof-Gespräch mit wackeligen Stühlen“ – und das ist in der Welt des zermürbten Journalismus vielleicht gerade das, was die Seele braucht.

„Die pure Freiheit“ – oder doch der sichere Hafen für Entkommene?
Natürlich, die Kritiker mögen einwerfen, dass Bluesky nur ein „elitäres Clubhaus für die journalistische Intelligenzia“ ist. Ja, du hast richtig gehört. Anstatt der chaotischen, überfüllten Höllenfahrt von X (die mittlerweile auch ihren besten Beitrag in einer Wand aus Werbung verliert), bekommt man auf Bluesky die erfrischende Weite der „woken“, „not woke“ und „wir haben uns alle lieb“-Blase. Alle dort wissen, was man über diesen „neuen Journalismus“ denkt: Es geht nicht mehr um Reichweite oder der Jagd nach dem nächsten Klick – oh nein! Es geht darum, wie man sich als halbwegs zynischer, aber gut informiert wirkender Influencer zeigt, der die Welt in 280 Zeichen oder weniger versteht. Und das alles in einem stilvollen, minimalistischen Design, das einem das Gefühl gibt, ein Trendsetter zu sein.

Ein kleines bisschen Selbstironie, bitte!
Aber der wahre Spaß kommt natürlich, wenn du die ganzen Journalisten siehst, die ihren „eXit“ aus Twitter als den ultimativen Schritt der Befreiung feiern. „Oh, endlich ist der Elfmeterpunkt erreicht“, sagen sie, „und hier kann ich endlich meine unfassbar tiefgründigen Gedanken teilen, ohne ständig mit irgendwelchen Trollen zu kämpfen!“ (Aber natürlich, wer sind die wahren Trolle hier – die, die auf Twitter bleiben, oder die, die zu Bluesky wechseln und sich als Elite darstellen?)

Das eigentliche Problem ist nämlich, dass dieser „neue Anfang“ auf Bluesky im Wesentlichen so ist, als ob man in ein völlig neues Land zieht, nur um festzustellen, dass auch dort der gleiche Pöbel von #TrendyJournalisten herumlaufen, die gerne ihre Lieblingszitate über das Leben, die Liebe und den Journalismus teilen. Nur eben in einem „sicheren Raum“. Ähm, Entschuldigung, wo sind die schreienden Massen und der tägliche Nervenkitzel von Troll-Attacken, die uns dazu bringen, wirklich nachzudenken?

Der große Witz: Nichts wird sich ändern
Obwohl Bluesky sicher seinen Charme hat, bleibt der größte Witz dieser ganzen Flucht, dass sich nichts ändern wird. Die Journalisten, die jetzt das „große Bluesky-Abenteuer“ starten, sind nicht plötzlich zu vollkommen neuen, von der Realität befreiten Superhelden geworden. Nein, sie sind einfach auf der Suche nach der nächsten halbwegs unberührten Social-Media-Plattform, um ihre Meinungen unter ihren gut geschnittenen Beiträgen zu verkaufen. Ist es der schönere Garten? Vielleicht. Aber auch dieser Garten wird irgendwann von Schmetterlingen und Gärtnern überschwemmt werden, die in ein paar Monaten genauso gut klagen, dass die Gespräche viel zu oberflächlich geworden sind und alle nach dem nächsten Trend Ausschau halten.

Also, liebe Journalisten, gönnt euch euren kleinen Bluesky-Urlaub. Es gibt da draußen bestimmt schlimmeres als die Sehnsucht nach einem Ort, an dem ihr euch wieder wichtig fühlen könnt. Und, ja, wir wissen alle, dass der nächste „eXit“ nicht weit entfernt ist – weil, seien wir ehrlich, die ideale Plattform für die „neue Journalismus-Revolution“ existiert wahrscheinlich noch gar nicht. Vielleicht wird es irgendwann HinterwäldlerWeb oder PostItBlueSky oder irgendetwas anderes sein, wo die wirklich coolen Leute sich endlich von allen anderen abheben können. Bis dahin: Macht euch keine Sorgen. In einem Jahr lachen wir alle über den nächsten „Retreat“ in die nächste Blase.


PS.: Im Laufe der letzten Tage trieben wir uns (leise) auf Bluesky herum und beobachteten das Geschehen. Wir gaben verschiedene Namen von Politikern und Begriffen des tagespolitischen Geschehens über die Suchfunktion ein, um die allfälligen Diskussionen dazu nachzulesen.
Das Ergebnis unserer Beobachtungen war sehr erhellend: Es gab und gibt keine Diskussionen. Es gab und gibt keine gegenteiligen Meinungen, kein Pro und Kontra, kein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen.
Man suhlt sich in einer eigenen Gesinnungsblase und freut sich darüber, sich nicht mehr mit „den Anderen“ herumplagen zu müssen. Man schaukelt sich gegenseitig die Eier(stöcke?) und fühlt sich wohl im links-trendigen „Safe Space“.

Please follow and like us:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert