Ein nützlicher Spionageskandal?

(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten

Ein Kommentar.

Geschätzte Damen und Herren, in aller Ehrlichkeit wollen wir uns heute doch zum Titelthema eine einzige Frage stellen: Wer kennt sich da noch aus?
Stellen wir uns einfach einmal dumm, tun wir als wären wir besonders einfältig. Vergessen wir, daß Wahlkampf ist, mit Dummheiten und Unterstellungen herumgeschmissen wird und so mancher Politiker lügt, daß sich die Balken biegen.
Immerhin geht es ja um Geheimdienst-, um Sicherheitsagenden. Also in Folge natürlich um Informationen, um wahrheitsgemäße Informationen. Im Englischen wird „Geheimdienst“ als „Intelligence Service“ bezeichnet, weshalb wir nun den gewagten Schritt gehen und auch noch ein gewisses Maß an Grundvernunft bei den plappernden Akteuren unterstellen.

Ein früherer österreichischer „Geheimdienstmann“ wurde in Haft genommen. Er soll Informationen an eine fremde Macht – die Rede ist von Rußland – weiter gegeben haben. Etwas detailierter: Bei einer Kanufahrt im Zuge eines „Betriebsausflugs“ des Innenministeriums kenterte eines der Boote und die Smartphones von drei Spitzenbeamten gingen ins Wasser… Ein IT-Fachmann des BVT soll die drei Telefone repariert und die abgreifbaren Daten gespeichert, an den nun in U-Haft befindlichen Herrn geleitet haben, der diese dann später (2022?) weiter gegeben hat.
Seither überschlagen sich die üblichen Verdächtigen, diesen Vorgang für den Wahlkampf nutzen zu können. Langweiligerweise muß man feststellen, daß es in Österreich nur noch den Wahlkampf zwischen zwei wahlwerbenden Gruppierungen gibt: Auf der einen Seite die Blauen, geleitet von FPÖ-Obmann Kickl und auf der anderen Seite die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne, sowie die SPÖ und Neos, die von einer kaum zu verbergenden Gier, Teil der kommenden Bundesregierung zu sein, gezeichnet sind. Kein schöner Anblick. Das Schauspiel läßt sich leicht zusammenfassen: Alle prügeln auf die in sämtlichen Umfragen führenden Freiheitlichen ein. Fad und durchschaubar.

Aber wir haben uns eingangs darauf geeinigt, uns faktisch blöd zu stellen und jeden dieser Tage kolportierten Schmarrn als seriöse und geprüfte Tatsache hinzunehmen.
Der Ex-Geheimdienstmann – dessen Namen wir aus Geheimhaltungsgründen natürlich nicht nennen – ist ein Mann der Sozialdemokratie, ein SPÖ-Mann. Das ist soweit nicht ehrenrührig oder verdächtig. Seit Anfang der 1990er arbeitet der Mann nachrichtendienstlich im österreichischen Inlandsgeheimdienst, der zwischenzeitig gefühlt 100 mal den Namen änderte. In den vergangenen Jahren trat dieser Mann mehrmals in die Öffentlichkeit und beklagte Umstände und Zustände im Inlandsgeheimdienst, die das seriöse nachrichtendienstliche Arbeiten erschweren, ja verunmöglichen. Vor laufenden Kameras prangerte er bspw. eine fragwürdige und unprofessionelle Personalpolitik der ÖVP-Innenminister an. Er und auch andere wiesen darauf hin, daß man mit dem richtigen Parteibuch in Posten gesetzt wurde, von deren Funktion, deren Mindestanforderungen und deren Verantwortung die so zu einer Anstellung gekommenen Parteifreunde keinen blanken Schimmer hatten.
Anfang 2018 beauftragte die WKStA, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung im BVT. Parteipolitisch glänzt die WKStA doch sehr stark durch eine nicht übersehbare Nähe zur eher linken Reichshälfte des Landes, zur SPÖ und den Grünen. Die Ursache für die Hausdurchsuchung sollen Anzeigen und Informationen sein, hinter denen wiederum genannter Geheimdienstler stecken soll.
Es gab einen U-Ausschuß dazu und man versuchte dem damaligen Innenminister Kickl die Verantwortung für die später als unrechtmäßig erklärte Hausdurchsuchung umzuhängen. Da er eben Innenminister und somit nicht für die Staatsanwaltschaft zuständig war, ging das de jure eher schwer. Trotzdem wurde medial fest an dem Mythos der Razzia des blauen Innenministers gegen einen braven und arglosen Geheimdienst festgehalten. War und ist halt ein ziemlicher Schwachsinn dieser Mythos.

Nun überschlagen sich die wilden Geschichten und Dreckschmeißereien:
Mit ins pseudoargumentative Boot wurde nun Jan Marsalek, der gesuchte Milliardenbetrüger von Wirecard geholt, der mehrmals mit seinen angeblichen Ideen zu einem privaten Sicherheitsdienst in Nordafrika zur Migrationsbegrenzung Kontakt zum Innenministerium gesucht haben soll. Dann wurde auch noch die Weitergabe der Formel des Nervengifts Nowitschok in den pseudoargumentativen Cocktail der wilden Behauptungen geworfen und drauf hingewiesen, daß die FPÖ einen „Freundschaftsvertrag“ mit der Partei „Einiges Rußland“ unterhalte.

Man ist sehr laut und pflegt eine sich überschlagende rhetorische Hysterie bei dieser Kaskade an wilden Vorwürfen, die eher der Angst vor dem Wahlkampf als der Liebe zu Wahrheit und Sicherheit des Landes geschuldet sind. Denn der (längst erloschene) „Freundschaftsvertrag“ war nicht mehr als das Abkommen, sich gegenseitig zu aktuellen Themen zu informieren und bei Besuchen hilfreich zu sein. Und wenn es um die Nähe zu Marsalek geht, fallen dem gelernten Österreicher als erstes das Bild des ÖVP-Manns Wolfgang Sobotka bei einem diplomatischen Empfang in Rußland gemeinsam an der Tafel mit Jan Marsalek ein. Und man denkt sofort an Marsaleks Wirecard-Komplizen Markus Braun, der seinen Platz in einem ÖVP-Think Tank hatte. Überhaupt muß man nur das eigene Gedächtnis ein wenig bemühen und man erinnert sich, wie hochrangige Vertreter von SPÖ, Grünen, ÖVP und Neos rund um die russische Führungsebene, um Putin und seine Oligarchen herumschwänzelten, als wären sie inkontinente Zwergrattler…

Kürzen wir die Geschichte einfach ab, bevor sie völlig in die Lächerlichkeit abgleitet:
Wenn es tatsächlich um eine sicherheitsrelevante Geschichte eines österreichischen Geheimdienstes geht, sollte die Angelegenheit auch geheim behandelt und abgehandelt werden. Der Vorwurf, daß fünf Jahre altes Datenmaterial gen Osten verschoben worden sein soll, läßt diese Angst nicht wirklich aufkommen.
Viel interessanter und auch ärgerlicher ist, für wie blöd Herr und Frau Österreicher gehalten werden, wenn ihnen dermaßen wilde Agentengeschichten – zum Wahlkampfgag ausgeschmückt – vorgesetzt werden. Man muß sich schon – wie eingangs empfohlen – richtig blöd stellen, um diesen Topfen widerspruchslos hinzunehmen. Es wird schon wieder mit Angst und Panikmache gearbeitet. Und das ist – höflich gesagt – zum Kotzen!


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Bild Formel Nowitschok: PharmaWiki

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