Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 9
In früheren Zeiten, als der Begriff der „flachen Hierarchie“ noch Verwunderung ausgelöst hätte, wußten die Diener, wo ihr Platz ist. Hört und liest sich grauslich, ergibt aber bis zu einem gewissen Grad Sinn.
Kaum etwas ist lästiger und unangebrachter, als der Angestellte, der dem Chef sagt, wie er zu entscheiden hat, ja noch schlimmer, sich nicht an die Entscheidungen des Chefs hält und ihn dann den angerichteten Schaden ausbaden läßt. Was sich wie eine Tirade des Klassenkampfs von oben liest, stellt in Wahrheit die unangenehme Ist-Situation im Verhältnis der Bürger zur Exekutive in Form der Regierung dar. Die Bürger, also die Chefs, werden von den Bediensteten, also der Bundesregierung herum gescheucht. Und da gibt es ein massives Fehlverständnis für den Job.
Die Exekutive eines Staates, also die gesamte ausführende Verwaltung, trägt eine der schwersten Lasten im Zusammenspiel zwischen Bürgern, Wirtschaft, Politik, … Und zum größten Teil funktioniert dies in einer Art und Weise, daß Herr und Frau Österreicher – die gerne einmal herumsudern – im Grunde doch zufrieden und stolz sind, in einem so gut verwalteten Land zu leben. Vom Streifenpolizisten, bis zum Leiter einer staatlichen Bildungseinrichtung, leisten die Menschen in Anbetracht der Unterstützung, die ihnen von Regierungsseite zuteil wird, Großartiges. Wie so oft, ist es leider der Kopf, wo auch dieser Fisch zu stinken beginnt.
Und der Kopf liegt in der Bundesregierung, und noch höher in der Präsidentschaftskanzlei. Nicht ohne Entsetzen und nicht ohne nachfolgende Diskussion blieben zwei Aussagen, mit denen wir das falsche Amtsverständnis dieser Vertreter der Exekutive, dieser Diener des Staatsvolkes, unterstreichen wollen.
„Unsere Aufgabe ist es, dem Druck der Menschen zu widerstehen…“, meinte beispielsweise der Bundeskanzler Karl Nehammer vorige Woche. Und der Vizekanzler der angeblich so bürgernahen und basisdemokratischen Grünen, Werner Kogler, gab keinen Pieps des Mißfallens dazu ab, sondern signalisierte seine Zustimmung. Ein unerhörter Affront gegen die Chefs im Land vom Angestellten. Wenn die Menschen Druck aufbauen – und dies wird nicht aus Jux und Tollerei gemacht – sollte dieser Angestellte, dieser Diener des Staatsvolkes (Mehr ist er einfach nicht!) in die Gänge kommen und die Forderungen und Wünsche der Menschen in seine Arbeit endlich einfließen lassen. Das „Widerstehen“, also Ignorieren der Anliegen der Menschen ist eine unbeschreibliche Anmaßung. Und einen besonders fauligen Beigeschmack bekommen solche Situationen gerade dann, wenn aus allen Meinungserhebungen sonnenklar hervorgeht, daß die Parteien der Bundesregierung weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten hinter sich vereinigen könnten und eine satte Mehrheit den raschen Abgang dieser Bundesregierung wünscht.
Nicht minder unpassend ist die Aussage des Staatsoberhaupts, der auch nicht mehr als ein Angestellter des Staatsvolkes ist, und sich als direkt gewählter Funktionsträger eigentlich viel mehr um die Stimmen der Menschen kümmern sollte, wenn er – allen Ernstes – den Bürgern ausrichtet, daß man über den Vorgang eines EU-Austritts nicht einmal nachdenken dürfe. Das ist keinesfalls seine Aufgabe! Wenn nach einer Erhebung der EU weit über die Hälfte der Österreicher mit der Leistung aus Brüssel so unzufrieden ist, daß man sich diesen Schritt als Ultima Ratio vorstellen kann, ist es nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten, das Nachdenken darüber zu verbieten. Bevor sich der Bundespräsident mit der Gedankenkontrolle österreichischer Bürger auseinandersetzt, soll er doch besser seiner Aufgabe nachkommen und die legistischen Bauchfleck` der Bundesregierung verhindern.
Doch was wäre tatsächlich der Aufgabenbereich, die Stellung der Exekutive – in Gestalt einer Bundesregierung? Ausführung. Genau das, was der Begriff „Exekutive“ eigentlich bedeutet. Im der derzeit vorherrschenden Selbstverständnis der Bundesregierung ist sie ein Verband der Herrscher, die Gesetze entwerfen, die sie dann durch die parlamentarische Mehrheit ihrer Parteien durchdrücken. Den Schwerpunkt der Umsetzung von Aufgaben im Rahmen gültigen Rechts erkennt man kaum mehr. Die Exekutive kennt ihren Platz nicht mehr.
In den nächsten Folgen werden wir uns etwas genauer mit der letzten der drei Gewalten auseinandersetzen, der Legislative.
Weitere Folgen:
Demokratie! Eine Liebeserklärung!
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 2
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 3
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 4
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 5
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 6
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 7
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Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 10
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Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 12
Demokratie! Eine Liebeserklärung! EXTRA
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 13
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 14
Demokratie! Eine Liebeserklärung! EXTRA
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