Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 5
Eine Demokratie ist die Möglichkeit, organisiert Entscheidungen zu treffen, deren gesellschaftliches Gewicht zu messen und dann in die Tat umzusetzen. Das hört sich am Anfang sperrig an, trifft es allerdings ganz gut. Egal, ob als Einzelperson oder Gruppe basiert eine jede Entscheidung auf der zur Verfügung stehenden Information. Ein Mensch, nennen wir ihn Hubert, sitzt im Restaurant mit dem Vorhaben, zu essen. Seine erste Information, die er für seine künftigen Entscheidungen verfügbar hat, ist, daß er einen Bärenhunger hat. Nun gleicht er dies mit der nächsten Informationsquelle ab, die seine Entscheidung zur Behebung des Mißstandes „Bärenhunger“ in absehbarer Zeit beeinflussen wird: Die Speisekarte. Da gibt es Suppen, kleine Gerichte, Snacks, Fleisch- und Fischgerichte…
Nun ruft sich der hungrige Hubert weitere Informationen, quasi Rahmenbedingungen seiner kulinarischen Lebens ab: Er mag kein Rindfleisch. Es schmeckt ihm nicht. Außerdem verträgt er keine Kokosprodukte.
Damit hat er die nächsten Informationen abgerufen, die er beim Abgleich mit der Speisekarte einfließen läßt. Dazu kommt noch die finanzielle Einschränkung: Er hat 50 Euro eingesteckt und will seine Karten nicht benutzen. Mehr Infos für das Auswahlverfahren.
Ein Freund erzählte ihm, daß es in diesem Restaurant hervorragende Backhendl gäbe. Doch dieser Freund hat auch einen hundsmiserablen Geschmack und ersäuft jedes seiner Essen mit Ketchup. – Eine weitere Information, wenn auch nur von bedingtem Wert. Aber sie fließt trotzdem in den Entscheidungsprozess ein.
Nachdem unser Hubert auch nur begrenzte Zeit für sein Mahl hat, und sich nicht lang stressen will, bestellt er eine Pizza mit Salami für zwei Personen. Schließlich hat er ja einen Bärenhunger. Seine Überlegung ist einfach: Die Pizza kostet 19 Euro, hat weder Kokosprodukte, noch Rindfleisch, ist riesig groß und schnell gemacht.
Langatmig haben wir nun dargelegt, daß der Informationsstand ausschlaggebend für eine Wahlentscheidung ist.
Stellen wir uns jetzt noch weiter vor, daß unser Hubert da sitzt und wartet. Er wartet lange, sehr lange… Das nervt ihn, weil er – wir erwähnten es bereits – nur eingeschränkt Zeit hat. Und als sich der Kellner ihm nun mit einem großen Teller nähert, spricht er ihn auch gleich noch an: „Ich würde bitte gleich bezahlen!“ Der Kellner stellt Hubert das Teller vor die Nase. Darauf befindet sich ein Hamburger mit Kokosraspeln. Und der Kellner meint: „Das macht dann 52 Euro 90 Cent bittschön.“
Hubert hat alles richtig gemacht, wurde allerdings betrogen. Er wird dieses Restaurant nie wieder betreten.
Ähnlich stellt sich im Idealfall die politische Wahlentscheidung in demokratischen Prozessen dar. Man hat einen Bedarf, einen Wunsch nach einer Änderung oder auch nach dem Gleichbleiben einer Linie im Bereich der Verwaltung. Und politische Parteien bieten nun etwas an: Veränderung, Gleichbleiben, Steuern rauf, Steuern runter, … pro/contra Migration, pro/contra staatliche Regulierung, … mehr EU, weniger EU, … Die Speisekarten, also Programme, der politischen Parteien sind manigfaltig und groß. Und wie auf Speisekarten von Restaurants werden sie als besonders delikat und bekömmlich dargestellt. Wahre Schmankerl… Nicht ganz, denn in Speisekarten müßen allfällig allergieauslösende Zutaten benannt sein. Die programmatischen Zutaten, die eine allergische Reaktion im Dasein als Bürger auslösen könnten, werden allerdings in den politischen Speisekarten nicht angeführt.
Einiges an Problemen in der Politik könnte dadurch vermieden werden, wenn sich Wahlberechtigte mit der gleichen nüchternen Überlegung an die Wahlentscheidung machen würden, wie sie es bei der Auswahl ihres Mittagessens machen:
Kann ich es sich leisten? Wie sieht der Zeitaufwand aus? Was schmeckt mir, was vertrage ich? Was sagt man über die „Produkte“ des Restaurants / der Partei? Sind die Empfehlungen brauchbar oder ist der Empfehler ein Depp? Und der vielleicht wichtigste Punkt: Hat das Restaurant / die Partei bis jetzt auch das geliefert, was man bestellt hat?
All die Fragen, die vor solchen Entscheidungen stehen, vollinhaltlich und richtig zu beantworten, ist nicht einfach. Oft genug fehlt es an seriöser Information, da sich viele Medien auf die eine oder andere Seite geschlagen haben und mit an einem Zerrbild der politisch-kulinarischen Realität arbeiten. Da wird schon einmal aus einem verdorbenen Würstel ein ganz besonders frischer und toller Hecht gemacht… Alles schon passiert…
Demokratie hat mit Entscheidungen zu tun. Entscheidungen basieren auf Informationen. Diese Informationen leben von ihrem Wahrheitsgehalt. Und Wahrheit hat mit Anstand zu tun. Es gibt keinen Anlaß, keinen Grund, keine Entschuldigung, die Informationen rund um das politische Handeln (oder Nichtstun) von politischen Akteuren zu beschönigen oder mies zu machen. Wer hier lügt, gefährdet und bekämpft die Demokratie.
Weitere Folgen:
Demokratie! Eine Liebeserklärung!
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 2
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 3
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 4
Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 6
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Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 12
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