Neutralität für Anfänger

(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten

Ein Kommentar.

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Leserinnen und Leser!

Wir hoffen, Sie genießen diesen Sonntag. In wenigen Tagen ist Nationalfeiertag und wir machen uns einmal schon heute Gedanken darüber, was seine Bedeutung ist – oder vielmehr sein sollte. Und wir überlegen uns, was wohl in den letzten Monaten und Jahren anders, also besser gelaufen wäre, wenn man den Geist, den Inhalt dieses Nationalfeiertags, des 26. Oktobers, auf Regierungsebene verinnerlicht hätte.

Wir frischen das Gedächtnis auf: Am 26. Oktober 1955 wurde die immerwährende Neutralität beschlossen. „Immerwährend“ war und ist das Zauberwort. Und bevor sich ein Schlaumeier findet, der meint, daß dies ein simples Verfassungsgesetz ist, das man mit einer 2/3-Mehrheit ändert, wollen wir auch ins Gedächtnis rufen, daß dieses Gesetz in Absprache mit den Signatarmächten, den ehemaligen Besatzungsmächten Österreichs seinen Weg fand. Es war nicht unter Druck dieser Staaten entstanden, sondern in kluger und respektvoller Abstimmung aller Bedürfnisse und Bedenken. Man wollte niemanden als unzufriedene und künftig grollende Partei zurücklassen. Dieser Stil der Konsensorientierung prägte fortan die österreichische Außenpolitik. Und die großen Köpfe österreichischer Diplomatie waren weltweit anerkannt. Man konnte sich auf sie und deren Integrität verlassen. Man wußte, daß Österreichs Standpunkt der eines neutralen Staates war und Österreich deshalb immer auch ein neutraler Vermittler sein kann. Viele Konflikte wurden offen oder auch in schalldichten Hinterzimmern durch österreichische Vermittlung beigelegt. Was Penizillin in der Medizin war, stellte die österreichische Diplomatie auf dem glatten Parkett internationaler Krisensituationen dar.

UNO-Standort in Wien.

Nicht ohne Grund wurde 1980 der UNO-Standort in Wien eröffnet. Über viele Jahrzehnte war Österreich der beliebte Tagungsort für Gipfeltreffen von sich gegenseitig mißtrauenden Konfliktparteien. Man konnte Österreich vertrauen. Und das genügte den Beteiligten. Durch diese nicht immer einfache Außenpolitik konnten wahrscheinlich mehr Menschenleben in Kriegs- und Krisenregionen gerettet werden als durch Sanktionen und Waffenlieferungen.
Österreich hat heute eine Bundesregierung und einen Bundespräsidenten, die eine – höflich formuliert – sehr eigene Auslegung der österreichischen Neutralität praktizieren. Streng genommen haben sie aus Österreich eine Konfliktpartei gemacht. Und dies wurde gegen den Willen der Bürger und zum Nachteil aller Beteiligter getan. Unser Außenminister Schallenberg, ein Mann der die unbeschreibliche Ehre und den historischen Auftrag hätte, in Fußstapfen eines Leopold Figl, Julius Raab, Bruno Kreisky, Kurt Waldheim und Rudolf Kirchschläger zu treten, zeigt überdeutlich, daß die Kutte noch lange nicht den Mönch macht. Er benimmt sich im höchsten Maße undiplomatisch, verfällt regelmäßig in reinste und übelste Kriegsrhetorik und vertritt auf keinen Fall die Interessen der österreichischen Bürger. Denn die österreichischen Bürger wünschen Neutralität! Nicht aus einer halblustigen Nostalgie, in einer Reihe mit Sisi-Filmen und Mozartkugeln, heraus, sondern aus nüchterner Überlegung. Neutralität bedeutet nämlich auch Nüchternheit. Man muß nicht krampfhaft den Weltpolizisten, den moralischen Überrichter, den Ankläger und Henker spielen. Die Rolle des Weltpolizisten spielen schon die USA mit über 800 Militärstützpunkten rund um den Globus. Und dem weltpolizeilichen Superhelden bei seiner „Arbeit“ zu beobachten, läßt uns kleine Weltenbürger ohnehin oft genug seufzen und die Augen rollen. Stellen wir uns einfach nur vor, wie es wohl bislang für Österreich, für Rußland und die Ukraine, und all die anderen in Mitleidenschaft gezogenen Staaten gelaufen wäre, wenn Österreich sich vom Anfang diese Konflikts an neutral gezeigt und neutral verhalten hätte. Österreich hat nämlich auch innerhalb der EU die Möglichkeit, auf die eigene Neutralität zu verweisen und muß nicht zwangsweise jeden Schmarrn mitmachen. Seit 2014 laufen nun Sanktionen gegen die russische Föderation. Und wie ein sabbernder, aber gut abgerichteter Zwergrattler hat Österreich von Anfang an bei dem Unfug mitgemacht. Mit dem an Geistlosigkeit schwer zu übertreffenden Spruch „An apple a day keeps Putin away!“ wollte der damalige Landwirtschaftsminister den Wegfall wesentlicher Absatzpartner und massive wirtschaftliche Einbußen für die Betroffenen versüßen. Der Dank der Betroffenen wird ihm in alle Ewigkeit nachschleichen.
Der russischen Föderation waren diese Sanktionen vergleichsweise egal. Rasch war man soweit die ausgefallenen Güter selbst zu produzieren. Die russische Föderation war durch die EU-Sanktionen einfach nur ein wenig autarker geworden. Und die russische Führung hatte nun einen klaren Überblick, welche Staaten ihnen gegenüber freundlich, neutral oder feindselig eingestellt waren. Die Republik Österreich gab den EU-Musterschüler und stand ohne lang nachzudenken auf der falschen Seite, nämlich nicht auf der neutralen. Mit dieser „Ursünde“ war die Möglichkeit für Gespräche, für Vermittlungen getrübt. Die traditionell gute Gesprächsbasis zwischen Österreich und der russischen Föderation, die ihre Wurzeln in der von Österreich betriebenen Entspannungsdiplomatie der Zeiten des Kalten Kriegs hat, schwand dahin, wie ein Brickerl in der Sauna. Nebenbei bemerkt: Außenminister war dazumals ein gewisser Sebastian Kurz, ein Mann dessen diplomatisches Know How wahrscheinlich auf einem Level mit seiner politischen Moral zu verorten war (und ist).

Bruno Kreisky war ein international geachteter und geschätzter Gesprächspartner und gefragter Vermittler. Was würde er zu seinen heutigen Amtsnachfolgern sagen?

Es ist nicht abwegig, daß ein guter und versierter Außenminister eines sich neutral verhaltenden Österreichs die Basis geschaffen hätte, daß die Konfliktparteien sich in einen kontrollierten Friedensprozess begeben.
Mit der Beteiligung an den unseligen EU-Sanktionen hat die österreichische Regierung den bereits vor acht Jahren begangenen Fehler noch einmal verschärft. Und Bundeskanzler Karl Nehammer wie auch Außenminister Schallenberg haben mit ihren vollkommen entbehrlichen Wortspenden und ihren betont parteiischen Auftritten jeden Glauben an Österreichs Neutralität durch das Ausland massiv beschädigt. In der Zwischenzeit werden österreichische Panzer – als ob es das Normalste der Welt wäre – in die Planspiele zur Aufrüstung der Ukraine von Strategen von EU-Sicherheits-Think-Tanks mit eingerechnet. Militärmaterial, Panzer, Geländefahrzeuge, Haubitzen bewegen sich auf österreichischen Straßen nach Osten in Richtung Ukraine. Ständig wird der österreichische Luftraum von NATO-Ländern für ihre Transportflüge durchquert. Was vor einigen Jahren noch ein absoluter Ausnahmefall, eine aufsehenerregende Sensation war, ist in der Zwischenzeit „daily business“. Dabei wäre es nicht nur einfach, sondern auch eine historische Verpflichtung gegenüber den Vätern unserer Neutralität, hier den Staaten und Organisationen mit Transportanliegen ein einfaches und freundliches „Nein!“ zu sagen.
Neutralität bedeutet erheblich mehr als das von Kanzler Nehammer aus dem Hut gezauberte Spezialkonstrukt der „militärischen Neutralität“. Neutralität bedeutet, daß man sich nicht an kriegerischen Handlungen beteiligt. Und Sanktionen sind nichts anderes als Wirtschaftskrieg. Da kann man selbstverständlich schönste Diskussionen dazu und über die Semantik der Begriffe abhalten. Am Ende bleibt übrig, daß man neutral handelt oder nicht. Und eines muß uns ebenfalls klar sein: Hätte Österreich neutral gehandelt, wäre es mit Sicherheit nicht von der russischen Gegenoffensive im Wirtschaftskrieg, den Spielereien mit Gas betroffen. Die nur eingeschränkt geschätzte Frau Gewessler könnte sich wie ein Tofuschnitzerl freuen, wenn sie ihre sinnbefreite CO2-Abgabe auf Treibstoff draufschlägt. Und die Menschen wären darüber zwar grantig, aber könnten es sich wenigstens noch leisten, weil die Energiepreise in Österreich, einem neutralen, vom Wirtschaftskrieg nicht betroffenen Land, im Keller blieben. Man hätte ohnehin schon genügend Inflationsbelastung durch die komplett daneben gegangene Währungspolitik der EZB.

Noch nie seit Ende der Besatzung befanden sich so viele US-Panzerfahrzeuge in Österreich wie heute.

Tja… Heute ein kleines Gedankenspiel. Aber es ist nicht abwegig, daß sich das Szenario in eine komplett andere, auf jeden Fall in eine bessere Richtung entwickelt hätte. Die Neutralität war stets Garant dafür, daß man von den weltpolitischen Turbulenzen mehr oder weniger unberührt blieb. Und die wahre und verinnerlichte Neutralität ist auch der Garant dafür, daß zu diversen Themen geschwiegen wird. Und nun Hand aufs Herz, geschätzte Damen und Herren, wie oft haben Sie sich in den vergangenen Monaten aus tiefstem Herzen gewünscht, daß der eine oder andere Minister, der Kanzler, ja der Herr Bundespräsident, einfach mal den Mund wieder zumacht, einfach mal nichts sagt.
Qualtinger soll einmal gesagt haben, daß es nichts Schöneres gibt, als einem Trottel beim Schweigen zuzuhören. Wir unterstellen natürlich niemandem in dieser Bundesregierung, oder gar dem Herrn Bundespräsident, ein „Trottel“ zu sein. Aber trotzdem wäre wirklich ein Segen, ihnen bei den obengenannten Problemstellungen beim Schweigen zuzuhören.



Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Sonntag!
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One thought on “Neutralität für Anfänger

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