Blick durch Europa
Kommentar.
Die Ereignisse der vergangenen Tage sollten auch den letzten Bürger Mitteleuropas davon überzeugt haben, daß wir, die Bürger Europas, hauptsächlich die Bürger von EU-Staaten, uns in einem Krieg befinden. – Von dieser Erkenntnis losgelöst, wissen es die Bürger Rußlands und der Ukraine schon länger.
Die Bürger der EU erkennen auch mehr und mehr, daß gegen sie Krieg geführt wird. Ein Wirtschaftskrieg, ein Energiekrieg, ein Krieg gegen ihre Freiheiten. Aber der Angreifer läßt sich nur ungern entlarven. Der Krieg gegen die Energieautonomie und Energieautarkie wird sehr offensichtlich von der EU-Kommission gegen die eigenen Bürger geführt. Ob dies auch Absicht ist, oder ob die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen und der Wohlstand der Europäer bloß Kollateralschäden im Auftragskampf gegen Putin und die russische Föderation sind, läßt sich schwer durchschauen. Würde man dieses Szenario auf eine militärische Ebene übertragen, sehe es so aus: Partei A beschießt Partei B. Allerdings trifft die Partei A nicht nur die Partei B, sondern auch die eigenen schutzlosen Zivilisten. Verantwortungsvolle Befehlshaber würden umgehend das Ende des Beschusses befehlen. Der schneidig anmutende Grundsatz „Wirkung vor Deckung“ hat keinen Sinn, wenn man sich selbst die Lebensgrundlage zerstört.
Im Kampf mit und um Energie tun sich neue Erkenntnisse auf: In ihrem unermesslichen Ratschluß kommt man nunmehr in der Führungsetage der EU auf die Idee, daß man die Verstromung von Kohle und den Einsatz von Nuklearenergie als nachhaltig einstuft, während man die Nutzung von (definitiv CO2-neutralem) Holz beschneiden, ja am besten verbieten will. Speziell in Österreich werden unzählige Fern- und Nahwärmeanlagen mit Holz betrieben. Hier handelt es sich in erster Linie um Schadholz – bspw. nach Insektenbefall – oder um für Bau- wie Möbeltischler ungeeignetes Holz aus Sturmschäden. Die Pelletsheizungen, die als Ersatz für nachweislich umweltschädliche Ölheizungen verbaut wurden, sind damit ebenfalls zum ökologischen Teufel geworden. Österreich und ganz Europa gehen damit einige Schritte zurück, wenn es um Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Energiegewinnung geht. Glückwunsch!
Die Macht seiner Worte scheint der österreichische Außenminister falsch einzuschätzen. Vollmundig bekundete er in einer eines Amtsträgers eines neutralen Österreichs unwürdigen Art, daß diverse ukrainische Oblasten, Lugansk, Donezk, und andere, sowie die Krim selbstverständlich ukrainisch bleiben. Eine mehr als entbehrliche Kriegsrhetorik.
Wie durch ein Wunder kündigte die russische Gasgesellschaft GAZPROM unmittelbar darauf an, den Lieferbetrieb nach Österreich (und Italien) zu unterbrechen. Ob hier Ursache und Wirkung zu entdecken sind, wollen wir einmal nicht beurteilen. Empfehlenswert wäre es allerdings, wenn sich der oberste Diplomat der Republik Österreich etwas diplomatischer verhalten würde.
Nach den Sabotageakten gegen die beiden Northstream-Pipelines wird laut, aber mit wenig Logik gemutmaßt, wer denn hinter diesem Angriff auf diese europäische Infrastruktur (im Besitz der Russen) stecken könnte. Und man war sich sehr schnell einig, daß es selbstverständlich nur Putin sein kann.
Wir enthalten uns einer jeden Schuldzuweisung, geben aber zu bedenken, daß GAZPROM einfach den Hahn abdrehen könnte, wenn es nichts mehr liefern will. Dafür muß man keinen zig Millionen schweren Schaden mit monatelanger Reparaturzeit verursachen.
Ein paar weitere Gedanken zum Northstream-Anschlag:
Zum Zeitpunkt des Sabotageaktes war ein US-amerikanischer Marineverband vor Ort. Sollten also tatsächlich – wie von allen kriegsgeifernden Seiten lautstark verkündet – die Russen hinter diesem Zerstörungsakt stecken, würde dies bedeuten, daß die NATO offensichtlich nicht kriegstauglich, nicht verteidigungsfähig ist, da unter ihrem Kielwasser (in nicht allzu großer Tiefe) unbemerkt ein solcher Sabotageakt stattfinden kann.
Nicht erst am 07.02.2022, also 17 Tage vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, als US-Präsident Biden ankündigte, im Falle russischer Aggression gegen die Ukraine Northstream II zu kappen, sandte man Signale des Mißfallens über diese Gasversorgung aus.
Seit 2017 gibt es ein US-Sanktionspaket mit dem Ziel, Arbeitsplätze im Frackingbereich zu schaffen. 2019 wurde die auf die Errichtung von durchs Meer führenden Pipelines spezialisierte schweizerische Firma Overseas mit einem … man kann es nicht anders bezeichnen … Drohbrief der US-Senatoren Ted Cruz und Ron Johnson (beide Republikaner) bedacht. Man drohte Overseas mit Sanktionen, wenn sie weiter das Northstream-Projekt verfolgten.
Ungezählte Male haben sich verschiedenste US-Politiker und Lobbyisten US-amerikanischer Energieunternehmen gegen dieses Projekt ausgesprochen.
Wäre der Sabotageakt ein banaler Kriminalfall, sollten sich die USA schleunigst ein gutes Alibi suchen…
Daß Energiepolitik auch Sicherheitspolitik ist, wurde am Dienstag, dem 04.10.2022, bei zwei Gelegenheiten klar: Bei der Nationalratssitzung in Wien wurde klar darauf hingewiesen, daß die Versorgung der Menschen mit leistbarer Energie eine Grundlage für das Überleben ist. Als (die österreichische Neutralität komplett außer acht lassendes) Argument wurde von Regierungsseite, wie ganz speziell von den Neos immer wieder darauf hingewiesen, daß dieser Energiekrieg Putin mehr schade. Beweise für diese Behauptung blieb man schuldig.
Zeitgleich gaben in Linz der stellvertretende Landeshauptmann Dr. Haimbuchner mit seinem Parteikollegen Michael Gruber eine Pressekonferenz, bei der sie ebenfalls auf die enge Verbindung von Energie und Sicherheit hinwiesen: Soziale Sicherheit, wirtschaftliche Sicherheit, Planungssicherheit für Betriebe, … denn diese Sicherheiten sind auch der Garant für soziale und wirtschaftliche Freiheit. Haimbuchner meinte pragmatisch, daß man die geopolitischen Probleme nicht in Oberösterreich lösen könne. Und Gruber forderte eine Stärkung des Zivilschutzverbandes und des Bundesheeres.
Und nach langer Erläuterung der Problemstellung mit Hinweis auf die Zahlen kam man zum Schluß, daß man die erneuerbaren Energien ausbauen muß, aber bis zur vollständigen Autarkie vom Gas aus Rußland abhängig bleibt. Ob es einem paßt oder nicht…
Wir werden also weiterhin russisches Gas benötigen. Gas aus dem Land, dem unser Außenminister auf unnachahmliche und unnötige Art quasi den Hintern ins Gesicht hielt.
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