Lokalaugenschein beim Wirt’n ums Eck
Hari ist der Wirt! Seine Frau ist die Chefin, aber er ist der Wirt. In guten Zeiten wirbelte er durch das Cafe Lounge, ein kleines Lokal am Linzer Bindermichl. Immer mit schnellem Schritt, aber niemals hastig. Der Mann strahlt seine Autorität aus und hat den Laden im Griff. An die 1,90 m, breite Schultern und von den Fingernägeln bis zum Hals tätowiert. Ein Mann, den nichts so schnell aufregt oder aus der Bahn wirft.
Das Lokal ist der klassische Grätzltreffpunkt. Pensionistinnen sitzen beim Kaffee, Schichtarbeiter gönnen sich ein Feierabendbier, Handelsvertreter machen hier eine kurze Pause und essen eine Kleinigkeit. Jungs und Mädels aus der Gegend treffen sich auf ein paar Drinks, bevor sie am späteren Abend noch in die Stadt schauen, oder dann doch gleich hier bleiben… Ein ganz guter Schnitt durch die Bewohner der Gegend: Vom Krawattenträger bis zum Hilfshackler. Mitten drin der Wirt, der dort abserviert, da ein frisches Weizen bringt, am nächsten Tisch ein bisserl „Schmäh führt“ und über einen Malteser-Rüden steigt, der gerade mit einem Pit Bull spielt.
Alles könnte so schön sein, alles könnte so gut gehen… Am Monatsletzten die Abrechnung machen, Gehälter überweisen, …
Aber wir leben im „Hier und Jetzt“. Und das ist nicht schön. Zeitweise hat man schon den Eindruck, es gäbe einen „Masterplan“ zur Zerstörung der österreichischen Gastronomie, zur endgültigen Eliminierung der einzigartigen österreichischen Beisl- und Wirtshauskultur. Natürlich gibt es einen solchen „Masterplan“ nicht. Aber es gibt rücksichtslose, branchenunkundige, sach- und fachfremde Wichtigtuer in der Politik, denen es einfach egal ist, wenn sie mit undurchdachten Entscheidungen einige Hunderttausend Existenzen vernichten.
Der erste große Vernichtungsstreich gegen die Gastro, nachdem man über die Jahre mit kleinen Gemeinheiten, dauernden Neuauflagen, kleine Nadelstiche ausführte, war das komplett überzogene Totalrauchverbot vergangenen Herbst. Mit einer an Verlogenheit schwer zu überbietenden Kampagne wurde ein funktionierendes Gesetz zum Schutz der Nichtraucher – übrigens eines der schärfsten im EU-Raum – so nebenbei ausgehebelt und den Wirten eine „Faustwatsch’n“ verpaßt. „Österreich ist der Aschenbecher Europas!“, wurde wahrheitswidrig, aber hysterisch gekreischt. In Berlin zündete man sich zur gleichen Zeit zum Bier in der Kneipe eine Zigarette an und wunderte sich über das seltsame Getue der Ösis. Nur zur Ergänzung: Als man in Großbritannien ähnlich brutal das totale Rauchverbot beschloß, gaben innerhalb von zwei Jahren rund 40% der Pubs auf und mußten schließen.
Aber jeder weiß, daß dies bloß ein kleiner, aber boshafter politischer Racheakt war: Man wollte sich an der FPÖ rächen, meinte aber eigentlich Strache (und seine „ibizanischen“ Rülpser), traf aber die komplett unschuldige Gastronomie.
Das neueste Kopfweh ist nur teilweise menschengemacht. – So sollte man es glauben. Nein, das Problem, das die Gastronomie heute hat, ist zu 100% menschengemacht, Es ist Werk einer Regierung, die zwei Tage vor der bevorstehenden Nutzung des Epidemiegesetzes selbiges noch rasch aushebelt. – So, als ob ein Kaskoversicherer kurz vor der Schadensbegutachtung den alten Vertrag löst, und den Versicherten dann mit einem neuen Versicherungstarif im Regen stehen läßt. Klingt unmöglich und unglaublich? Ist aber genau so passiert!
Schauen wir wieder zu Hari in sein Cafe Lounge, den Grätzltreff am Bindermichl: Er steht mit seiner Gattin im leeren Lokal und packt eine Portion Zürcher Geschnetzeltes in ein Sackerl. Eine saubere Portion! Riecht gut und schaut gschmackig aus. Ein Gast kommt, um sich das Mittagessen abzuholen. Alle sind maskiert, jeder kommt sich blöd vor mit dem zweifelhaft wirksamen Fetzen vor dem Gesicht. Aber es ist halt so. Mit weit ausgestreckten Armen wird das Mittagessen übergeben und entgegen genommen. Der Gast würde bei dem Wetter gerne im Gastgarten essen und vielleicht einen G’spritzten weiß dazu trinken. Geht nicht. Ab nach Hause!
Zwischen Tür und Angel erzählen dann Wirt und Wirtin: Das Service-Personal mußte gekündigt werden. Das kostete von einem auf den anderen Tag einen Batzen Geld. Abrechnung, Urlaubsanspruch abgelten, aliquotes Weihnachts- und Urlaubsgeld… Ein ganzer Haufen. Kurzarbeit war überhaupt keine Option. Was hätte eine Kellnerin denn tun sollen? 20 Stunden putzen?
Die € 1.000,– Soforthilfe sind in der Zwischenzeit einmal ausgezahlt worden. Sonst gab es noch keine Hilfe, keine Unterstützung. € 1.000,– für acht Wochen, die man seither geschlossen hat. Wie soll das gehen? Mit dem Verkauf der Mittagessen an Selbstabholer kann man nicht überleben oder gar leben. Das ist ein Instrument der Kundenbindung, ein Zeichen an die Gäste von gestern, und hoffentlich bald wieder morgen. Wenn am 15. Mai die Gastronomie wirklich wieder aufsperren darf, ist die Hälfte der möglichen Plätze in Haris Cafe tabu. Der Tresen, an dem sich zu besseren Tagen Gäste in zwei, drei Reihen tummelten, wo der Schmäh rannte und unzählige Fluchtachtel ihren Weg fanden, ist nun ein „No Go-Area“. Die lustigen Runden von 7 – 10 Pensionistinnen oder Youngsters sind verboten, nicht möglich, auf Tische zu je vier Personen aufgeteilt. Nicht zu nahe. Es wird wohl in Zukunft viel geschrieen werden. – Wegen der einzuhaltenden Distanzen…
Hari und seine Gattin sind geschockt über die Art und Weise, wie man in der Corona-Krise mit ihnen als Wirten umgeht. Sie meinen, daß mind. 30% der Gastronomen zusperren wird. Die Prognose ist nicht pessimistisch, sondern sehr realistisch. Mit den Betrieben werden genügend Arbeitsplätze verloren gehen.
Sie selbst greifen auf ihre Reserven zurück, bekommen Hilfe von der Familie. Sonst wäre das Cafe Lounge bald zu.
Bessere Zeiten…
Zum Abschied und aus gesetzeskonformem Abstand wird Hari noch gefragt, was er dem Herren der Erläße, Minister Rudi Anschober sagen würde. Während der Wirt überlegt, antwortet ein ungefragter Gast, ein Abholer von Zürcher Geschnetzeltem, in sehr unhöflichen Worten: „Daß er und die ganze Bagage verlogene A****löcher sind!“. Ups! Viele Freunde dürfte diese Bundesregierung hier nicht haben. Auch anderswo sehen Wirte und Gäste Kanzler Kurz und den Minister Anschober als Hauptschuldige für die bereits eingetretene und noch kommende Arbeitsmarkt- und Gastrokatastrophe.
Hari der Wirt ist etwas überlegter, denkt nach und meint dann: „ Der, der sich den Schmarrn für uns ausgedacht hat, soll einmal, eine einzige Schicht, mit Maske arbeiten, mit den Gästen arbeiten, rennen, schwitzen, … Und das für die paar Euro, die uns bleiben, wenn wir Glück haben.“ Eine klare Ansage.
Das kleine Cafe am Linzer Bindermichl ist kein Einzelfall, Hari und seine Gattin sind keine Ausnahmen. Wie ihnen geht es derzeit vielen Tausenden Wirten in ganz Österreich. Und an ihnen hängen noch weitere Arbeitplätze und Unternehmen. Die Winzer und Brauereien, die auf ihren Waren sitzenblieben und noch einige Zeit bleiben, die Lebensmittelhändler, die vielen kleinen Aushilfen, die Angestellten, die Reinigungsfirmen und Reinigungskräfte, die Taxler, die Gäste, die mal einen über den Durst hatten, nach Hause brachten…
Wer die Gastronomie so sträflich mißhandelt, tötet weite Teile der Wirtschaft und weite Teile der Gesellschaft.
#SupportYourLocalGrätzlwirt
Ist einer meiner lieblings lokale! Habe mit meiner Familie den 2.Weihnachtstag verbracht das einzige Lokal das immer offen hat! Ist sehr schön und nett!