Selbstlob im Sinkflug – oder: Wie man ein Land regiert und dabei jede Bodenhaftung verliert

Sehr geehrte Damen und Herren, Österreich steht schlechter da als noch vor wenigen Jahren – wirtschaftlich, politisch, moralisch. Und während das Land ächzt, stöhnt und rechnet, klopft sich die Bundesregierung mit erstaunlicher Ausdauer selbst auf die Schulter. Man müsse nur fest genug applaudieren, so scheint es, dann werde aus Stillstand Fortschritt und aus Versagen Verantwortung. Die Bürger jedoch sehen etwas anderes. Und sie sind – mit Verlaub – stinksauer.

Die große Überraschung, die keine war
Es gehört mittlerweile zum fixen Repertoire dieser Republik, daß politische Wahrheiten stets erst nach Urnenschluß ans Licht drängen. Das angeblich „überraschend“ hohe Budgetdefizit, das man erst nach der letzten Nationalratswahl häppchenweise zur Kenntnis nahm, ist das jüngste Beispiel. Niemand glaubt ernsthaft, daß dieses Ausmaß an finanzieller Schieflage plötzlich vom Himmel gefallen sei. Und falls doch, wäre das kein Entlastungsargument, sondern ein Offenbarungseid. Denn dann hätte ein Finanzminister jahrelang blind in den Abgrund marschiert – und eine ganze Regierung hinterher.
Die Bürger wissen sehr wohl zu unterscheiden zwischen Unwahrheit und Inkompetenz. Beides ist unerquicklich. Beides rechtfertigt Zorn. Und beides erklärt, warum das Vertrauen in diese Regierung schneller schwindet als Schnee am Stephansplatz.

Regieren heißt vorsorgen – vor allem für sich selbst
Während die großen Probleme ungelöst bleiben, zeigt sich der Gestaltungswille der Regierung an anderer Stelle umso lebhafter: bei der Schaffung, Besetzung und Absicherung gut dotierter Posten. Hier herrscht Betriebsamkeit. Hier wird geplant, verteilt, installiert. Parteigänger werden versorgt, Netzwerke verdichtet, Pflöcke eingeschlagen – offenbar in weiser Voraussicht auf den Tag, an dem man die Regierungsbank räumen muß.
Es wirkt, als wolle man den politischen Nachfolgern ein Minenfeld hinterlassen: gut platzierte Apparatschiks in Ministerien, Kammern und staatsnahen Betrieben, die weniger dem Staat als einer vergangenen Machtkonstellation verpflichtet sind. Staatsräson weicht Parteiräson, Verantwortung schrumpft zur Vorsorge für den eigenen Abgang.

Umfragen als Diagnose, nicht als Zufall
Daß die Freiheitlichen in Umfrage um Umfrage zulegen und Herbert Kickl in Kanzlerfragen Rekordwerte erzielt, ist kein Betriebsunfall der Demoskopie. Es ist die logische Folge eines politischen Vakuums. Wo Regierungspolitik als Selbstlob-Veranstaltung wahrgenommen wird, wächst die Sehnsucht nach Opposition – oder zumindest nach dem, was dafür gehalten wird.
Fast jede aktuelle Sonntagsfrage liest sich wie ein Mißtrauensvotum in Raten. Regierungsparteien im freien Fall, Minister mit durchwegs negativen Bewertungen, eine Bevölkerung, die mehrheitlich Neuwahlen wünscht. Das sind keine rechten Fantasiezahlen, sondern nüchterne Befunde. Wer sie ignoriert, verwechselt Arroganz mit Stabilität.

Unwille statt Wille, Unfähigkeit statt Lösung
Was dieser Bundesregierung an Gestaltungswillen fehlt, ersetzt sie durch Unwillen – und durch eine Form von Inkompetenz, die nicht einmal mehr peinlich, sondern unerquicklich ist. Probleme werden nicht gelöst, sondern verwaltet. Kritik wird nicht entkräftet, sondern moralisch etikettiert. Und jeder Hinweis auf Mißstände gilt rasch als Zumutung für jene, die sie verursacht haben.
„Mutig“ heißt in der politischen Sprache dieser Tage oft nur noch: mehr belasten, mehr kassieren, mehr erklären, warum es leider nicht anders geht. Die Bürger hören das – und wenden sich ab. Nicht aus Lust an der Provokation, sondern aus Überdruß.

Der Preis der Selbstzufriedenheit
Eine Regierung, die sich selbst feiert, während das Land den Gürtel enger schnallen muß, darf sich über schwindende Zustimmung nicht wundern. Vertrauen ist kein Naturzustand, sondern eine Leihgabe. Wer sie verspielt, bekommt sie nicht durch PR zurück, sondern nur durch Leistung. Genau daran aber mangelt es.
Österreich ist kein hoffnungsloser Fall. Aber es ist ein zutiefst verärgerter. Und dieser Ärger findet zunehmend ein politisches Ventil. Wer das nicht sehen will, wird es bei der nächsten Wahl fühlen.

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2 thoughts on “Selbstlob im Sinkflug – oder: Wie man ein Land regiert und dabei jede Bodenhaftung verliert

  1. Wieder eine Analyse vom Feinsten und punktgenau! Eine positive Änderung ist nicht in Sicht – leider!

    Die österreichische Dreierkoalition wirkt wie ein politisches Schauspiel, das sich zunehmend von der Lebensrealität der Menschen entkoppelt. Während sich SPÖ, ÖVP und NEOS in Pressekonferenzen gegenseitig für „staatspolitische Verantwortung“, „Kompromissfähigkeit“ und „Stabilität“ auf die Schulter klopfen, bleiben die zentralen Probleme des Landes erstaunlich unbehandelt – oder werden hinter wohlklingenden Worthülsen versteckt.

    Teuerung, Wohnkosten, Pflegekrise, überlastete Schulen, ein Gesundheitssystem am Anschlag: All das ist längst Alltag für große Teile der Bevölkerung. Doch statt klarer Prioritäten und nachvollziehbarer Entscheidungen liefert die Regierung vor allem Sprachnebel. Jeder Koalitionspartner versucht, sich für die eigene Zielgruppe ins rechte Licht zu rücken, während echte Reformen in Arbeitsgruppen, Evaluierungsphasen oder vagen Zukunftsankündigungen versanden.

    Die Dreierkoalition verkauft Stillstand als Ausgewogenheit und Mutlosigkeit als Pragmatismus. Konflikte werden nicht gelöst, sondern verwaltet, Verantwortung wird verteilt, bis sie niemand mehr trägt. Politik erscheint dabei weniger als Ort der Problemlösung, sondern als Bühne für Selbstinszenierung: Man will regieren, ohne anzuecken, und gut dastehen, ohne etwas Grundlegendes zu verändern.

    Gerade in Zeiten multipler Krisen wäre Ehrlichkeit gefragt – auch die Ehrlichkeit, unbequeme Entscheidungen zu treffen und Prioritäten offen zu benennen. Stattdessen erleben wir eine Regierung, die sich in ihrer eigenen Rhetorik verfängt. Das mag kurzfristig den Koalitionsfrieden sichern, untergräbt aber langfristig das Vertrauen der Bevölkerung. Denn wer nur redet, ohne zu handeln, darf sich nicht wundern, wenn ihm irgendwann niemand mehr zuhört.

    1. Solche Wahrheiten auszusprechen ist auch heute gefährlich – die Metternich´sche Geheimpolizei hat auch heute ihre gutbezahlten NGO-Spitzel, auch Blockwarte genannt.
      Nestroy schau oba!

      https://www.bing.com/videos/search?q=das+kometenlied&&view=detail&mid=362A9663F6FF46B124DD362A9663F6FF46B124DD&mmscn=stvo&FORM=VRDGAR

      Die Dreierkoalition hat viel Ähnlichkeit mit Nestroys liederlichem Kleeblatt – siehe der böse Geist des Lumpazivagabundus: Kierim, Leim und Zwirn – heute eben Stocker, Blabler und die Meindl suchen nach einem Lotteriegewinn und werden dann alle zu Knierim und versaufen das schöne Geld der Steuerzahler – Prost und Prosit mit einem Text zum Kometenlied:
      neuen Strophe des Kometenliedes:

      „Bankerottes Österreich nennen uns die Journal in Berlin
      Impertinenter noch reden s’ dort im Theater über Wien
      Doch hör’n Ein hier a paar Preußen über Preußen was sagn,
      Rennen s’ gleich als die Gekränkten und tun Ei’m verklagn.
      Da wird Ei’m halt angst und bang
      I sag, d’ Welt steht auf kein Fall mehr lang … !“

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