SPORTUNION präsentiert umfassendes Kinderschutzkonzept
Wie können wir Kinder und Jugendliche im Sport vor Gewalt und Missbrauch schützen? Im Rahmen eines Experten-Talks der SPORTUNION diskutierten im Haus des Sports Expertinnen und Experten aus Sport, Politik und Kinderschutz über Prävention, klare Strukturen und den richtigen Umgang mit digitalen Medien. SPORTUNION-Präsident Peter McDonald: „Mit Unterstützung der Kinderschutzorganisation die möwe hat die SPORTUNION ein maßgeschneidertes Konzept entwickelt, das auf allen Ebenen greift und ein sicheres Umfeld in Sportvereinen schafft.“
Wie sicher sind unsere Kinder und Jugendlichen in Sportvereinen? Wie reagieren wir auf Mobbing, Herabwürdigen, Beschimpfen, Verspotten, Bloßstellen, Drohen, Erpressen und Stalking? Wie steuern wir den Umgang mit sozialen Netzwerken und digitalen Medien in die richtigen Bahnen? Was können wir gegen sexuelle Übergriffe tun? Wie halten Trainerinnen und Trainer die Balance zwischen Nähe und professioneller Distanz? „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist für uns als SPORTUNION eine zentrale Verantwortung“, so SPORTUNION-Präsident Peter McDonald. „Gerade im Sportumfeld kommen junge Menschen mit vielen unterschiedlichen Personen in Kontakt, und es ist wichtig, dass dieser Raum sicher für sie ist.“ Mit fachkundiger Unterstützung der renommierten Kinderschutzorganisation die möwe hat die SPORTUNION aus diesem Grund ein umfassendes und maßgeschneidertes Kinder- und Jugendschutzkonzept entwickelt, das auf allen Ebenen der SPORTUNION (Bundes-, Landes- und Vereinsebene) greift. Dieses Konzept dient als wirksame Präventionsmaßnahme gegen jegliche Form von Gewalt und Grenzüberschreitungen und bietet klare Orientierung und Sicherheit in Verdachts- oder Krisenfällen.
Experten-Talk der SPORTUNION
Am 15. Oktober 2024 versammelten sich auf Einladung der SPORTUNION führende Expertinnen und Experten aus Sport, Politik, Bildung und Kinderschutz im Haus des Sports in Wien: Peter McDonald (Präsident der SPORTUNION), Claudia Plakolm (Staatssekretärin für Digitalisierung, Jugend und Zivildienst), Hedwig Wölfl (Geschäftsführerin der Kinderschutzorganisation „die möwe“), Barbara Kolb (Fachbereichsleiterin SAFE SPORT bei „100% Sport“), Sascha Hörstlhofer (Österreichischer Kinderschutzbund), Clemens Doppler (Ex-Volleyballspieler, Coach, Trainings- und Sportmanager), Brit Dohnal (Trainerin, Mutter, Kinderpädagogin). Gemeinsam diskutierten sie darüber, wie durch gezielte Präventionsmaßnahmen, Schulungen und innovative Konzepte ein sicheres Umfeld für Kinder und Jugendliche geschaffen werden kann. Der ORF hat diese SPORTUNION-Veranstaltung live übertragen.
Kinder- und Jugendschutzbeauftragte als zentrale Ansprechpartner
Peter McDonald: „“Eine der ersten und wichtigsten Maßnahmen, die wir im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzkonzepts der SPORTUNION bereits umsetzen konnten, war die Schaffung von Kinder- und Jugendschutzbeauftragten in den Landesverbänden. Diese Personen sind als zentrale Ansprechpartner im Bereich Kinder- und Jugendschutz tätig. Sie haben eine zweiteilige Weiterbildung bei der möwe, einer anerkannten Fachstelle für Kinder- und Jugendschutz, absolviert. Außerdem sind sie in ihrem Dienstvertrag weisungsfrei gestellt, was bedeutet, dass sie unabhängig arbeiten können, um sicherzustellen, dass sämtliche Anliegen in Bezug auf Kinder- und Jugendschutz professionell und diskret behandelt werden.”
Toolbox als praxisnahes Hilfsmittel für Vereine
Eine weitere Maßnahme, die bereits umgesetzt wurde, ist die Entwicklung einer Toolbox mit Materialien und Unterlagen für die Vereine. Sie beinhaltet praktische Vorlagen, Frage- und Bewertungsbögen und Leitfäden zu den Themen „Bestands- und Risikoanalyse“, „Prävention“ und „Fall- und Beschwerdemanagement“. Ein großer Teil dieser Materialien ist bereits vorhanden, es wird dennoch kontinuierlich daran weitergearbeitet. McDonald: „Unser Ziel ist es, dass diese Unterlagen für alle Alters- und Personengruppen im Verein verständlich und zugänglich sind. Sie sollen den Vereinen helfen, den Kinder- und Jugendschutz vor Ort umzusetzen, indem sie leicht anpassbar und praktisch einsetzbar sind.”
„Schutz in der Familie, in der Schule, im Verein, im digitalen Bereich“
Im Rahmen der Diskussion mit den Expertinnen und Experten betonte Staatssekretärin Claudia Plakolm, dass in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene ein umfassendes Kinder- und Jugendschutzpaket geschnürt wurde. “Es wurden sehr viele Maßnahmen gesetzt, um Kinder und Jugendliche zu schützen, von der Prävention bis hin zu strengeren Strafen”, so Plakolm. Ihr zufolge seien Kinder und Jugendliche das Schützenwerteste in der Gesellschaft. „Es geht um Schutz in der Schule, in der Familie, im Verein, im digitalen Raum.” Ein wichtiger Meilenstein sei deshalb auch die Einrichtung einer Fachstelle für den digitalen Kinderschutz, die mit ihrem Wissen und ihren Ressourcen unterstützend zur Seite stehe.
Strafausmaß verdreifacht
Plakolm verweist zudem auf die Verschärfung von Strafen in Fällen von Missbrauch und Gewalt: „Wir haben das Strafausmaß verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht.” Sie unterstreicht, dass Menschen, die sich einmal an Kindern und Jugendlichen vergangen haben, nach ihrer Strafe nicht mehr in Berufe wie den Lehrerberuf zurückkehren dürften: “Wer sich einmal an Kindern vergangen hat, darf nach der abgesessenen oder getilgten Strafe nicht mehr beruflich als Lehrer tätig sein.”
„Wirksamster Kinderschutz ist die Prävention“
“In den Kinderschutzzentren Österreichs haben wir in den letzten 20, 30 Jahren immer wiederkehrende Gewaltfälle im Sportbereich begleitet – Übergriffe, sexualisierte Gewalt, psychischer Druck und Gewalt”, so Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin der Kinderschutz-Organisation die möwe. “Uns ist es in den Kinderschutz-Organisationen immer mehr ein Anliegen geworden, etwa das Nicht-Wahrhaben-Wollen und das Wegschauen zu vermeiden. Es ist kaum ein Thema so heikel und löst so viele negative Emotionen aus wie Fälle, wo Kinder und Jugendliche Gewalt erleben mussten. Das gilt es zu vermeiden. Denn der wirksamste Kinderschutz ist die Prävention.“
„Vertrauenspersonen im Verein, Verband oder extern“
Barbara Kolb, Fachbereichsleiterin Safe Sport bei “100% Sport”, stellt sich stellvertretend die Frage: “ Das, was ich erlebt und beobachtet habe, was ich glaube, dass meinem Kind vielleicht passiert ist – ist das schon eine Gewaltform? Welche Gewaltform? Wie kann ich das einordnen?” Sie erklärt: “Eine betroffene Person mit Gewalterfahrung sollte die Wahl haben, eine Vertrauens- und Ansprechperson im Verein, Verband oder extern zu haben, mit denen wir dann als Safe Sport-Fachbereich und in der Vertrauens- und Anlaufstelle ‘Vera’ in unseren Netzwerken Kontakt aufnehmen können – nicht nur im Anlassfall, sondern auch in der Prävention.”
„Noch ein weiter Weg vor uns“
Die speziellste Herausforderung für Kinder, Eltern oder Trainer in einem Verein “ist Gehör zu bekommen”, so Sascha Hörstlhofer vom Österreichischen Kinderschutzbund. “Es gibt viele Vereine, die sehr offen für dieses Thema sind. Es gibt aber auch von mir geleitete Workshops, wo ich dann Meldungen wie z.B. diese bekomme: Bei mir im Spitzensport geht das nicht! Da muss ich schreien! Da muss ich Gewalt anwenden! Wenn ich so etwas höre, dann weiß ich: Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.”
„Sprache und Charakter ein wichtiges Tool“
Ex-Volleyballer und Gründer der SPORTBOX, Clemens Doppler: “Eigentlich ist es traurig, dass wir über ein Thema diskutieren, über das wir eigentlich nicht diskutieren sollten. Kinder- und Jugendschutz müsste etwas komplett Normales sein. Ein Verein muss ein Ort sein, an den man gerne geht und wo man sich sicher fühlt. Wo man vielleicht auch über Themen aus dem Privatbereich sprechen kann. Dafür braucht man im Verein Vertrauens- und Ansprechpersonen, die in den meisten Fällen die Trainerinnen und Trainer sind. Dabei ist insbesondere die Sprache ein ganz wichtiges Tool. Man muss nicht gleich “handgreiflich” werden, sondern kann vieles mit Worten ins Positive leiten.“ Ein für Doppler entscheidender Punkt ist “die Haltung. Man kann es auch als Charakter bezeichnen. Nur mit der Haltung kann man im Verhalten Veränderungen einleiten.“
„Respektvolles und schützendes Umfeld“
Wie Kinder- und Jugendschutz aktiv gelebt werden kann, erläuterte Brit Dohnal. Die gebürtige Britin ist Kinderpädagogin sowie Jugendkoordinatorin und Coach der Jüngsten bei Rugby Union Donau Wien. „Wir sensibilisieren unsere Trainer in unseren regelmäßigen Workshops, die neben dem sportlichen Aspekt auch Kinder- und Jugendschutz beinhalten.“ In regelmäßigen Feedback-Runden können aber auch Kinder und Jugendliche ihre Gedanken und Ideen einbringen. „So fühlen sie sich in Entscheidungen einbezogen und lernt, Verantwortung zu übernehmen.“ Dazu kommt: „Transparenz bei den Trainings und Zusammenarbeit mit den Eltern ist für uns entscheidend. Eine offene Kommunikation zwischen Trainer und Eltern hilft, Vertrauen aufzubauen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Und natürlich stehen unsere Trainer und Team-Manager den Kindern als Vertrauenspersonen zur Seite und sind immer ansprechbar, wenn es um Sorgen oder Probleme geht. Uns ist bewusst: Die Verantwortung, die Trainer tragen, ist groß, aber die positive Wirkung, die sie auf die Entwicklung der Kinder haben können, ist unermesslich.“
Fotos © Fotografie Sissi Richter