Der 24. Februar! – Ein österreichischer Schicksalstag?

(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten

Ein Kommentar.

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Leserinnen und Leser!


Sie haben sich nicht verlesen. Ein österreichischer Schicksalstag. Und damit ist nicht gemeint, daß der Habsburger Ferdinand I. just am 24.02.1527 zum König von Böhmen gekrönt wurde oder der angesehene Völkerrechtsexperte Felix Ermacora 1995 an diesem Tag verstarb. Nein es geht um den 24.02.2023, und es geht um Österreich und seinen politischen Weg in die Zukunft.
Im Prinzip unbemerkt, oder zumindest von der überwiegenden Mehrheit der österreichischen Bürgerinnen und Bürger kaum beachtet, fand am 24.02.2023 eine Sondersitzung des Nationalrats statt. Die Neos hatten eine dringliche Anfrage an den Bundeskanzler Nehammer gestellt. Er solle erklären, wie er Österreich in Anbetracht der „Aggression Russlands“ zu sichern gedenke. Dieser Anfrage ging schon vor Tagen eine ausgewachsene Initiative gegen die österreichische Neutralität voraus, die – Wen wundert’s? – vor allem aus den Reihen der Neos und vom ÖVP-SuperEUropäer Othmar Karas unterstützt wurde. Das übliche Blabla dazu: Österreich soll sich „dem Westen“ (Wer auch immer das sein soll…) anschließen… Österreich ist zu klein… Die Neutralität ist überholt… Wir sind wehrlos und demnächst hockt Putin in österreichischen Schrebergartenhäusln und bedient sich bei den eingelagerten Dosenbiervorräten… Weil wir ja bekanntlich wehrlos sind…
Und in dieser Tonart ging es auch gleich weiter in der Sondersitzung, die nun Werbeveranstaltung für die Staatsaufgabefantasien der Neos sein sollte.

Klubobmann Herbert Kickl (FPÖ) am Rednerpult.

Der Fortgang dieser Sitzung des Nationalrats – immerhin der gesetzgebenden Institution unserer Republik, also kein Gaudiverein – dürfte auch dem mäßig interessierten Medienkonsumenten nicht gänzlich entgangen sein. Es ging zu, wie in einem… nein das schreiben wir jetzt nicht nieder, sonst pudelt sich wieder irgendjemand über die respektlose Wortwahl auf.
Apropos „Respekt“. Der dürfte einigen Protagonisten dieses ins Garstige abgerutschten Schauspiels abhanden gekommen sein. Ähnlich verhält es sich mit Zurückhaltung und einem Mindestmaß an Höflichkeit. Als sich der blaue Klubobmann Kickl aufmachte, entgegen der Einheitslinie von ÖVP, Grünen, Neos und SPÖ, zu einer differenzierten Betrachtungsweise aufzufordern, war sich der Neos-Abgeordnete Helmut Brandstätter nicht zu blöd, Kickl in einem Zwischenruf vorzuwerfen, daß auch Hitler so argumentiert hätte. Wohlgemerkt: Kickl hat betont, daß dieser Krieg zwischen der Ukraine und der russischen Föderation nicht so einfach zu erklären ist, wie es die anderen Parteien tun, die Geschichte erheblich älter als ein Jahr, und die Beteiligten auch in Washington und Brüssel sitzen. Verkürzt dargestellt. Kickl verurteilte den Krieg und forderte auf, sich für diplomatische Schritte einzusetzen, die diesen Krieg beenden. Und er mahnte, die österreichische Neutralität, die im letzten Jahr durch die Bundesregierung ins Groteske verzerrt wurde, wieder aktiv zu leben. Was daran Hitlerei sein soll, wird wohl nur Herr Brandstätter wissen. Vielleicht bringt er auch unter einem Hitlervergleich kein „Gegenargument“ mehr zustande.

Stehpräsidiale mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und den Klubobleuten der Parteien.

Der erste Skandal des Tages war geboren. Nationalratspräsident Sobotka hatte die laut durch den Saal gebrüllte Beleidigung natürlich nicht gehört und erteilte keinen umgehenden Ordnungsruf an den Neos-Abgeordneten. Es kam zu einer Unterbrechung der Sitzung und einer Stehpräsidiale, also einer Besprechung der Klubobleute aller Parteien mit dem Nationalratspräsidenten. Resultat: Neos-Brandstätter und ÖVP-Lopatka bekamen für ihre mehr als entbehrlichen Zwischenrufe Ordnungsrufe ab. Die Stimmung war nun entsprechend aufgeheizt und man rief sich untereinander zur Mäßigung, zur Zurückhaltung und zu einer bewußteren Wahl der Worte auf.
Doch dann kam es zur Rede von Vizekanzler Kogler. Er warf der gesamten FPÖ-Fraktion perverse Putin-Propaganda vor und führte sich auf wie ein Hausmeister, der Kinder für ein eingeworfenes Kellerfenster zusammenstauchte. Der Vertreter der Exekutive maßregelte tatsächlich Vertreter der Legislative. Kann man sich nicht ausdenken. Das wurde sogar der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, die in der Zwischenzeit den Vorsitz übernommen hatte, zu bunt und sie wies den grünen Vizekanzler darauf hin, Wortwahl und Tonlage der Würde des Hauses anzupassen. Kogler tat dies nicht, sondern wiederholte und bekräftigte seine Anwürfe. Bures unterbrach ihn zum zweiten Mal und wies darauf hin, daß man keine Reden halten soll, bei denen nichts als verbrannte Erde zurückbleibt. Kogler kümmerte sich wieder nicht um die Aufforderung der Vorsitzenden und fuhr mit der Aussage fort, daß er sich nicht den Mund verbieten lasse. Eine Impertinenz und Respektlosigkeit, wie sie dieses Parlament vielleicht noch nie gesehen hat. Danach ging es mit den üblichen Vorwürfen weiter…

Vizekanzler Kogler ließ jeden Respekt vermissen.

Doch was machte diese Sitzung nun so bemerkenswert, daß wir sogar den schwerwiegenden Begriff des „Schicksalstages“ wählten? Zwei Punkte.
Ein Punkt ist, daß zumindest zwei der fünf Parlamentsparteien, nämlich die Neos und Grünen, die österreichische Neutralität sehr offen angriffen und sich nach Unterbringung im Schoß eines Militärbündnisses sehnten. Unüberhörbar, kaum verdeckt in schön klingenden Verklausulierungen. Die Grünen vertraten einen Standpunkt der komplett konträr zu ihrem eigenen Parteiprogramm stand. Die Neos und Grünen sind nun im Wettkampf um eine Wählergruppe, die maximal 10% der Bevölkerung ausmachen könnte, nämlich die dezidierten Feinde der österreichischen Neutralität. Und scheinbar will man sich gegenseitig übertrumpfen an wilden Ideen, wie man die Grundidee der neutralen zweiten Republik in den Dreck ziehen kann. Die Kanzlerpartei ÖVP ist da schon schlauer geworden: Während Außenminister Schallenberg sich im Ausland namens Österreich alles andere als neutral benimmt, beteuert man im Inland, daß die Neutralität nicht zur Debatte stehe. Unglaubwürdig.
Der zweite Punkt ist das wiederholte Beschwören einer angeblichen gesellschaftlichen Mehrheit gegen die von der FPÖ vertretenen Standpunkte, wie der Forderung nach Sanktionsstopp, Untersagung von Waffenlieferungen durch Österreich, Beendigung direkter und indirekter finanzieller Unterstützung einer Kriegspartei und aktivere Neutralitätspolitik. Diese Ablehnung hat eine parlamentarische, aber keinesfalls eine gesellschaftliche Mehrheit. Laut Umfrageergebnissen aus den verschiedensten Instituten und Richtungen lehnt eine satte Mehrheit, weit über zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher, die derzeitige Kriegspolitik ab und sieht die Aufweichung der Neutralität als schweren und gefährlichen Fehler. Wiederholt betonte man von den Regierungsparteien ÖVP und Grünen, aber auch von den Neos und der SPÖ, daß es vier gute Parteien – vielleicht eine Anlehnung an die „Allianz der Willigen“ zum Irakkrieg – und die eine böse FPÖ gebe, die sich nicht einordnen will. Daß jedoch vier Parteien eine Minderheitsmeinung und die Freiheitlichen den klaren Willen der Mehrheit vertreten, übersehen die Damen und Herren dieser „Viererbande“. Manchmal wirkt das Verhalten wie die Vorbereitung auf die Zeit nach der nächsten Nationalratswahl. So wie es jetzt aussieht, wird die FPÖ mit Abstand stärkste Partei und es wird – wenn es so weitergeht – wohl bald drei Parteien bedürfen, um eine Koalition ohne FPÖ zu bilden. Ein demokratiepolitisches Armutszeugnis wäre das allemal. Wenn sich Grüne und Neos weiter so aufführen, ist es auch nicht völlig ausgeschlossen, daß sie sich durch gegenseitigen Wählerraub auch noch aus dem Parlament schießen. In Anbetracht der letzten Wortspenden, Ideen und Beiträge wäre dies allerdings ein leicht verschmerzbarer Verlust.

Schlußendlich wollen wir noch auf die Forderungen der Blauen hinweisen, die sie in einer parlamentarischen Petition unter kriegstoppen.at nachlesen und gegebenenfalls auch unterstützen können.


Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Sonntag!
Bleiben Sie uns gewogen!
Bitte unterstützen Sie die heimische Wirtschaft!



Fotos:
Parlament / Nationalratssitzung © Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser
Werner Kogler © BKA / Dunker / cc by 2.0 / cropped

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One thought on “Der 24. Februar! – Ein österreichischer Schicksalstag?

  1. Diesmal war wirklich Action im „Hohen Haus“. Wenn der Herbert Kickl das Podium betritt, verringert sich die Anzahl der Handytipper, das gefällt mir. Er hat den Standpunkt der FPÖ plastisch dargelegt und dem stimme ich vollinhaltlich zu, auch wenn die Mehrheit, die Einheitspartie das so nicht wahrhaben will. Als Qualitätsindikator der Rede Kickls betrachte ich den Pawlowschen Reflex des Herrn Brandstetter, 5. Rad am Wagen der Neos. Der Kogler ist ein hartnäckiger Fundamentalist mit Neigung zum Tourette-Syndrom, bin aber kein Arzt, deswegen nur Vermutung. Wenn die Parlamentarier der Einheitspartei, einige haben mitunter guten Unterhaltungswert, so weitermachen, müssen wirklich 3 Parteien her, um der FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen. Jetzt fahrens schon schwere Geschütze auf, Verfassungsschutz in Ried im Innkreis, hinter jedem Baum wird ein Nazi geortet. Der Karner hat seine Argus-Augen überall, fast überall, bis zu unseren Grenzen reichen sie allerdings nicht. Derzeit befindet er sich mit dem Nehammer auf einer Kirtagsfahrt in Marokko um den Migrationswilligen ihr Vorhaben auszureden, so wird es kolportiert. Warum sinds gerade nach Marokko geflüchtet? Kreativ sinds schon, unsere politischen Reiseleiter…

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