
Prognosen sind bekanntlich schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Bonmot wird gern bemüht, wenn man sich vor klaren Aussagen drücken möchte. Beginnen wir also ausnahmsweise nicht mit Vorhersagen, sondern mit dem nüchternen Befund. Der Status quo genügt bereits, um jede Illusion zu zerstören: Österreich steht erneut vor einem Entscheidungsjahr. Tragischerweise liegt hinter diesem Land aber bereits eines, das man ungenutzt verstreichen ließ. Ein Jahr, in dem Probleme nicht gelöst, sondern vertagt, beschwichtigt und hinter mit Geschwafel aufgeblasenen Presseunterlagen versteckt wurden. Die Republik wurde nicht regiert – sie wurde vertröstet.
Das Märchen vom überraschenden Defizit
Die Wut vieler Österreicher speist sich aus einem simplen Umstand: Sie fühlen sich belogen. Und zwar nicht beiläufig, sondern vorsätzlich. Dass das wahre Ausmaß des Budgetdefizits erst nach der Nationalratswahl häppchenweise ans Licht kam, glaubt heute niemand mehr ernsthaft. Sollte es tatsächlich stimmen, wäre es kein mildernder Umstand, sondern ein Offenbarungseid. Dann hätte ein Finanzminister entweder keine Ahnung von seinem Ressort gehabt – oder keine Skrupel. Beides wäre disqualifizierend. Politik, die auf dieser Grundlage Vertrauen einfordert, gleicht einem Brandstifter, der sich über fehlende Rauchmelder beklagt. Ein Thema, das man bis zur nächsten Nationalratswahl keinesfalls vergessen darf!
Die Dreierkoalition als Parallelwelt
Was SPÖ, ÖVP und NEOS derzeit darbieten, wirkt wie ein wirklich mieses politisches Schauspiel, das sich schleichend von der Lebensrealität der Bevölkerung entkoppelt hat. In Pressekonferenzen feiert man „staatspolitische Verantwortung“, „Stabilität“ und „Kompromissfähigkeit“, während draußen Teuerung, Wohnkosten, steigende Arbeitslosigkeit, Insolvenzen und Systemkrisen den Alltag bestimmen. Der Bürger steht frierend vor der Tür, während drinnen das Regierungstrio über die richtige Raumtemperatur debattiert.
Diese Koalition verkauft Stillstand als Ausgewogenheit und Mutlosigkeit als Pragmatismus. Konflikte werden nicht gelöst, sondern verwaltet, Verantwortung wird so lange auf Arbeitsgruppen verteilt, bis sie niemand mehr trägt. Politik verkommt zur Selbstinszenierung: Man will regieren, ohne anzuecken – und gut dastehen, ohne etwas zu verändern. Doch faktisch eckt man überall an, weil man eben nicht einmal das Notwendigste erledigt.
Staatsauflösung als Nebensache
Besonders bemerkenswert ist das beharrliche Schweigen zur wohl radikalsten Idee, die aus den Reihen der Regierung kam: Die NEOS-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger forderte wiederholt die Reform der EU zu den „Vereinigten Staaten von Europa“. Das ist keine technokratische Fußnote, sondern die offene Infragestellung der österreichischen Souveränität – also das Ende Österreichs als eigenständiger Staat.
In einem funktionierenden politischen System hätte dieser Vorstoß eine Regierungskrise ausgelöst. Koalitionspartner hätten Konsequenzen gezogen, Medien wären ausgerückt, Leitartikel erschienen. Doch im Österreich des Jahres 2025 herrschte betretenes Schweigen. Kein Aufschrei, kein Ohrwaschlzucken. Der Blätterwald schwieg – und mit ihm die staatspolitische Selbstachtung.
Krisen überall, Mut nirgends
Teuerung, Pflegekrise, Migrationskrise, Bildungskrise, Gewalt an Schulen, ein ächzendes Gesundheitssystem – all das ist längst Realität. Doch statt Prioritäten zu setzen, produziert die Regierung Geschwätz und Geschwafel. Ankündigungen ersetzen Entscheidungen, Evaluierungen ersetzen Handeln. Während der Bedarf nach Reformen steigt, wächst vor allem eines: die Bürokratie. Neue Vorschriften, neue Kosten, neue Belastungen – oft für Dinge, deren Nutzen sich selbst mit gutem Willen nicht erschließt.
Gerade in Zeiten multipler Krisen wäre Ehrlichkeit gefragt. Ehrlichkeit – gepaart mit dem Mut, Unbequemes auszusprechen. Doch es wird eben nur geredet und geredet, gleichzeitig gar nichts gesagt, und schon gar nicht gehandelt. Keinesfalls darf man sich nicht wundern, wenn es einfach niemand mehr hören will.
Macht um jeden Preis
Es hätte schon 2025, während der ersten zehn Regierungsmonate ausreichend Gründe gegeben, die Reißleine zu ziehen und Neuwahlen anzusetzen. Man tat es nicht. Aus Angst vor einem noch stärkeren Wahlerfolg der FPÖ – und aus viel profaneren Motiven: dem Erhalt von Posten, Gehältern und Versorgungspfründen. Viele Regierungsmitglieder wissen genau, dass sie außerhalb der Politik niemals auch nur annähernd das verdienen würden, was sie nun beziehen. Das ist kein persönlicher Vorwurf, sondern ein strukturelles Armutszeugnis der Personalauswahl.
Ein Land im Wartesaal
Österreich wird derzeit nicht gestaltet, sondern es wird auf Zeit gespielt. Die Republik sitzt im Wartesaal der Geschichte, während die Uhr immer lauter tickt. Entscheidungsjahre kommen und gehen – doch ohne Entscheidungen bleiben sie bloße Kalenderereignisse. Das ist nicht nur unerquicklich. Es ist gefährlich.
Da hilft nur Qualtinger, der Anton Kuh liest – https://www.youtube.com/watch?v=PMDO4Xt7uLU