
(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten
Ein Kommentar.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ein alter Trick der Macht, altbewährt und durchschaubar: Wenn das eigene Haus brennt, lenkt man die Aufmerksamkeit auf ein anderes, das häßlich bemalt sein soll. Und wenn es nicht häßlich bemalt ist, beschmiert man es eben selbst.
Wer Fragen nach Verantwortung nicht beantworten kann, erfindet lieber Schuldige – am besten dort, wo sie sich nicht mehr wehren können. Und so erlebt Österreich, mitten in einer politischen Krise der Glaubwürdigkeit, das Schauspiel einer neuen moralischen Hexenjagd: Diesmal trifft es keinen Lebenden, sondern einen Toten – Franz Dinghofer, Mitbegründer der ersten Republik, Jurist, Staatsmann.
Ein Mann, den Generationen über Parteigrenzen hinweg als aufrechten Demokraten geehrt haben, wird nun posthum zum Feindbild erklärt. Nicht, weil sich neue historische Tatsachen ergeben hätten – sondern, weil es politisch opportun erscheint, an seiner Person einen symbolischen Sieg über die Freiheitlichen zu erringen. Ein Lehrstück österreichischer Gegenwartspolitik, das viel über den Zustand der Republik verrät – und wenig über Franz Dinghofer.
Das bequeme Vergessen
Wir leben in einer Zeit, in der historische Erinnerung nicht mehr dient, um zu verstehen, sondern um zu kämpfen. Geschichte ist zur Waffe geworden – gegen den politischen Gegner, gegen das eigene schlechte Gewissen, gegen die Mühsal des Nachdenkens. Was nicht ins moralische Raster passt, wird passend gemacht; was nicht passt, wird gelöscht, umgeschrieben, umgedeutet.
So nun also auch Dinghofer. Die Grünen, die SPÖ, Teile der ÖVP – sie alle vereint der Eifer, einen Republikgründer zum Schurken umzuschreiben. Die Methode ist dabei ebenso simpel wie infam: Man reiße Sätze aus alten Reden aus ihrem Kontext, stelle sie in das grelle Licht heutiger Empörung, und fertig ist die neue Wahrheit. Wikipedia, jenes Lexikon der Halbgebildeten, wird flugs zur Hauptquelle, und der Tagesjournalismus, stets hungrig nach moralischer Empörung, nimmt die Fährte dankbar auf.
Was bleibt, ist ein Rufmord im öffentlichen Raum. Nur dass das Opfer diesmal nicht mehr sprechen kann.
Vom Gründer zum Sündenbock
Franz Dinghofer war kein Heiliger, aber ein Patriot. Ein Mann, der am 12. November 1918 gemeinsam mit Karl Seitz und Jodok Fink die Republik ausrief, der als Präsident des Obersten Gerichtshofes die Rechtsstaatlichkeit des jungen Staates prägte, der als Politiker stets an den Ausgleich zwischen den Lagern glaubte.
Nach dem Krieg wurde er von allen Seiten geehrt – Sozialdemokraten, Christlichsoziale, Liberale. Erst jetzt, über siebzig Jahre nach seinem Tod, soll er plötzlich ein „glühender Antisemit“ und „Nationalsozialist“ gewesen sein. Ein Vorwurf, der bei genauerem Hinsehen nicht nur wackelig, sondern absurd ist: Dinghofer wurde 1938 von den Nationalsozialisten zwangspensioniert, sein Besitz enteignet, seine Familie schikaniert. Ein Täter also, den die Täter selbst als Feind behandelten.
Aber in einer Zeit, in der Fakten weniger gelten als moralische Erregung, ist historische Wahrheit ein Störfaktor. Wer sie ausspricht, stört das Narrativ.
Die Kunst des Rufmords
Wie nennt man es, wenn Historiker sich vor den Karren der Tagespolitik spannen lassen? Früher sagte man: geistige Prostitution. Heute nennt man es „kritische Aufarbeitung“. Das Etikett wechselt, der Opportunismus bleibt.
Dass sich Universitätsgelehrte hergeben, einen Republikgründer aus dem Jenseits zu denunzieren, ist nicht nur beschämend, sondern gefährlich. Denn wer beginnt, an den Fundamenten der eigenen Geschichte zu sägen, wird bald merken, dass ihm das Dach auf den Kopf fällt.
Wenn nun Abgeordnete, Minister und selbsternannte „Experten“ Dinghofer zum Antisemiten erklären, dann geht es nicht um Geschichte, sondern um Gegenwart. Es geht darum, der FPÖ – die das Andenken Dinghofers in Ehren hält – symbolisch den Stempel des moralisch Verwerflichen aufzudrücken. Dinghofer ist bloß das Medium, die Zielscheibe, der Vorwand.
Man kann es nicht anders nennen: Es ist eine politische Leichenschändung.
Die Strategie des Ablenkens
Warum das alles? Weil diese Regierung nichts mehr hat, nein, nie etwas hatte, worauf sie stolz sein kann. Die Inflation nagt, die Migrationskrise drückt, das Vertrauen der Bürger ist dahin. Und wenn man nichts mehr zu bieten hat, bleibt nur die Flucht nach vorn – oder besser gesagt: die Flucht in die Vergangenheit.
Während Minister auf Auslandsreisen und Pressekonferenzen das Land als moralische Vorbildnation inszenieren, verkommt der Diskurs im Inneren zur Farce. Die Moral ersetzt das Argument, die Gesinnung den Verstand. Wer differenziert, gilt als verdächtig. Wer mahnt, als gefährlich. Und wer der falschen Partei angehört, wird zum Staatsfeind erklärt – notfalls durch historische „Neuinterpretation“.
Es ist bequemer, einen längst verstorbenen Juristen zu dämonisieren, als die eigenen Fehler zuzugeben. Dinghofer kann sich nicht wehren – und gerade das macht ihn so nützlich.
Der Wikipedia-Staat
Das alles wäre fast komisch, wenn es nicht so traurig wäre. Eine ganze politische Klasse bezieht ihre moralische Entrüstung aus einer Online-Enzyklopädie, deren Wahrheitsgehalt irgendwo zwischen Schüleraufsatz und Parteipresse liegt. Was dort steht, wird zitiert, was nicht dort steht, existiert nicht.
Dass die Wissenschaftlichkeit solcher Quellen gegen null tendiert, stört keinen. Hauptsache, man hat ein Zitat, das empörend klingt. Und so wird aus einem der bedeutendsten Staatsmänner der Ersten Republik ein Gespenst der Rechten – erfunden in den Untiefen des digitalen Tugendmobs.
Wir fragen uns: Was kommt als Nächstes? Wird man demnächst auch Karl Renner oder Leopold Figl aus den Geschichtsbüchern tilgen, weil sie in irgendeinem Kontext nicht mehr ins Zeitgeist-Schema passen? Oder werden wir bald erleben, dass das Parlament seine eigenen Gründer aus der Erinnerung verbannt – um „Zeichen zu setzen“?
Die Angst vor der Wahrheit
Es ist ein seltsames Land geworden, dieses Österreich. Ein Land, das seine Helden misstrauisch beäugt, seine Geschichte verleugnet und seine Mahner verspottet. Ein Land, das lieber moralische Phrasen drischt, als sich der Wirklichkeit zu stellen.
Vielleicht, weil die Wirklichkeit zu unbequem geworden ist. Denn wenn die FPÖ im Aufwind ist, dann nicht trotz, sondern wegen des Versagens jener, die jetzt mit dem Finger auf andere zeigen.
Wer Dinghofer attackiert, will den freiheitlichen Parlamentspräsidenten, Dr. Walter Rosenkranz, treffen. Wer Rosenkranz attackiert, will die FPÖ schwächen. Und wer die FPÖ schwächen will, will am Ende die Bürger maßregeln, die sich erdreisten, anders zu denken, falsch zu wählen.
So verwandelt sich der demokratische Diskurs in ein Tribunal. Und das Urteil steht schon fest, bevor die Anklage verlesen ist.
Ein Land auf der Couch
Vielleicht sollte Österreich einmal kollektiv zum Psychiater. Es wäre ein lohnendes Experiment. Wir würden erfahren, dass das Land unter einem chronischen Schuldbewusstsein leidet – und unter der ebenso chronischen Versuchung, diese Schuld an andere zu delegieren.
Der „Fall Dinghofer“ ist in Wahrheit ein Symptom: Er zeigt, wie tief der politische Selbsthass schon reicht. Wir, die Nachkommen einer stolzen Republik, sind unfähig geworden, mit unserer Geschichte erwachsen umzugehen. Wir betreiben statt Aufarbeitung Selbstkasteiung, statt Erinnerung Gesinnungsakrobatik.
Das Schlimmste daran: Wir merken es kaum noch.
Zwischen bitterem Lächeln und letzter Hoffnung
Wir wissen, dass dieser Kommentar wenig bis nichts ändern wird. Die Empörungsmaschine läuft längst von selbst, gespeist von mit Bosheit gepaartem politischem Kalkül und moralischer Selbstverliebtheit. Aber vielleicht ist es erlaubt, an dieser Stelle einen letzten Rest Ironie walten zu lassen – und zu hoffen, dass nicht alle den Verstand verloren haben.
Denn irgendwo, jenseits von Parteigrenzen und Schlagzeilen, gibt es sie noch: Menschen, die wissen, dass Geschichte nicht nachträglich korrigiert, sondern verstanden werden will. Die wissen, dass man Republikgründer nicht diffamiert, sondern ehrt. Und dass eine Demokratie, die sich ihrer Gründungsväter schämt, bald keine Väter und keine Demokratie mehr haben wird.
Wir dürfen unsere Geschichte nicht den Ideologen überlassen – weder den alten noch den neuen. Und wenn wir schon einen Schuldigen suchen, dann vielleicht zuerst in uns selbst: in unserer Feigheit, in unserem Schweigen, in unserem Mangel an Haltung.
Franz Dinghofer, der Republikgründer, hat Besseres verdient.
Und wir – ein Land, das sich seiner Geschichte würdig zeigt – ebenso.
So nebenbei bemerkt: Neuwahlen wären die anständigste und eleganteste Lösung!
Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Sonntag!
Bleiben Sie zuversichtlich!
Bleiben Sie uns gewogen!
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