Wenn der Staat den Bauern den Garaus macht

Ein Bericht über Österreichs Agrarkrise, die Macht globaler Konzerne und die politische Ratlosigkeit zwischen Brüssel, Wien und dem Mercosur.

Es war ein Satz, der im Ursulinenhof in Linz wie eine Mahnung über allem stand: „Wenn die Landwirtschaft stirbt, stirbt das Land.“ Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ) und der Obmann der Freiheitlichen Bauernschaft, DI Dr. Arthur Kroismayr, wählten am Montag klare Worte. Die österreichische Landwirtschaft, so ihr Befund, steht am Rand eines historischen Wendepunktes.
Erstmals in der Geschichte weist die Agrarhandelsbilanz ein Defizit von über einer Milliarde Euro auf. Während Supermärkte mit Importware gefüllt sind, schließen heimische Höfe – und mit ihnen verschwindet ein Stück österreichischer Selbstständigkeit. „Das ist kein Randthema“, betont Kroismayr. „Das ist die Frage, ob wir uns morgen noch selbst ernähren können.“

EU-Bürokratie, globale Konzerne und der Preis des Fortschritts
Die Ursachen liegen auf mehreren Ebenen. Einerseits in einer EU-Agrarpolitik, die unter Schlagworten wie Green Deal und Klimaneutralität immer neue Auflagen produziert – von Flächenstilllegung bis Produktionsbeschränkung. „Man will das Klima retten, aber ruiniert dabei die, die es tatsächlich pflegen“, spottete ein Landwirt am Rande der Veranstaltung.
Während die AMA vor einem weiteren Einbruch der Eigenproduktion warnt, wächst die Abhängigkeit von Importen. Österreich hat etwa beim Geflügel strengere Haltungsregeln als die EU verlangt – ein moralisches Gütesiegel, das paradoxerweise die Produktion zurückdrängt. Beim Rindfleisch sank die Schlachtkapazität in nur sieben Jahren um über zehn Prozent. Das Land wird zum Lehrbeispiel dessen, was Ökonomen „regulatorische Selbstsabotage“ nennen.
Haimbuchner spricht in diesem Zusammenhang von einem „bürokratischen Gold-Plating-Wahnsinn“, mit dem Österreich sich freiwillig selbst fesselt. „Während andere Staaten die Brüsseler Vorgaben pragmatisch auslegen, wollen wir die Musterschüler sein – und verlieren dabei unsere Bauern.“

Mercosur – das Einfallstor der Billigimporte
Der Zorn der Freiheitlichen richtet sich vor allem gegen das geplante Mercosur-Abkommen, das den freien Handel zwischen der EU und mehreren südamerikanischen Staaten ausweiten soll. Für Haimbuchner ist das kein Fortschritt, sondern eine Kapitulation:
„Das Mercosur-Abkommen ist ein Angriff auf unsere Landwirtschaft, auf unsere Selbstversorgung und auf unsere Heimat. Wer dem zustimmt, stimmt gegen Österreichs Bauern.“

In der Praxis, so warnen Agrarvertreter, öffnen sich mit Mercosur die Schleusen für Billigimporte – insbesondere von Fleisch aus Brasilien oder Argentinien, wo gänzlich andere Umwelt- und Sozialstandards gelten. Greenpeace-Recherchen belegen, dass Rindfleisch aus illegaler Haltung im Amazonasgebiet über Umwege in europäische Lieferketten gelangt.
Gleichzeitig übernehmen internationale Konzerne, wie zuletzt der US-Konzern OSI mit „Alpenrind“ (Salzburg) und „Grandits“ (Niederösterreich), heimische Schlachtbetriebe. „Das sind keine bloßen Übernahmen“, mahnt Kroismayr. „Das ist der schleichende Ausverkauf der gesamten Wertschöpfungskette – von der Weide bis zum Teller.“

„Wer unsere Bauern verrät, verrät Österreich“
Ähnliche Töne schlug in Wien FPÖ-Bundesrat Thomas Karacsony an. Bei einer Pressekonferenz unter dem Titel „Die Teuerung trifft die Bauern mit voller Wucht“ prangerte er das wirtschaftliche Missverhältnis zwischen steigenden Kosten und sinkenden Erzeugerpreisen an.
„Diesel, Strom, Dünger, Futter – alles explodiert im Preis, aber für den Premiumweizen fehlen 80 Euro pro Tonne im Vergleich zum Vorjahr. Das ist der Todesstoß für viele bäuerliche Familienbetriebe“, so Karacsony.
Seine Kritik richtet sich an die Bundesregierung: „Bis zu neun Höfe sperren täglich zu, und die Regierung feiert sich selbst für ‚gute Arbeit‘. Die ÖVP als Bauernpartei? Das glaubt ja keiner mehr!“
Karacsony spart auch nicht mit Sarkasmus, wenn es um die internen Widersprüche der Volkspartei geht: „Der Wirtschaftsflügel will Mercosur, der Bauernbund ist dagegen. Und dazwischen steht die Regierung und hält sich für handlungsfähig.“
Er fordert, was längst nach gesundem Hausverstand klingt: faire Erzeugerpreise, ein klares Nein zu Mercosur und Schutz vor Billigimporten aus der Ukraine. Sein Resümee ist deutlich:
„Wer unsere Bauern verrät, verrät Österreich – und genau das tut diese Regierung Tag für Tag.

Globale Ambitionen, nationale Ohnmacht
Während die FPÖ in Linz und Wien vor der Zerstörung der bäuerlichen Existenz warnt, zeigt ein Blick auf die außenpolitische Bühne, dass Österreich zur gleichen Zeit andere Prioritäten setzt. Im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats wurde kürzlich der Dreijahresbericht zur Entwicklungspolitik 2025–2027 debattiert.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger präsentierte ein Programm, das Milliardenhilfen für Projekte in Afrika, Lateinamerika und Asien vorsieht – während in Österreich landwirtschaftliche Familienbetriebe ums Überleben kämpfen. Laut Bericht soll die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) zwar bis 2027 auf 1,55 Milliarden Euro sinken, doch die FPÖ kritisiert, dass weiterhin Unsummen in „ineffiziente multilaterale Organisationen“ fließen.
Der freiheitliche Außenpolitiker Abg. MMMag. Dr. Axel Kassegger nannte das Programm „more of the same“ – viel Rhetorik, wenig Wirkung. Er forderte, Entwicklungshilfegelder künftig an konkrete Kooperationsbereitschaft in Migrations- und Rückführungsfragen zu knüpfen. Und er stellte einen Antrag auf eine strategische Partnerschaft mit Brasilien – nicht zuletzt, um den politischen und wirtschaftlichen Austausch mit einem der wichtigsten Akteure Südamerikas auf neue Beine zu stellen.
Dass dieser Antrag vertagt wurde, kommentierte FPÖ-Abg. Dr. Martin Graf mit nüchterner Ironie: „Seit dem Beschluss zu vertieften Beziehungen mit Brasilien ist nichts geschehen – außer, dass man uns in Brüssel erklärt, wir sollen Mercosur endlich unterschreiben.“

Das Paradoxon der Entwicklungspolitik
Hier wird die Widersprüchlichkeit der österreichischen Politik offenkundig: Während man in der Außenpolitik Kooperationen mit jenen Ländern sucht, deren Billigexporte den heimischen Bauern das Genick brechen, diskutiert man im Inland über die Rettung der Eigenproduktion.
Wer einerseits Fleischimporte aus Brasilien erleichtert, andererseits Entwicklungshilfe an dieselben Staaten überweist, kann schwerlich behaupten, im Interesse der österreichischen Landwirte zu handeln.
So betrachtet ist Mercosur nicht nur ein Handelsabkommen, sondern ein Symbol für die Selbstentmachtung Europas – und Österreichs im Besonderen. Ein Abkommen, das Wohlstand verspricht, aber in Wahrheit die Abhängigkeit vertieft.

Ein Land zwischen Stolz und Abhängigkeit
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit dem EU-Beitritt hat Österreich ein Drittel seiner Bauernhöfe verloren – allein in Oberösterreich mehr als 15.000. Viele Betriebe, die früher zwei Familien ernährten, reichen heute kaum noch für eine. Die Bürokratie wächst, die Gewinne schrumpfen, die Unabhängigkeit schwindet.

Dabei sind es gerade die Bauern, die die Grundlage dessen schaffen, was man so gern Heimat nennt – Landschaftspflege, regionale Kreisläufe, kulturelle Identität. „Der ländliche Raum ist kein Museum“, sagte Haimbuchner. „Wenn er aufgegeben wird, verliert Österreich nicht nur Arbeitsplätze – es verliert seine Seele.“

Die freiheitlichen Forderungen lesen sich daher wie ein Gegenentwurf zu jener Globalisierung, die längst in jeden Stall und jeden Supermarkt vorgedrungen ist:
* Nein zu Mercosur und weiteren Übernahmen heimischer Betriebe durch internationale Konzerne
* Ende der überzogenen EU-Bürokratie und des Gold-Plating
* Verpflichtende Herkunftskennzeichnung
* Fokus auf Produzenten statt Importeure

Fazit: Zwischen Brüssel, Brasília und dem Bauernhof
Die österreichische Landwirtschaft steht exemplarisch für ein politisches Dilemma: Man redet von Nachhaltigkeit, aber importiert über Ozeane hinweg. Man beschwört regionale Kreisläufe, aber fördert globale Abkommen. Man klagt über Teuerung, aber lässt jene, die das Essen erzeugen, verarmen.
Die Freiheitlichen haben mit ihrer Kampagne „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“ den Nerv vieler getroffen – auch über Parteigrenzen hinweg. Denn die Sorge um die heimische Landwirtschaft ist längst keine ideologische, sondern eine existenzielle Frage.
Österreich hat sich über Jahrzehnte durch Eigenständigkeit definiert – in der Kultur, in der Energie, im Lebensmittelbereich. Wenn diese Eigenständigkeit geopfert wird, um Handelszahlen zu schönen, ist das kein Fortschritt, sondern eine stille Kapitulation.

Und so klingt Haimbuchners Satz im Nachhall der Pressekonferenz wie eine bittere Prophezeiung:
„Ein Land, das sich nicht mehr selbst versorgen kann, ist kein souveränes Land mehr.“

Please follow and like us:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert