Erkenntnisgewinn
Attila Hörbiger (* 21.4.1896 in Budapest; † 27.4.1987 in Wien) war ein österreichischer Theater- und Filmschauspieler. Er debütierte 1919, war 1928 bis 1950 am Theater in der Josefstadt engagiert und spielte von 1935 bis 1937 und von 1947 bis 1951 den Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Laut Max Reinhardt war er der beste Darsteller dieser Rolle. Daneben spielte er in zahlreichen Spielfilmen. Er war mit Paula Wessely verheiratet.
Anfang der 1960er spielte Hörbiger bei den Salzburger Festspielen Goethes Faust. Da erfuhr er, daß Faust II als nächste Produktion geplant war, allerdings nicht mit ihm in der Rolle des Faust. Hörbiger war außer sich vor Wut. Er stürmte das Büro von Ernst Haeusserman, der auch in Salzburg tonangebend war und fing an zu schimpfen:
„Also das ist der Gipfel! Da hab ich Euch zwei Jahre den Faust g’spielt, und jetzt, für den Faust II, bin ich Euch nicht gut genug! Da nehmt Ihr einen anderen? Ohne mich zu fragen? Bittschön, macht ’s was Ihr wollt’s, aber vergessen werd ich Euch das nicht! Und Du, Ernstl, nimm bitte zur Kenntnis, daß ich Dich in Zukunft nicht mehr grüßen werde, und auch keinen Wert drauf lege, je wieder von Dir gegrüßt zu werden! Adieu!“
Dann verließ er Haeussermans Büro vor Wut kochend und warf er die Tür hinter sich zu.
Einige Wochen später sah Haeusserman auf der Straße das erste Mal wieder Hörbiger. Er kam ihm am Gehsteig entgegen und Haeusserman wollte schon die Straßenseite wechseln, um eine unangenehme Situation zu vermeiden, als ihm Hörbiger fröhlich winkend entgegenlief. Er schnappte sich grüßend Hand und Arm des verdutzten Theaterdirektors und meinte:
„Servus Ernstl, alter Freund, wie geht’s Dir? Wie geht ’s der Susi…?“
Der komplett überrumpelte Haeusserman meinte:
„Was ist los? Du wolltest Doch, daß wir uns nie wieder grüßen:“
Hörbiger Lachte auf, wischte die Bedenken mit einer Handbewegung zur Seite und sagte:
„Aber Ernstl, das ist doch längst erledigt! Vergiß das mit dem Faust II!“
Haeusserman noch immer verdutzt:
„Ja, aber wieso denn?“
Und Hörbiger erklärte:
„Weil i des Stückl inzwischen g’lesen hab.“
Titel-/Vorschaubild © wikimedia / Archiv der Salzburger Festspiele / Foto Doliwa / cc by 3.0
