Der Bundespräsident und eine neue Regierung

Die Spitzen von FPÖ, ÖVP und SPÖ sollen einmal miteinander reden, sich ein wenig abtasten… So ward es vom Bundespräsidenten geheißen!
Das wahrscheinlich interessanteste dieser Gespräche, weil am ehesten den Wählerwunsch widerspiegelnd, das Gespräch zwischen Herbert Kickl, FPÖ-Chef und Wahlsieger, und Karl Nehammer, Noch-Bundeskanzler, ÖVP-Kanzler und Wahlverlierer, fand bereits am Dienstag statt. Rund eine Stunde dürfte es gedauert haben. Und keine Stunde danach trat Nehammer vor die Presse und ließ eine Presseerklärung vom Stapel, von der man im Nachhinein den Eindruck hat, daß sie schon vor dem Treffen mit Kickl verfaßt wurde. Mit keinem Wort wurde auf den Inhalt des Gesprächs eingegangen, mit keinem Wort wurden die von der blauen Seite vorgeschlagenen Programmpunkte und Außerstreitstellungen erwähnt. Der Bundeskanzler übte sich in einer an Niedertracht grenzenden Wahlkampfrhetorik, die in der Hochphase des Wahlkampfs vor der Wahl nicht übler hätte sein können. Mehr und mehr gewinnt man den Eindruck, daß Nehammer nicht und nicht den Sessel des Bundeskanzlers räumen will. Ein sehr peinliches und unwürdiges Schauspiel, das da geliefert wird.

„So sind wir nicht!“, hätte der Herr Bundespräsident angesichts dieses Schauspiel sagen können und den einen oder anderen Hauptdarsteller dieses Laienschauspiels zu ein paar klärenden Worten und ein wenig Mathematik-Nachhilfe zu sich in die Hofburg einladen können. Allein, er tat und tut es nicht.
Diese unwürdige Situation, in der Karl Nehammer glaubt, ewig Kanzler bleiben zu können, in der ein Andreas Babler weiter der Ansicht ist, der Chef einer regierungsfähigen Partei zu sein, in der die Chefin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, ernsthaft der Meinung ist, die erfahrene Wählerzustimmung legitimiere eine dominante Regierungsbeteiligung, und in der die Grünen – wie immer – versuchen, die demokratischen Ergebnisse umzudeuten oder auszuhebeln, wenn es nur gegen die FPÖ geht, wurde vom Bundespräsidenten verursacht, um nicht zu sagen: „verschuldet“.

Es wäre ganz einfach gewesen: Der Bundespräsident lädt der Reihe nach die Parteichefs zu sich ein. Und im Anschluß erteilt er der künftig mandatsstärksten Partei den Regierungsauftrag. Und einen ÖVP-Chef, der sich wegen einer einzelnen Person dieser Arbeit verweigert, lädt man noch einmal zu sich in die Hofburg, wäscht ihm den Kopf und macht ihm klar, daß es bei der Arbeit im Dienste der Österreicherinnen und Österreicher nicht um seine persönlichen Vorlieben und Abneigungen geht.

All das hat er nicht gemacht, der Herr Bundespräsident. Und so befindet sich die politische Führungsebene in einem heillosen Durcheinander, weil sich der Bundespräsident nicht darüber traut, etwas so zu tun, wie es immer schon war. – Vor allem, wenn es die FPÖ betrifft.

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