Verteidiger legen Rechtsmittel ein gegen das Urteil des Amtsgerichts Deggendorf
Aussendung der Verteidiger von Gerald Grosz
Gegen das Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 8. April 2024, worin der Satiriker Gerald Grosz wegen einer Rede im Februar 2023 beim Politischen Aschermittwoch zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, hat die Verteidigung im Namen von Gerald Grosz das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. In der nächsten Instanz muss die Berufungskammer beim Landgericht Deggendorf darüber entscheiden, ob der bekannte Österreicher sich einer Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens schuldig gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft Deggendorf wirft Gerald Grosz vor, in seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch der AfD im Jahr 2023 den CSU-Parteivorsitzenden und Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder sowie den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in ihrer Funktion beleidigt und damit ihre politische Arbeit erheblich erschwert zu haben.
Über Karl Lauterbach hat Gerald Grosz in einem größeren Kontext gesagt: „Und dann haben sie uns die Freiheit geraubt und alle anderen die dagegen aufgetreten sind als Querdenker und Schwurbler bezeichnet. Angela Merkel, Jens Spahn, Markus Södolph, Karl Klabauterbach der Horrorclown der deutschen Virologie. Der ja an sich aus seinem persönlichen Interesse diese Politik vorangetrieben hat. Das ist ein Mensch der nicht lachen kann, das ist ein Mensch, der keine Freude am Leben hat und in Wahrheit hat man immer den Eindruck, wenn man ihn sieht, man sieht den Film, ‚Graf Dracula, tot aber glücklich‘, oder? Mit der Betonung auf tot, weil den Hirntot kann ich bei Karl Lauterbach leicht nachweisen, meine lieben Freunde. Das ist halt der Vertreter der Kategorie Gammelfleisch im Vorderlappen. … Die Coronamaßnahmen waren schwachsinnig sagt der Schwachsinnige, Karl Klabauterbach, also der Dumme beschwert sich über seine eigene Dummheit…“ Und zu Markus Söder lautete eine Passage: „Der Spruch von Markus Söder, dem obersten Corona-Autokraten des Landes und Scharfmacher war ,wir haben nur nach gutem Gewissen gehandelt‘. Da stellt sich nur bei ihm die entscheidende Frage, er hat kein Gewissen. Er hat kein Wissen, er hat kein Gewissen, sondern er ist seit Edmund Stoiber immer der kleine Intrigant gewesen, der sich mit spitzen Ellenbogen die Macht in dem Land gekrallt hat. Er ist kein Landesvater, er ist ein Landesverräter. Meine lieben Freunde, ich fahr jetzt nachher nach Passau und richte es dem Södolph aus.“
Die Verteidigung ist überzeugt davon, dass Gerald Grosz weder Söder noch Lauterbach in strafbarer Weise beleidigt und Markus Söder auch nicht ansatzweise in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes gerückt hat.
Zunächst ist der Polizei bei der Transkription der Rede ein grober Fehler unterlaufen, der sich nur durch einseitige Ermittlungen und Voreingenommenheit erklären lässt: Der Sachbearbeiter hat „Södolf“ geschrieben, obwohl es genauso gut „Södolph“ sein kann – ob Gerald Grosz „f“ oder „ph“ spricht, lässt sich ja nicht unterscheiden. Der geschriebene Unterschied ist aber ein relevanter: Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Behauptung aufgestellt, „Södolf“ sei eine Kombination aus „Söder“ und „Adolf“, woraus sich eine Gleichstellung mit Hitler ergeben soll. Das ist nicht stimmig. Denn basierend auf der These einer Hitler-Analogie hätte eher eine Kombination der Nachnamen nahegelegen, was „Sötler“ oder „Södler“ ergeben hätte. Unbefangene Zuhörer dachten bei „Södolph“ wegen der Corona-Pandemie und roter Erkältungsnasen auch eher an Rudolph, the Red-Nosed Reindeer. Kurzum: Die Hitler-Analogie ist bösartig und absichtsgeleitet.
Die Staatsanwaltschaft ist mit ihrem Versuch gescheitert, Gerald Grosz in Verbindung mit Hasskriminalität zu bringen. Das war absurd und hat auch das Gericht nicht überzeugt. Man kann nicht alles als „Hass und Hetze“ bezeichnen, wenn man satirische Kritik nicht mag, schon gar nicht, wenn es um den Politischen Aschermittwoch geht. Es gefährdet die Meinungsfreiheit, wenn jede satirische Verbalattacke mit „Hass und Hetze“ etikettiert und jeder zum Wegbereiter von Attentätern erklärt wird. Meinungsfreiheit kann, darf und muss auch manchmal weh tun, vor allem wenn es um satirische Machtkritik geht.
Gerald Grosz und seine satirische Rede werden geschützt durch die Grundrechte der Meinungsund Kunstfreiheit! Gerade die Notwendigkeit von Machtkritik für eine lebendige Demokratie und damit zugleich die Bedeutung der Grundrechte auf Meinungs- und Kunstfreiheit hat die Strafrichterin grundlegend verkannt. Meinungs- und Kunstfreiheit stehen nicht nur Deutschen zu, sondern allen Menschen, auch Satirikern aus Österreich wie Gerald Grosz!
Verkannt hat das Gericht nicht zuletzt, dass derjenige mehr ertragen muss, der sonst bei fast jeder Gelegenheit politische Gegner mit Verbalattacken überzieht: Beim Politischen Aschermittwoch 2024 hat Markus Söder Bundesumweltministerin Steffi Lemke geschmäht als „grüne Margot Honecker“, die bekanntlich in der DDR verantwortlich war für schwerste Menschenrechtsverletzungen. Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag hat er als „Leni Riefenstahl für Arme“ bezeichnet, also verglichen mit der schlimmsten Nazi-Propaganda-Filmemacherin. Das alles sind verletzende verbale Entgleisungen, aber beim Politischen Aschermittwoch gelten eben andere Regeln. Wenn man das als Bayerischer Ministerpräsident und als Bayerische Justiz nicht mehr anerkennen will, sollten die Gerichte aber wenigstens Markus Söder bei der Strafverfolgung nicht bevorzugen oder aber andere ihm gegenüber nicht benachteiligen, sprich, nicht mit zweierlei Maß messen. Alles andere erweckt auch den bösen Anschein, dass die Strafverfolgungsbehörden in vorauseilendem Gehorsam politische Gegner und Kritiker verfolgen und verurteilen. Wer mit spitzen Fingern nach Polen oder Ungarn zeigt und dort die Einmischung der Politik auf die Justiz beklagt, sollte im eigenen Land über jeden Zweifel erhaben sein.