Neutralität als Staatstugend

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Österreichs Neutralität war über viele Jahrzehnte ein Begriff, den man nicht erst erläutern und mit Attributen versehen mußte, um ihn begreiflich zu machen.
Militärische Neutralität, politische Neutralität, … Diese seltsam anmutenden Schlagwörter tauchen im politischen Tagesgeschäft auf, seit man sich damit auseinandersetzt, wie man – entgegen dem klaren Willen der Bürger, entgegen dem klaren Verfassungsauftrag – die immerwährende österreichische Neutralität umgehen oder aushöhlen kann.
Aktuell wird die über viele Jahrzehnte bewährte österreichische Neutralität durch die bekundete Absicht, am Luftabwehrprogramm „Sky Shield“ teilnehmen zu wollen, massiv gefährdet. Die als Argument für die Teilnahme gebrachte Ausrede ist: Es wäre ein „europäisches“ Projekt. Es wird vorgegaukelt, die EU wäre der Urheber dieses Schirms. Das ist schon einmal unrichtig. Der Schirm wurde von der NATO für die NATO-Staaten auf dem europäischen Kontinent konzipiert. Und selbst, wenn es ein EU-Projekt wäre, müßte ein neutrales Österreich auf eine Teilnahme verzichten, da es als neutraler Staat nicht einfach bei militärischen Bündnissen (mit Beistandspflicht) Mitglied sein kann. Als die immerwährende Neutralität 1955 beschlossen wurde, hatte man auch nicht die unverfrorene Frechheit, mit der heute undankbare Politikdarsteller den großen Nutzen der österreichischen Eigenstaatlichkeit leugnen, vor Augen.
Es ist zur Mode geworden, daß Vertreter aller möglichen Parteien – besonders tun sich hier Damen und Herren der Grünen, Neos und der ÖVP hervor – Österreich klein reden. Das dumme und inhaltlich falsche Dreschen der immer gleichen Phrase: „Österreich ist zu klein. Ohne die EU wären wir bettelarm und am besten wäre, wir wären Teil der >Vereinigten Staaten von Europa<! Wir können nichts bewegen, weil wir so klein sind… Mimimimi…“
Es ist unerhört, mit welcher Leichtigkeit durch Vertreter der in Selbstüberhöhung „staatstragenden“ Parteien, das Existenzrecht und die Existenzfähigkeit der Republik Österreich in Frage gestellt und teilweise abgesprochen wird.

MIM-104 Patriot-Raketen.

Um Neutralität mit Sinn und Leben zu erfüllen, bedarf es eines gesunden Selbstbewußtseins, keiner übersteigerten Selbstgerechtigkeit, aber auch keiner Selbsterniedrigung. Es bedarf eines kühlen Kopfs und einer gesunden Distanz zu all den Scharfmachern, die das politische wie das wirtschaftliche Klima weltweit vergiften.
Ein Österreich des gesunden Selbstbewußtseins und der vernünftigen Distanz zu den Hitzköpfen der Welt gab es vor gar nicht allzu langer Zeit. Und dieses neutrale Österreich war weltweit hochangesehen, weil es selbstbewußt und zurückhaltend war. Der österreichischen Diplomatie konnte man vertrauen, da sie lösungsorientiert war und immer in Richtung Frieden und Ausgleich zwischen Konfliktparteien arbeitete.
Es häufen sich leider Aussagen von angeblich kompetenten und gebildeten Politikern, bei denen sie im vollen Ernst behaupten, die Neutralität wäre kein Schutz und habe sich in den Gefahren der heutigen Zeit überholt.
Man muß den Verbreitern solcher Aussagen entweder den Mangel an für ihren Job in der Politik essentiellem Wissen oder skrupelloses Lügen unterstellen. Die Sicherheitslage Österreichs war schon erheblich unangenehmer. Abgesehen von der Schweiz, Liechtenstein und dem damaligen Jugoslawien waren wir von bis auf die Zähne bewaffneten Armeen des Warschauer Pakts oder der NATO umgeben. Riesige Panzerarmeen und unzählige Atomraketen umringten unser Land. Mehrmals stand die Welt kurz vor der Auslöschung.
Österreichs Vorteil war zu dieser Zeit, daß es aktiv und sichtbar neutral war. Man war diplomatisch, wenn etwas nicht gepaßt hatte und man für Österreich eine Veränderung eines Umstandes von einer der beiden Seiten wünschte. Das heute von „Diplomaten“ praktizierte primitive Gerülpse von Verachtung und moralischer Selbstüberhöhung gab es nicht. Man hatte Niveau.

Heute sollte man sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob man nicht sämtliche die österreichische Neutralität belastenden Umstände, vertragliche Bindungen und Mitgliedschaften auf ihren Weiterbestand überprüfen sollte. Ein neutraler Staat benimmt sich nicht so, wie es Österreich derzeit tut. Freilich, dieses Benehmen ist der politischen Kulturlosigkeit der Vertreter der Bundesregierung und ihrer Parteien geschuldet. Aber trotzdem muß sich das neutrale Österreich – so es ein solches sein will – ernsthaft Gedanken über seine Zukunft machen, bevor es zum Spielball von unfähigen und unanständigen Politikern wird.


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