Amazing. The Würth Collection – Leopold Museum

Mehr als 100 Jahre Kunstgeschichte in rund einem Dutzend Sälen: Wenn sich die Sammlung des deutschen Unternehmers Reinhold Würth aktuell im Leopold Museum auf zwei Etagen entfaltet, gibt es wahrlich viel zu sehen. Die Ausstellung „Amazing. The Würth Collection“, für die Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger aus rund 19.000 Werken auswählen konnte, bringt große Namen und unterschiedlichste Stilistiken zusammen. Sie bietet also Einblicke in ein „Sammlerherz“.

So bezeichnete es jedenfalls Sylvia Weber, Direktorin der Sammlung Würth, beim Presserundgang am Dienstag. Kunst war und ist für Reinhold Würth, der seine Sammlungstätigkeit vor etwa 60 Jahren begann, etwas sehr persönliches. „Er würde nie etwas verkaufen, sammeln geht bei ihm nur in diese eine Richtung“, so Weber. Dadurch sei es im Laufe der Jahre auch zu „Verdichtungen“ gekommen. „Er hat die Bekanntschaften zu den Künstlerinnen und Künstlern weiter gepflegt, was man der Sammlung anmerkt.“ Immer wieder seien ganze Konvolute neu hinzugekommen, wodurch eine eingehende Beobachtung der künstlerischen Entwicklung möglich wird – und dabei durchaus Überraschendes zutage trete. „Das macht es aus, warum der Titel so richtig ist“, verwies Weber auf „Amazing“.

Staunen lässt sich hervorragend in dieser lustvoll ausgewählten und chronologisch gehängten Präsentation: Vom Auftakt mit Max Liebermann als „Wegbereiter der Moderne“ über Impressionismus und Expressionismus bis zu den großen Solitären Pablo Picasso und Max Beckmann geht es in rascher Folge, schreitet man entlang idyllischer Landschaftsszenerien von Camille Pissarro oder Edvard Munchs gespenstisch anmutenden Farbwelten. Gemäß dieser langen Reise hätte man die Schau auch „Ismen“ betiteln können, bemerkte Wipplinger. Letztlich sei aber die Wahl auf das kurze und prägnante „Amazing“ gefallen. Und seine Begeisterung brachte der Direktor durchaus zum Ausdruck: „Es gibt wohl keine zweite Privatsammlung und kaum ein Museum, das derart faszinierende Bestände von Picasso und Beckmann sein Eigen nennt.“

Über einen Ausflug in Dadaismus, Surrealismus und Abstraktion landet man schließlich in der zweiten Etage bei dem starken Österreichbezug der Sammlung. Gut ein Zehntel des Gesamtbestandes machen heimische Künstlerinnen und Künstler aus, wobei besonders die Beziehung zwischen Reinhold Würth und Alfred Hrdlicka hervorgehoben wurde. Dem Bildhauer saß der Sammler Mitte der 1990er auch für eine Porträtbüste, die ebenfalls zu sehen ist, in dessen Atelier Modell. Mehr als 100 Arbeiten Hrdlickas hat er im Laufe der Zeit erworben. Zu seinen allersten kulturellen Erfahrungen gehörte für Würth auch ein Wienbesuch mit seinen Eltern, damals war er gerade mal sechs Jahre hat. Die Kunst- und Kulturbegeisterung hat sich bei dem Geschäftsmann, der den Zweimannbetrieb seines Vaters nach dessen Tod als 19-Jähriger übernommen und zu seinem Weltkonzern ausgebaut hat, jedenfalls mannigfaltig festgesetzt. Neben der Kunstsammlung, die an 15 Standorten (drei davon in Österreich) gezeigt wird, fördert er auch Literatur und Musik.

In den beiden dezidiert der österreichischen Kunst gewidmeten Räumen hängen nun Lassnig, Nitsch und Brus, aber auch jüngere Positionen wie Erwin Wurm, Jürgen Messensee oder Manfred Hebenstreit sind vertreten. Wie sehr ihn einzelne Namen faszinieren und damit auch begleiten, machen die Schwerpunkte zu Christo und Jeanne-Claude (inklusive verhüllter Tische und Sessel, die extra für das Würth Museum angefertigt wurden) oder Fernando Botero deutlich. Vom kolumbianischen Maler und seinen typischen, voluminösen Figuren ist es zumindest formattechnisch nicht weit zu Georg Baselitz und Anselm Kiefer, die mit ihren raumgreifenden Arbeiten den Abschluss bilden.

Mit Kiefer wolle er „die Klammer schließen, die mit Liebermann geöffnet wurde“, betonte Wipplinger am Ende des durchaus intensiven Rundgangs. „Er hat den Blick zurück gemacht“, verwies der Kurator auf die religiösen und mythologischen Bezüge des renommierten deutschen Künstlers, den er als „großen Geschichtenerzähler“ bezeichnete. Geschichten lassen sich in dieser Ausstellung tatsächlich unzählige entdecken – egal, ob man dem großen Bogen von klassischer Moderne bis zeitgenössischer Kunst folgt oder sich in einzelne Aspekte, Positionen und Namen vertieft. Bei 194 Arbeiten von 73 Künstlerinnen und Künstlern gibt es einiges zu tun.


Laufend bis 10.09.2023
Mi – So, sowie an Feiertagen: 10:00 – 18:00
Museum Leopold
Museumsplatz 1
1070 Wien

+43-1-525 700

office@leopoldmuseum.org

www.leopoldmuseum.org





Titel-/Vorschaubild © MAX BECKMANN, Quappi in Blau im Boot, 1926/1950 © Sammlung Würth, Foto: Volker Naumann, Schönaich

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