Demokratie! Eine Liebeserklärung! Teil 11
Bei einer nicht repräsentativen Umfrage wurden Bürger gefragt, wer denn in Österreich die Gesetze macht. Das Ergebnis? Ein sehr trauriges Ergebnis, da die meisten Menschen davon ausgingen, ja überzeugt waren, daß die Regierung die Gesetze macht.
Eine zur Praxis gewordene Unart macht dieses Ergebnis, das die Regierung als Exekutive zur Legislative macht, leider plausibel. Denn die eigentlichen Gesetzesmacher, die Parlamentarier haben sich in weiten Teilen zu den Abstimmmarionetten der Minister und Kanzler in Parteikollegialität gemacht. Ein Drama, da es der Idee einer parlamentarischen Demokratie Schaden zufügt.
Wer heute als politisch gebildet gelten will, lobt Kelsens Verfassung. Dem schließen wir uns natürlich an und überschütten den Schöpfer und sein Werk mit Lob und Bewunderung. Und tatsächlich hat Kelsen einen Plan zu einem Staatswerk entworfen, das eigentlich ziemlich genial war und ist. Nicht zuletzt deswegen, weil er keine demokratisch brauchbare Blaupause in Form einer in irgendeinem Land praktizierten Verfassung zur Verfügung hatte. Das ausgewogene Spiel der Macht bei gegenseitiger Kontrolle – checks and balances – in Form einer durchdachten Gewaltenteilung war sein Werk. Das in Österreich praktizierte und häufig kritisierte Zwei-Kammern-System mit Nationalrat und Bundesrat ist – bei richtiger Anwendung – ein geniales Konzept. Bundesinteressen durch Länderkontrolle zu dämpfen und in regionale Verträglichkeit zu bringen, ist wichtig und richtig. All das wäre so gut und schön, wenn da nicht das Problem mit einer Legislative wäre, der scheinbar das Selbstvertrauen fehlt, der eigenen Aufgabe nachzukommen.
Ohne Nachzudenken und ohne sichtbare Scham winken derzeit Nationalratsabgeordnete der Regierungsparteien jeden Gesetzesentwurf der Regierung durch die Abstimmungen und zeigen damit, daß sie sich damit wohlfühlen, von der Regierung kontrolliert zu werden, statt ihrer Aufgabe nachzukommen und ihrerseits die Regierung zu kontrollieren.
Aufgabe des Nationalrats ist, daß sich die Vertreter verschiedener Parteien zusammensetzen und künftige Gesetze gemeinsam diskutieren und entwerfen. Im Anschluß stimmt man dann darüber ab. Dies kann im Plenarsaal wie in den Ausschüßen passieren. Hauptsache es passiert, daß gemeinsam an den Gesetzen zur Verbesserung der Lebensumstände oder zur Abwendung von Übel gearbeitet wird. Jede Gesprächs- oder Arbeitsverweigerung mit Vertretern anderer Fraktionen ist dem Grunde nach undemokratisch. Schließlich zahlt der Steuerzahler, der Bürger nicht wenig dafür, daß gemeinsam gearbeitet wird. Ein Parlamant, oder zumindest eine parlamentarische Mehrheit als verlängerte Werkbank eines Ministerschreibtischs ist eine Mißachtung des Parlaments und der sonst so gerne gelobten Verfassung des Herrn Kelsen.
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