Der sinnlose Tod einer Ärztin

Geist und Ungeist im Internet

Nun ist etwas wirklich Schreckliches passiert: Die oberösterreichische Medizinerin Dr. Lisa-Maria Kellermayr nahm sich das Leben aus Angst vor den Menschen, die sie bedrohten. Es war nicht einmal eine präsente Bedrohung, bei der jemand vor sie hintrat, eine Waffe zückte und sein bösartiges Vorhaben ankündigte, sondern ein feiges und dauerhaftes Belästigen mit Gewaltfantasien. Ob diese Drohungen des nunmehr ausgeforschten mutmaßlichen Täters auch ernst gemeint waren, kann man aus der Entfernung schwer beurteilen. Dazu müßte man in die Gedanken und in die Seele des mutmaßlichen Täters hineinsehen können. Und Hand aufs Herz: Es gibt Seelen, in die man sicherlich nicht hinein blicken will.
Dr. Kellermayr war durch ihre Ansichten zur Covid-Impfung und zur Impfpflicht in die Öffentlichkeit katapultiert worden. Und im Nachhinein betrachtet macht es den Eindruck, als ob sie nicht damit gerechnet hätte, daß sie mit ihren Wortmeldungen auch andere Menschen verärgern, beleidigen oder verletzen könnte. Und das tat sie zweifelsohne. Doch wurde sie dann nicht von den vielen Tätern in eine Diskussion verwickelt, sondern beschimpft und bedroht. Die trügerische Anonymität des Internet gab Feiglingen den (nicht vorhandenen) Mut, um die junge Frau zu beschimpfen und zu bedrohen.
Dr. Kellermayr wurde im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch beschützt. Allerdings war sie augenscheinlich nicht mehr fähig, diesen Schutz, diese Unterstützung, diese Hilfe als solche auch wahrzunehmen und fühlte sich im Stich gelassen. Und sie fühlte sich so sehr allein und im Stich gelassen, daß sie in den Tod flüchtete. Losgelöst davon, ob die Bedrohungen und Beschimpfungen ernst gemeint und real waren, muß man erkennen, daß sie für Dr. Lisa-Maria Kellermayr real genug zu diesem unumkehrbaren Schritt waren.
Diese sinnlose Tragödie ist das Resultat der Unfähigkeit und des Unwillens vieler Menschen, sich im Internet so zu benehmen, so zu artikulieren, als ob sie den Menschen, die den verfassten Beitrag lesen, auch in Realität gegenüber stünden. Mit Sicherheit hätten alle beteiligten Seiten ihre Worte mit mehr Bedacht gewählt, mehr Rücksicht genommen. Und die Droher und Beschimpfer, die Feiglinge, die sich nur aus dem Dunkel der (tatsächlich nur angenommenen) Anonymität auf ein vermeintliches Opfer einzudreschen getrauen, hätten das gemacht, was ihnen am Besten ansteht: Nichts!

Das eine Unglück bedingt aber leider schon ein nächstes. Aus der hohen Regierungspolitik, aus den Reihen derer, die kaum etwas unternahmen, um für mehr Nachvollziehbarkeit und Sicherheit im Internet, für die Möglichkeit, Hetzer, Gauner, Erpresser auch auszuforschen und dingfest zu machen, zu sorgen, schallt der plötzliche Ruf nach einer eigenen Staatsanwaltschaft für „Haß im Netz“. Eine schier unbeschreiblich dreiste Mogelpackung! Es gibt Strafverfolgungsbehörden, die auch dafür zuständig sind. Allerdings sind sie unterbesetzt. Viel wichtiger wäre es, daß man der Möglichkeit, sich anonym in Chat-Foren, sozialen Medien oder e-mail-Plattformen anzumelden, einen Riegel vorschiebt. Man muß den Gaunern und Verbrechern das Gefühl, unentdeckt zu bleiben, nehmen. Ohne Nachweis einer realen Existenz sollte es keine e-mail-Konten, keinen Kommentar in Leserforen von online-Zeitungen, keine Twitter-, Facebook-, VK-, GETTR-, TikTok- oder sonst ´was Konten geben. Ob sich die User dann anonymisierende Namen, wie bspw. „Schnaderhüpfl69“, geben, ist dann egal. Man kann den potentiellen Täter über den Betreiber ausforschen, bevor Dinge eskalieren. Das wäre eine Lösung, die sinnvoll für die Sicherheit und den verbesserten Umgang im Internet wäre. Und man müßte keine neue Staatsanwaltschaft erfinden. Zudem birgt eine solche neue Einrichtung die sehr reale Gefahr des Mißbrauchs. Die Gefahr der Zensur, der Unterbindung legitimer, aber bspw. regierungskritischer Meinungen schwingt hier mit.
Nach dem tragischen und so sinnlosen Tod einer jungen Ärztin ist es an der Zeit, diesen Raum der zwischenmenschlichen Kommunikation auch mit zivilisatorischen Errungenschaften zu erfüllen.




Beitragsbild: screenshots Twitter / Bildarrangement Gazette Oesterreich

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2 thoughts on “Der sinnlose Tod einer Ärztin

    1. Die Darstellung einer „Mitschuld“ war tatsächlich zu scharf. Und weder Sie, noch wir haben Lust, sich wegen eines pointierten Statements vor Gericht rumschlagen zu müssen. – Davon gehen wir zumindest aus.

      Was die Frau Meinl-Reisinger hier in den Raum wirft, ist so unbeschreiblich unanständig, so empathielos und gleichzeitig dumm, daß wir es nicht weiter mit einer einzigen Silbe würdigen wollen.
      Oder doch: Es ist genau diese Wortwahl, die Menschen aufhetzt, aufpeitscht und zu kommunikationsunwilligen „Gläubigen“ macht. Glaube hat allerdings nichts in einer zivilisierten und lösungsorientierten Auseinandersetzung zu suchen. Der ständig betriebene Spin, daß die jeweils andere Meinung automatisch mit schlechten Charaktereigenschaften, Mangel an Bildung oder anderem Negativen konnotiert sein muß, ist das ständige Benzin ins Feuer gießen in einer ohnehin aufgeheizten Stimmung.

      Wir vertreten die Ansicht, daß man miteinander reden MUSS! Und das funktioniert nur mit einem Mindestmaß an Respekt.

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