Geist und Ungeist im Internet
Es ist schon eine feine Sache, wenn man über ein Gerät, das ungefähr die Ausmaße einer Brieftasche hat, auf mehr Wissen zugreifen kann, als eine gestandene Universitätsbibliothek auf mehreren Etagen für den fleißigen Studenten bereithält.
Aber ist das wirklich so? – Im Prinzip jein.
Neben den einem Lexikon ähnlichen Seiten, wie bspw. Wikipedia, gibt es unzählige Seiten, auf denen kaum Anspruch auf wissenschaftlichen Zugang zur Materie herrscht. Und auch bei Wikipedia gibt es Bereiche, die … sagen wir einfach einmal „problematisch“ sind. Da sich jede Person aktiv in die Artikelgestaltung einbringen kann, Texte ändern, Teile davon löschen kann, entbrannte schon vor Jahren, vor allem bei Bereichen mit eventuell kontroversen Themen, ein Krieg zwischen den einzelnen Autoren. Bspw. die jüngere Geschichte, die natürlich auch direkte und sichtbare Auswirkungen auf die Tagespolitik hat, wird zum Schlachtfeld der ideologisch geprägten Schreiberlinge. Und so kommt es, daß bspw. ein englisch- oder spanischsprachiger Artikel zu historischen Personen, wie Fürst Bismarck oder Josef Stalin, sich inhaltlich von den deutsch-, französisch-, russisch- oder ungarischsprachigen Artikeln zu haargenau den selben Personen unterscheiden. Wieder haben Politik und Ideologie den Kampf um die Deutungshoheit angetreten, und die Daten und Fakten bleiben auf der Strecke. So ist es auch nicht verwunderlich, daß es in genügend akademischen Einrichtungen nicht gerne gesehen, ja teilweise auch nicht akzeptiert wird, wenn man als Quelle für eine Arbeit, Wikipedia angibt.
Nicht nur in den digitalisierten Lexika, sondern auch in den „Tratschkammerln“ des Internet, den sozialen Medien, gibt es Weisheiten, die mit Vorsicht zu betrachten, und sicherlich nicht zu genießen sind. Vollkommen klar, daß man nicht jeden Schmarrn glauben soll, nur weil er im Internet steht. Da werden schon einmal schmerzerregende Dummheiten, wie die Schauermärchen von einer flachen Erde, der geheimen Herrschaft von Echsenmenschen oder den Nazi-Ufos vom Südpol verbreitet. Wildeste Verschwörungstheorien und stumpfe Lügen bahnen sich ihre Wege durch Twitter, Facebook, TikTok, GETTR, VK und Co.
Um dem entgegenzusteuern, begannen die „Großen“ des social media-Geschäfts auf (ungefragten) Zuruf aus der Politik eigene Zensurinstitutionen und sogenannte „Faktenchecker“ einzurichten. Dieser Vorgang ist an sich schon fragwürdig, da er den Eindruck vermittelt, daß die Teilnehmer dieser Plattformen zu blöd seien, zwischen wahr und unwahr, falsch und richtig, gescheit und dumm, zu unterscheiden. So weit, so schlecht. Noch viel fragwürdiger wurde die Angelegenheit, als sich diese Zensur- und Faktenchecker-Einrichtungen als inkompetent erwiesen, oder knallharte Meinungszensur betrieben.
So mußte Facebook (heute META) 2020 bei einem Gerichtsverfahren einräumen, daß seine „Faktenchecker“ nicht die Fakten checken, sondern ihre eigene Ansicht zu diversen Themen des Lebens zum Besten geben. Und diese Ansichten müssen nicht unbedingt mit den tatsächlichen Fakten übereinstimmen.
Es werden Themen, die eigentlich einer gehaltvollen Diskussion, eines Austauschs der Menschen bedürfen, von außen beeinflußt und gesteuert. Mehr als problematisch.
Und daß einzelne Beiträge oft genug zu Unrecht als „falsch oder irreführend“ gekennzeichnet werden, ärgert die Betroffenen natürlich. Daß die Ersteller solcher Beiträge aber auch noch von der Teilnahme auf einer social media-Plattform für eine gewisse Zeit gesperrt, ja ihre Profile sogar vollständig gelöscht werden können, ist ein hochproblematischer Bereich, der sicherlich einer ehrlichen rechtlichen Aufarbeitung bedarf.
Die eingeführte Zensur samt Faktencheckern mag vielleicht gut gemeint sein, führt jedoch leider – so wie alle Zensurmaßnahmen – schnurstracks ins Unrecht.
Was haben wir heute gelernt? Nicht viel, oder vielleicht doch. Nicht jeden Schmarrn, der im Netz steht glauben!
Titel-/Vorschaubild: Giulia Forsythe