(Sehr selektive) Zusammenfassung des Geschehens ohne Höflichkeiten
Ein Kommentar.
Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Leserinnen und Leser!
Famose Zeiten für unseren Bundeskanzler! Er ist viel auf Reisen und trifft ganz tolle Zeitgenossen! So erfreute er die Menschen Berlins mit seiner Anwesenheit. Dort traf er auf seinen Kanzlerkollegen Scholz. Auch eine ganz tolle Person mit dem Charisma eines Schlucks lauwarmen Wassers. Und als sich unser Bundesnehammer zähnefletschend anschickte, dem deutschen Bundescharismatiker die Hand zu schütteln, rannte sogar dieser farblose Genosse vor laufenden Kameras einfach davon. Macht nichts! Unser Kanzler traf dann den großartigen Wladimir Klitschko, der noch vor zwei, drei Wochen lautstark und entschlossen in jede in seiner Nähe befindliche Kamera hinein raunte, daß er den ukrainischen Boden, vor allem die Hauptstadt Kiew, bis zum letzten Blutstropfen verteidigen will. Naja… Der gute Polit-Boxer mit wüstesten Durch- und Aushalteparolen wird sich wahrscheinlich nur in der Postleitzahl geirrt haben, und deswegen plötzlich rund 1200 km von Kiew entfernt aufgetaucht sein.
Das Alles kann dem guten Kanzler Nehammer vergleichsweise wurscht sein. Denn er ist nicht zuhause in Österreich. Denn dort ist ’s gerade ein wenig ungemütlich, ein bisserl ungut, direkt unangenehm für einen Vertreter der Kanzlerpartei. Ganz blöde Geschichten verfolgen dort im fernen Österreich den einen oder anderen ÖVP-Granden. Und gerade in dieser Woche kamen wieder ganz ungute G’schichten ans Licht der Öffentlichkeit. Da ist ’s in Berlin sicher besser. (Wahrscheinlich sogar in Kiew.)
Der letzte Sonntag im März hatte es in sich. Die SPÖ, angeführt von ihrer Obfrau Joy Pamela Rendi-Wagner, versammelte sich in Wien. Die Obfrau hatte zusammengerufen und hielt eine programmatische, eine bewegende Brandrede zur Lage der Nation… Sämtliche noch lebende ehemalige Bundeskanzler der SPÖ hatten sich eingefunden… Die Anführerin der größten Nichtregierungspartei (Oppositionspartei ist jetzt nicht der passenden Begriff.) meldete ihren Anspruch auf die Kanzlerschaft an! Eine Sternstunde der Sozialdemokratie…
Schmarrn! Sehr nüchtern, sehr ehrlich betrachtet, war es kein so prickelnder Auftritt. Vor rund 150 handverlesenen Teilnehmern, einer also eher überschaubaren Runde, präsentierte sich die rote Obfrau mit ihren eher platten Ansichten. Keine neuen Ideen, keine neuen Erkenntnisse, keine neuen Perspektiven. Den Wind günstiger gewordener Umfrageergebnisse im Rücken vermutend, präsentierte Joy Pamela Rendi-Wagner „more of the same“. Ein Trauerspiel, aber mit hohem Grad der Selbstinszenierung. Eine „Rede an die Nation“ vor 150 Personen? Ernsthaft? Und dann noch in einer sehr hohen historischen Kreativität den guten seeligen Bundeskanzler Bruno Kreisky bemühen? Wirklich? Der landläufige Begriff für so ein Vorgehen ist „Chuzpe“. So unterstellte die verheerend einfallslose Parteichefin doch ernsthaft dem diplomatisch hochsensiblen und höchst versierten Bruno Kreisky posthum sinngemäß, er hätte sich den Sanktionen gegen Rußland angeschlossen. Sie sprach es natürlich nicht so direkt aus, erweckte aber genau in ihrer fadenscheinigen Argumentation diesen Eindruck. Ein kaum erträglicher Unfug, der den guten Bruno Kreisky in seiner letzten Ruhestätte wohl zum Rotieren brachte. Das hat er sich wahrlich nicht verdient.
Getrost darf man davon ausgehen, daß ein Bruno Kreisky diesen seltsamen Auftritt nicht sonderlich gut geheißen hätte. Der Auftritt der vereinigten Ex-Kanzler und Ex-Bundesparteivorsitzenden, die den Abstieg der SPÖ von der mächtigsten Partei Österreichs zur entmachteten Oppositionspartei auch personell darstellten, war so schlau und nötig, wie ein Kropf. Daß Abfeiern dieser Ahnengalerie grenzte an parteipolitische Masturbation.
Noch einmal: Ehrlich, hat sich Bruno Kreisky das verdient, daß dieses Event mit dem Mißbrauch seines Namens, seiner Arbeit in Verbindung gebracht wird?
Heute unterstützt die SPÖ unter Führung ihrer Vorsitzenden Rendi-Wagner beinahe ohne jeglichen Vorbehalt das Tun und Treiben der ÖVP-Grünen-Bundesregierung. Und nun will sie Kanzlerin werden und prangert die Resultate dieses Tuns und Treibens auch noch an? Abwechselnd biedert man sich bei den Schwarzen oder bei den Grünen an. Im Hinterkopf einiger SPÖ-Parteigänger schwirrt der Traum einer Regierungskoalition bestehend aus Roten und Grünen – ggf. mit Neos-Unterstützung herum. Eine Konstellation, die realpolitische eine tatsächliche sozialdemokratische Politik verunmöglicht. Aber Hauptsache irgendwie links! Der Mut zur Beendigung unerträglicher Zustände, zur Bereinigung von Machtstrukturen, die dem Land und seinen Leuten nachweislich Schaden zufügten, fehlt.
Und noch einmal: Wie kommt Bruno Kreisky dazu, von dieser Parteispitze bei solch einem fragwürdigen Auftritt, argumentativ mißbraucht zu werden?
Mit medial unterstützten Spitzen ging man dann auch noch auf den diesem Event fern gebliebenen Landeshauptmann Doskozil los. Er war stattdessen bei der Geburtstagsfeier seiner Lebensgefährtin. Höchstwahrscheinlich eine Party mit mehr Inhalt und vielleicht sogar mehr Gästen.
Und rund eine Woche nachdem man sich in Wien vor kleiner Runde einem seltsam anmutenden (versteckt offenen) Wahlkampfauftakt hingab, hatten die Blauen in Oberösterreich eine „interne“ Veranstaltung. Allerdings mit einem Vielfachen an Teilnehmern am Landesparteitag. Insgesamt rund 450 direkte Beteiligte und noch ein paar Gäste. Also eine mehr oder weniger interne Veranstaltung einer Landespartei mit über 500 Personen.
Der mächtige oberösterreichische Landesparteiobmann und Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner stellte sich der Wahl. Auch der Big Boss, Herbert Kickl, wie sein Vorgänger Norbert Hofer, waren zugegen. Daneben der in seiner Heimatstadt Wels höchst populäre Bürgermeister Dr. Andreas Rabl. Eine blaue Elefantenrunde. Manfred Haimbuchner wurde dann auch mit über 93% der Delegiertenstimmen bestätigt und konnte sich feiern lassen. Herbert Kickl hielt dann auch noch eine Rede mit Lob für den Landesobmann, sein Team und seine Arbeit und jeder Menge Kritik an der Bundesregierung, ihren Parteien, den tatsächlich eher zahnlosen anderen Oppositionsparteien und, und, und, … Er lieferte eine sehr klare Kampfansage an die Bundesregierung und zählte die einzelnen Punkte des Regierungsversagens auf. Auch der Bundespräsident Van der Bellen, der seit über zwei Jahren jedes noch so umstrittene neue Gesetz der Regierungsparteien ohne mit dem Ohrwaschl zu zucken durchwinkt, bekam sein Fett ab. Nicht ohne Grund, denn genügend dieser ohne Beanstandung durchgewunkenen Gesetze mußte dann wieder mühsam über den VfGH aufgehoben werden. Ein unnötiger Zustand von Rechtsunsicherheit, der auch durch den Bundespräsidenten mitverantwortet wurde. Und Kickl kündigte einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl an.
Was haben wir aus diesen drei kleinen Geschichten aus den Kreisen der drei größten Parlamentsparteien gelernt? Naja, eigentlich nichts, was wir nicht schon vorher wußten. Aber ab und zu sind einem diese Erkenntnisse nicht voll bewußt.
1. Wenn es dem Bundeskanzler, dem Bundesparteiobmann der ÖVP, unangenehm wird, was in seinem Umfeld alles passiert, geht er auf Reisen. Noch vor kurzem wollte er den altbewährten Trick 17 der US-Präsidenten anwenden, und, um von den innenpolitischen Problemen abzulenken, Rußland den Krieg erklären (Den Eindruck machte es zumindest). Doch dann sah er, wie es um das Bundesheer bestellt ist und entsann sich der österreichischen Neutralität, die er dafür umgehend neu definierte. – Sehr zum Staunen und zum Ärgernis der Österreicherinnen und Österreicher.
2. Die österreichische Sozialdemokratie steckt in einer unbeschreiblich tiefen Krise. Das ist bedauerlich, weil sie ein wichtiger politischer Baustein für das Funktionieren dieser Republik war und auch wäre. Allerdings fehlt es dieser Partei, die „Sozialdemokratie“ im Namen führt, an echten Sozialdemokraten, an klugen Köpfen mit warmen Herzen. Eine einst stolze Sozialdemokratie, die den ÖVP-Grünen-Regierungsschmarrn die ganze Zeit mitträgt und sich dann über die Ergebnisse beschwert, eine einst so stolze Sozialdemokratie, die nicht einmal einen eigenen Kandidaten ins Rennen ums höchste Amt des Staates schicken will, weil sie mit dem Werk eines seinerzeit aus ihrer Partei geworfenen parteipolitischen Konkurrenten zufrieden ist, hat sich selbst aufgegeben.
3. Totgesagte leben länger, scheinbar besser und haben auch noch Spaß dabei. Die FPÖ war vor zweieinhalb Jahren von den politischen Kommentatoren und den Mitbewerbern zur Leiche erklärt worden. – Und das, obwohl das Herz noch schlug. Aber es waren die gleichen Wunderwuzzis, die in Sebastian Kurz ein besonderes politisches Talent, und in der schwarz/türkis-grünen Koalition etwas wunderbar Reizvolles zu entdecken glaubten. Die FPÖ lebt, ist gesund, und entgegen den auf ganz besonders geheimen Geheiminformationen basierenden Wortspenden diverser „Insider“, ist sie nicht zerstritten. Wenn nicht gerade irgendein (meist von außen hineingetragener) Streit die blaue Partei herbeutelt, ist sie auf Expansionskurs. Und das macht das dritte Lager so fröhlich und selbstbewußt, daß ihre internen Veranstaltungen auf Landesebene mehr politische Botschaften und Sprengkraft haben, als von langer Hand vorbereitete „Bundesveranstaltungen“ ihrer Mitbewerber.
4. Die letzte Weisheit ist wohl, daß Herr und Frau Österreicher angefressen sind. Viele fühlen sich in die Situation des Untertanen gedrängt und getrauen sich nicht aufzubegehren. Die Politik erscheint ihnen weit entfernt und unbeeinflußbar. Das Bewußtsein, daß sie als Bürger, die wahren Herrscher des Landes wären und die Regierenden nur die ihnen dienenden Angestellten, wurde ihnen über die letzten beiden Jahren aberzogen. Eine dramatische Fehlentwicklung, der nach Kräften entgegengewirkt werden muß.
Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Sonntag!
Bleiben Sie uns gewogen!
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Fotos:
BK Karl Nehammer © wikimedia / flickr / European People`s Party / cc by 2.0
Joy Pamela Rendi-Wagner © wikimedia / SPÖ Presse und Kommunikation / cc by-sa 2.0