Film- und TV-Kritik
Am 24. April startet die zweite Staffel der Serie „Das Boot“ auf Sky. Und vergangene Woche war die erste Staffel auf free TV zu sehen.
Gleich zu Beginn stellt sich der Cineast, oder Leser der (angeblich) zu Grunde liegenden Romane von Lothar-Günther Bucheim eine Frage: Warum?
Natürlich ist das Thema interessant und zieht Publikum an. Natürlich kann man mit dem Titel eine Seherreichweite erlangen, die man mit „Groteske Abfolge absurder Weltkriegsfantasien“ als Titel nicht erreicht hätte. Aber eines muß klar sein: Mit den Romanen von Buchheim hat das Ganze, zumindest die erste Staffel, nicht wirklich etwas zu tun. Ebenso hätte man es eine Verfilmung inspiriert durch ein Kochbuch vom berühmten französischen Starkoch Paul Bocuse nennen können. Es spielt in Frankreich, Menschen essen in Restaurants und immer wieder sieht man einen Koch. – Anforderungen scheinbar erfüllt.
Schon zum Serienstart warnten viele Kritiker, man solle nicht den Anspruch erheben und die Serie mit dem Originalfilm von 1981, bzw. der über sechs Stunden langen Serie vergleichen. Und das war sehr höflich.
Die (neue) Serie strotzt von historischen Ungenauigkeiten, maßlosen Übertreibungen und von teils zum Fremdschämen unangehm anzusehenden Irrsinnigkeiten. Die wunderbare Akribie, mit der Petersens „Das Boot“ 1981 zum Kinohit wurde, die Detailverliebtheit und die harte historische Präzision fehlt gänzlich. Im nicht hinterfragten Wissen, daß es U-Bootfahrer mit Bärten gab, ließ man die Darsteller stylen, als wären sie aus einem Hipster-Barbershop entlaufen. Ein großer Teil der Kostüme paßte schlicht und ergreifend nicht, und jetzt einmal ernsthaft: Was soll diese Story, bei der in einem Hochsicherheitsbereich der Marine französische Widerstandskämpfer und deutsche Funkhelferinnen ein- und ausgehen, als wären sie in einem schwedischen Möbelhaus.
Die in der neuen Serie dargestellten Kommandos, Befehls- und Kommandostrukturen sind einfach von jemandem erdacht, der sich offensichtlich nicht einmal die Mühe machte, zuvor fünf Minuten im Lesen eines Wikipedia-Artikels zu investieren.
Alles in allem ganz grober Schrott. – Aber „Sex & Violence“ verkauft sich halt ganz gut.
Das Thema der „Schlacht im Atlantik“, sowie der Besetzung Frankreichs, der Widerstandsbewegung, usw. ist in seiner Realität bewegend genug. Es gibt genügend schreckenserregende, das Blut in den Adern gefrieren lassende, echte Geschichten. Es ist wirklich nicht notwendig, einen Film oder eine Serie durch peinliche Übertreibungen „aufzupolieren“. Irgendwie beleidigt man dadurch nämlich auch das Andenken derer, die wirklich im Kampf für ihre Freiheit das Leben ließen, oder zumindest schwere Repressalien erdulden mußten.
Es bleibt die Mutmassung, daß sich der Autor von „Das Boot“ angesichts dieser Serie, die angeblich von seinen Büchern inspiriert war, sein verbliebenes gesundes Auge mit der Augenklappe bedeckt hätte. Das muß man nämlich wirklich nicht sehen.
Bilder:
Vorschau-/Titelbild © Constantin Film
Das Boot (1981, Prochnow, Grönemeyer) © Constantin Film
Das Boot (2018) © Nik Konietzny / Bavaria Fiction GmbH