Verschiedene weite Teile der Menschheitsgeschichte wurden von Historikern nach dem wichtigsten oder am häufigsten verwendeten und seine Zeit prägenden Werkstoff benannt. Steinzeit. Kupferzeit, Bronzezeit. Eisenzeit.
Dieser Logik folgend wird man wohl dereinst unser Zeitalter als die „Plastikzeit“ bezeichnen.
Technopolymere, landläufig schlicht als Plastik bezeichnet, bestimmen unser Leben. Ein Vollausstieg aus den Kunststoffen ist für unsere Gesellschaft derzeit einfach unmöglich. Egal ob bei Verpackungen, bei Kleidung, Möbel, Transportmittel, Werkzeugen, Computern, Smartphones, Bauteilen für Häuser, Dübel zum Aufhängen von (kunststoffbeschichteten) Regalen… Wir leben in der Plastikzeit. Der Werkstoff ist in seiner Vielfalt auch wirklich genial. Je nach Bedarf ist er hart, weich, elastisch, brüchig, durchsichtig, blickdicht, lichtundurchlässig, transparent, usw… Er hält je nach Anspruch viel aus und ist dauerhaft.
Und hier beginnt das Problem: In seiner Dauerhaftigkeit. Viele Kunsstoffe verrotten nicht. Wenn sie nicht einem funktionierenden Entsorgungskreislauf zugeführt werden, landen sie auf Deponien oder über weniger anständige Wege in Ländern der dritten Welt, in denen man das unmittelbar brauchbare Material aussortiert und den Rest (weder klimaneutral noch auf sonstige Emissionen Acht gebend) verbrannt oder einfach ins nächste fliessende Gewässer gekippt wird. Die katastrophalen Folgen sind weltweit spürbar. Da die illegalen Müllverbrennungen nirgends erfasst werden, niemand Kontrollen, und damit auch Verantwortung übernimmt, werden auf diesem Weg Unmengen von Schadstoffen in die Atmosphäre gejagt. Ein Zustand neben dem der Begriff „Emissionszertifikat“ wie blanker Hohn wirkt. Zusätzlich werden durch die Verbrennungsrückstände Böden und vor allem Grundwasser verseucht.
Neben diesem Umweltverschmutzungs-SuperGAU werden Millionen Tonnen an Plastikmüll in Flüsse geworfen, von wo aus sie den Weg in die Weltmeere nehmen. Die zehn grössten Plastikmüllverschmutzer sind Flüsse in Afrika und Asien. In der Zwischenzeit haben sich zig km² große Müllinsel in den Ozeanen gebildet. – Eine ökologische Katastrophe!
Gibt es eine Lösung dieses Problems? Nein. Es gibt nicht eine, sondern viele Lösungen. Jede Maßnahme einzeln angewandt wäre kaum wirksam.
Das Recyclingsystem, wie es in den fortschrittlichen westlichen Ländern praktiziert wird, ist sehr gut und doch ungenügend. Es fehlt die scharfe Kontrolle und teilweise gesetzliche Einschränkungen. Es sollte gar nicht möglich sein, daß in Europa zum Recycling gesammelte Kunsstoffe auf illegalen Deponien in afrikanischen Ländern landen. Hier müßte rasch durchgegriffen werden!
Der Verbrauch an Kunststoffen sollte durch umsetzbare Alternativen gebremst werden. Das lange Zeit gebräuchliche Plastiksackerl für den Einkauf gehört ohnehin schon bald zur Vergangenheit. Allerdings gibt es immer noch genügend Verbrauchsgüter und Lebensmittel, die vollkommen sinnlos verpackt werden. In Folie eingeschweißte Orangen, Bananen oder Salatgurken sind einfach Schwachsinn. Da gibt es wohl kaum etwas zu beschönigen. Daß es bereits Hersteller und Händler von Teigwaren gibt, die ihre Produkte in kleinen Schachteln oder Papiersäcken vertreiben, ist ein absoluter Lichtblick und ein deutlicher und lobenswerter Schritt in die richtige Richtung. So zum Beispiel die Güssinger Fa. Wolf, die schrittweise die Verpackung ihrer Teigwaren von Kunststoff auf Papier umstellt. Trotz Mehrkosten!
Ein Problem, das uns erst in Jahren bis Jahrzehnten ereilen wird, ist der monströse Umfang an Kunststoff, das zur thermische Sanierung und Wärmedämmung an unseren Häusern klebt. Auch hier wird sich einiges tun müssen!
„Etwas tun“ ist neben dem namhaften österreichischen Nudelproduzenten Wolf auch das Stichwort für den Erfinder und Unternehmer Boyan Slat, der mit seinem Unternehmen „The Ocean Cleanup“ eine umsetzbare Methode entwickelte, große Gewässer, ja sogar Ozeane wieder zu reinigen. Nach anfänglichen Problemen wurden die Systeme und Anlagen zur Sammlung des treibenden Kunststoffmülls immer mehr verbessert und befinden sich nun an mehreren Orten weltweit bereits in Anwendung. Ebenfalls ein grandioser Schritt nach vorne. Und man hofft auf häufige Anwendung.
„Etwas tun“ muß sich aber vor allem bei den Menschen, den „Konsumenten“. Sie müssen sich ändern und Produkte mit weniger oder gar keinem Kunsstoff kaufen. Und man muß sich eben auch mit der Realität anfreunden, daß eine 1,5l-Flasche aus Glas schwerer ist als eine PET-Flasche gleicher Füllmenge. Vorratsbehälter müssen auch nicht zwingend aus Kunststoff sein. Omas „Rex-Gläser“ taten auch ihren Dienst und könnten es auch heute noch.
Es sind viele Wege zu gehen, um dieses tatsächlich dringende Problem zu lösen. Kunststoffe sind nicht der Feind der Menschheit und eine Plastik-Hysterie wäre vollkommen falsch. Viele Bereiche der Wirtschaft werden noch eine lange Zeit mit Kunsstoffen arbeiten müssen, weil es keinen nur ansatzweise gleichwertigen Ersatz gibt. Aber als Konsument hat man schon jetzt die Chance auf unnützes Plastik zu verzichten.
Links zu Boyan Slat: