Das Einstecktuch

Stylish oder übertrieben?

Lange Jahre totgesagt und totgeglaubt erlebt das Einstecktuch nun doch schon einige Zeit ein fulminantes Revival. Das Taschentuch ohne praktischen Zweck ist wieder voll da.
Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts läßt sich die Geschichte des Einstecktuchs problemlos zurückverfolgen. Damals wurde es vorwiegend vom Adel und gehobenen Bürgertum zur Reitkleidung getragen und war ein farblich abgehobenes und auffälliges Accessoire zur eher eintönigen Adjustierung beim Reitsport oder der Jagd.



Als im Biedermeier Gehröcke und sogenannte Paletots, Mäntel mit Jackettcharakter en vogue waren, fanden die Taschentuch-großen Tüchlein ihren Weg in die Alltagsmode und Abendgarderobe. Bald gehörten sie zu jedem Anzug zu jeder förmlichen Herrenbekleidung, solange eine offene Brusttasche dabei war. Es war guter Ton und ohne Einstecktuch war man … naja, nicht nackt, aber doch nicht komplett.


Sechzehn verschiedene Varianten, das Einstecktuch zu tragen.

Nach dem zweiten Weltkrieg, als sich Mode und Etikette weltweit massiv veränderten, verschwand das Einstecktuch beinahe gänzlich. Einzig bei sehr förmlichen Anläßen, Hochzeiten, Galadinners, bei den klassischen Black Tie-Events sah man sie noch, oder bei sehr selbstbewußten, aber auch stilsicheren Gentlemen im vorwiegend angelsächsischen Raum. So retteten Roger Moore und Sean Connery als James Bond dieses Accessoire vor dem Vergessenwerden.



Der Zweck des Einstecktuchs ist rasch beschrieben und unumstößlich: Es sieht gut aus. Es ist keine Serviette, kein Taschen- oder Schweißtuch. Und wer sich tatsächlich dazu durchringt und hineinschneuzt, kann seine Krawatte auch zum Besteck polieren nehmen und mit dem goldenen Dupont-Feuerzeug Kronkorken von der Bierflasche hebeln.



Und nun zur Frage aller Fragen: Welches Muster, welche Farbe, welche Kombination?
Grundsätzlich gilt: Was gefällt, ist erlaubt. Und dennoch gibt es stilistische Einschränkungen, um dessen Einhaltung wir flehend ersuchen. Am meisten passt ein Stecktuch, das die gleiche Grundfarbe der Weste oder des Hemds hat. Viele Gentlemen schwören darauf, zu ihren Maßhemden gleich in gleichem Stoff das Einstecktuch zu ordern. – Geschmackssache.

Allerdings geht eine Sache überhaupt nicht: Wenn Krawatte und Stecktuch aus dem gleichen Stoff sind. Wenn derartige Kombinationen in diversen Textilmärkten (andere Bezeichnungen verdienen sie ab diesem Moment nicht mehr) angeboten werden, zeugt das von der stilistischen Inkompetenz des Einkäufers und ist keinesfalls der Freibrief, sich häßlich anzuziehen.
„Aber jeder kann doch tragen, was ihm gefällt!“, wird daraufhin gerne ins argumentative Gefecht geführt. Freilich. Kann man. Aber man muß es genausowenig, wie Gummistiefel zum Smoking tragen.


Nein, nein und nochmals: NEIN! Einstecktuch und Krawatte im selben Muster sind untragbar!

Stay stylish!



Bilder:
Titelbild © wikimedia / Paul Goyette / cc by-sa 2.0
16 Einstecktuchvarianten © wikimedia / PockentSquareZ / cc by-sa 3.0
Krawatte und Einstecktuch © flickr / Andreas Nielson / cc by-nc-nd 2.0
Tweedsakko, Schal und Einstecktuch © Kent Wang / cc by-sa 2.0
James Bond, From Moscow with Love: screenshot youtube

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