
„Servus und einen guten Tag!“ – so möchten wir beginnen, nicht als folkloristische Floskel, sondern als ehrliche Ansprache an die Landsleute – und ganz bewusst auch an jene Herren und Damen, die derzeit in der Bundesregierung das Sagen haben (oder zumindest meinen, sie hätten es). Denn in diesem Jahr, genauer: am 26. Oktober 2025, begehen wir ein Jubiläum — 70 Jahre, seit sich unsere Republik, die Österreich, durch Gesetz festlegte, immerwährend neutral zu sein. Ein Jubiläum mit Würde – oder besser gesagt: sollte mit Würde sein. Doch – und das ist die provokante Feststellung dieses Kommentars – leider scheint ein guter Teil jener politischen Klasse diesen eidhaften Grundsatz längst abgelegt zu haben. In bequemer Unbedachtheit oder bewusstem Opportunismus legen sich Politiker in Konflikte, knüpfen Bündnisse, tun sich hervor mit moralischer Empörung – aber selten mit dem stillen Verzicht, der Größe ausmacht: dem Nicht-Mitmachen. Dabei war der Weg zur Neutralität kein Spaziergang, sondern ein notwendiger Schritt zur Souveränität. Und genau dahin sollten wir zurückkehren – wenn Österreich seiner Selbstachtung und seiner internationalen Vertrauenswürdigkeit willen.
Im folgenden Aufsatz werde ich zuerst historisch den Ursprung des Nationalfeiertags und der Neutralität skizzieren, dann die Bedeutung dieses Grundsatzes herausarbeiten – und schließlich, mit bissigem Blick, die derzeitigen politischen Entwicklungen kritisieren. Mein Ziel: eine deutliche, freche, ironische, aber nicht beleidigende Ermahnung an jene, die Verantwortung tragen. Denn: Neutralität ist kein Relikt, keine folkloristische Spielerei – sie ist ein hohes Gut, das wir verteidigen müssen.
Historischer Abriss: Wie kam’s zum 26. Oktober und zur Neutralitäts-Verfassung?
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 war Österreich kein souveräner Staat im eigentlichen Sinne mehr – vielmehr war es ein besetztes Land, geteilt in vier Zonen: Vienna wie Berlin, von den vier Alliierten Mächten (Sowjetunion, USA, Großbritannien, Frankreich) administriert.
Am 15. Mai 1955 unterzeichnete Österreich im Schloss Belvedere den Österreichischen Staatsvertrag, durch den die Wiederherstellung der Unabhängigkeit als demokratischer Staat festgelegt wurde. Dieser trat am 27. Juli 1955 in Kraft. Dann, am 26. Oktober 1955, fasste das Parlament das sogenannte Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs: „Österreich erklärt aus eigenem freien Willen ihre immerwährende Neutralität … Österreich wird nicht Mitglied militärischer Allianzen werden und niemals fremde Militärbasen auf ihrem Boden zulassen.“ Seit 1965 ist der 26. Oktober – ursprünglich als „Tag der Fahne“ – offiziell der Österreichischer Nationalfeiertag. Damit wurde Neutralität nicht nur außen-politischer Status, sondern Teil des nationalen Selbstverständnisses.
Warum ist dieser Tag und die Neutralitäts-Idee so wichtig?
1. Souveränität und Selbstbestimmung
Vor 1955 war Österreich, obwohl rein formell eine Republik, in Wahrheit zwischen den Großmächten gefangen. Die Neutralität war ein Mittel, sich dieser Einflussnahme zu entziehen – ein Weg, frei zu sein. Die Verfassung sagt es ja selbst: „zur dauernden Wahrung ihrer äußeren Unabhängigkeit … erklärt Österreich … ihre immerwährende Neutralität.“
Damit steht die Neutralität in einem ersten Sinn für: Wir entscheiden selbst – nicht andere. Ein wichtiger Grundsatz in einer Welt, in der kleine Staaten oft zu Spielbällen großer Interessen werden.
2. Identität und Symbolkraft
Für eine Republik, deren Vergangenheit kompliziert ist – Monarchie, Erste Republik, Austro-Faschismus, NS-Anschluss, Krieg, Besetzung – war die Neutralität ein Neuanfang. Sie erlaubte eine Selbstdefinition nicht mehr über Imperiale Macht oder Bündnis-Zwang, sondern über Nicht-Einmischung, Nicht-Blockgebundenheit. Studien zeigen, dass Neutralität in Österreich in den Jahrzehnten zur Identitätsstütze wurde.
Der Nationalfeiertag selbst – mit dem Hissen der Flagge, den offenen Türen der Bundesgebäude, den Ehrungen am „Heldendenkmal“ – funktioniert als Ritual, das die Idee vermittelte: Wir sind neutral – und darauf sind wir stolz.
3. Diplomatische und sicherheitspolitische Flexibilität
Neutralität heißt nicht Schwäche. Vielmehr kann ein neutraler Staat als Vermittler auftreten, sich aus festen Militär-Bündnissen heraushalten, eigene außenpolitische Wege gehen. In der Schule der Nachkriegszeit war Österreich genau das: weder Westblock noch Ostblock.
Und ja: Heute – trotz EU-Mitgliedschaft und geopolitischer Komplexität – kann Österreich über seine Neutralitätslinie debattieren und argumentieren. Sie gibt einen Rahmen, innerhalb dessen Österreich handeln kann, ohne selbst automatisch Teil von Kampforten zu werden.
Der 26. Oktober im Jahr 2025: Ein Jubiläum mit doppeltem Anspruch
Im Jahr 2025 stehen wir nun bei 70 Jahren Neutralität. Das ist ein stolzes Alter für eine junge Republik – und gleichzeitig eine Prüfung. Denn Jubiläum heißt nicht nur Rückblick – es heißt Erinnerung und Impulse für die Zukunft.
Es ist ein Anlass, nicht nur zu feiern, sondern nachzudenken: Wie steht es um unsere Neutralität? Halten wir sie hoch – oder haben wir sie zur billigen Phrase degradiert? Welche Rolle spielt sie in einer Welt, die komplexer, polarer und kriegerischer geworden ist? Welche Verantwortung tragen unsere politischen Führungspersonen?
Der Nationalfeiertag kann also – wenn er ernst genommen wird – ein Weckruf sein: zurück zur Wurzel, zur Idee. In diesem Sinne sei die Forderung klar: Lasst uns wieder den Weg gehen, den unsere Republik in jenem Oktober 1955 einschlug; lasst uns der Selbstbestimmung verpflichtet bleiben; lasst uns die Neutralität nicht als Ausweich-Floskel benutzen, sondern als aktiven Beschluss: Wir mischen uns nicht ein, wir bleiben nicht Teil von Machtspielen – weil wir uns selbst genug sind.
Kritikpunkt: Warum läuft’s schief? – Politische Blindheit & Missachtung der Neutralität
Und hier kommt die bissige Ecke – die Ermahnung an all jene Herren und Damen im Bundeskabinett, die meinen, man könne Neutralität als Zugeständnis ablegen, ignorieren oder umdeuten.
A. Historisch ungebildete Politiker gefährden die Neutralität
Erstmal: Wenn die politischen Verantwortlichen nicht einmal die Grundlagen ihres eigenen Staatswesens kennen – wann, warum und wozu Neutralität erklärt wurde –, dann ist das ein echtes Problem. Manche reden von „alten Zöpfen“, von „veralteter Strategie“, von „Anpassung“ – als wäre Neutralität eine Modeerscheinung gewesen, die man ablegt, wenn’s nicht mehr passt. Aber: Das Bundesverfassungsgesetz von 26. Oktober 1955 ist kein Nostalgielied – es ist Verfassungsrecht.
Wenn Politiker also von Bündnissen schwadronieren, die unsere Beteiligung verlängern – ohne Rücksicht auf Neutralitätsgebote –, dann handeln sie entweder bewusst gegen diese Verfassung oder naiv. Beides lässt sich schlecht als „demokratische Führung“ bezeichnen.
B. Pseudomoralische Empörung statt Größe
Die zweite Kritik: Statt sich herauszunehmen, sich zurückzuhalten, gerade in komplexen Konflikten – wählen viele Politiker den gegenteiligen Weg: Empörung zeigen, Stellung beziehen, sich profilieren. Doch das ist nicht Neutralität – sondern Teilhabe. Und Teilhabe kann gut sein – aber nicht, wenn sie die Neutralität untergräbt.
Wahre Größe – und hier gilt unser Appell – ist Nicht-Mitmachen. Den Mut zu haben, nicht Teil eines Blocks zu sein, nicht automatisch auf Seiten zu treten, nicht reflexhaft Sympathie oder Hass zu verteilen. Wer sich verspricht, neutral zu bleiben, tut gut daran, das auch zu leben: nicht nur in Worten, sondern in Taten und Verhalten.
C. Die Gegenwart zeigt Schwächen
Entscheidungen zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Überflugrechte, gemeinsame Einsätze – all das sind Felder, wo die Neutralitätsfrage gestellt wird. Wenn unsere politische Spitzenriege in solchen Fragen mit dem Argument „Wir sind neutral, doch …“ operiert, dann ist das in Wahrheit: Wir sind nicht mehr neutral. Und das beschädigt unsere Glaubwürdigkeit – im Ausland wie im Inland.
Wenn also das Jubiläum zum 26. Oktober 2025 gefeiert wird, sollten wir nicht einfach Flagge hissen und Schnitzerl verspachteln und Strudel naschen – wir sollten uns fragen: Haben unsere Regierungsverantwortlichen den Eid noch im Herzen? Oder ist er zur Randnotiz geworden?
Warum gerade jetzt Rückkehr zur Neutralität wichtig wäre
1. In einer polarisierten Welt: Mitten zwischen Großmächten, Konflikten und geopolitischen Spannungen kann ein neutraler Staat eine Brücke sein. Österreich könnte diese Rolle stärker wahrnehmen – statt sich in Bündnis-Wettläufe hineinziehen zu lassen.
2. Für das internationale Ansehen: Wer sagt „Wir mischen uns nicht ein“ – und das ernst meint –, der gewinnt Glaubwürdigkeit, nicht die Person, die ständig Partei ergreift. Ein neutrales Österreich könnte – im besten Sinne – verlässlich sein.
3. Für die eigene Selbstachtung: Neutralität war nie bequem, sie war nicht der leichte Weg. Aber sie war der richtige Weg für eine Republik, die sich frei entscheiden wollte. Wer diesen Pfad verlässt, opfert eine Grundsäule der Staatsidentität.
4. Für politische Klarheit: Wenn Politiker Neutralität als „optional“ betrachten, wird sie Stück für Stück ausgehöhlt. Wenn sie aber sagt: „Das sind wir – das bleiben wir“ – dann wird Politik konsistenter, glaubwürdiger, weniger wankelmütig.
Schlussbemerkung und Ermahnung
Also: Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger – und sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung –, beim Jubiläum 70 Jahre Neutralität sollte nicht nur gefeiert werden – sondern erinnert. Nicht nur die roten-weiß-roten Fahnen aufgezogen werden – sondern auch der Blick zurück, der nach vorne gerichtet ist. Die Neutralität ist kein Museum-Objekt. Sie ist ein lebendiger Beschluss. Ein Versprechen: Wir sind frei, wir mischen uns nicht ein, wir entscheiden selbst.
Und eine Ermahnung an die Politiker lautet: Bitte lassen Sie nicht zu, dass diese Idee zur hohlen Phrase wird. Lassen Sie nicht zu, dass Neutralität geopfert wird im Namen von Bündnissen, Kampfeinsätzen oder politischem Selbstzweck. Denken Sie daran: Wer groß sein will, muss nicht unbedingt mitkämpfen. Manchmal ist der Rückzug das Zeichen von Stärke – und das war die Idee der zweiten Republik.
Am 26. Oktober 2025, wenn wir den Nationalfeiertag begehen, sollte Österreich nicht nur innehalten – sondern aufstehen: für die Idee der Neutralität, für die Selbsteinschätzung, für die Souveränität. Und: für eine politische Führung, die nicht nur redet – sondern handelt.
Servus – auf ein würdiges Jubiläum, auf eine Republik, die ihre Idee nicht verrät, und auf ein Österreich, das wieder vertrauenswürdig, glaubwürdig und stolz ist.
Vom stolzen „Tag der Fahne“ zum arbeitsfreien National – Wandertag
Der Jubel über die Unterzeichnung des Staatsvertrages zur Herstellung der vollen staatlichen Souveränität Österreichs war in der Bevölkerung grenzenlos – im Überschwang der wiedergewonnenen Unabhängigkeit feierte man bereits am 22.Oktober 1955 den „Tag der Freiheit“. Rot – weiß – rote Nationalfahnen wurde überall gehisst, die Schüler bastelten kleine Fahnen, die sie schwenkten. Die Zeit der Unterdrückung und unfreien Besetzung unserer Heimat durch fremde Soldaten hatte ein Ende. Die Aufbruchsstimmung an diesem ersten „Tag der Fahne“ war unbeschreiblich. Man gedachte einerseits am Grab des unbekannten Soldaten all der toten Angehörigen und der Zerstörung durch alliierte Bombergeschwader, andererseits war man voll Tatendrang dieses gepeinigte Österreich in neuem Glanz erstehen zu lassen.
Ich habe es selbst erlebt – es hat mich geprägt! Die erste Bewährung der Neutralität kam 1956, als der ungarische Aufstand von den Russen niedergemacht wurde. Wir hatten selbst nichts, trotzdem haben meine Eltern ein kleines Lebensmittelpaket für die echte (!) ungarischen Flüchtlinge gespendet, die Angst, die Russen kommen wieder war allgegenwärtig, denn sie haben in Österreich gewütet – dieser Film müsste in allen Schulen gezeigt werden: https://www.youtube.com/watch?v=FsGRDZoAcDY
Was ist heute noch vom Gedenken an diese Zeit der Entbehrung und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft geblieben? Ist Österreich eine homogene Nation? Wer gerade heute die ungehinderte Invasion fremder junger Männer auf unser Staatsgebiet beobachtet, der muss die Frage stellen: Waren all die Opfer unserer Eltern – und Grosselterngeneration umsonst? Wie oberflächlich spricht der „Ersatzkaiser in der Hofburg“ zur Österreichischen Nation? Wie verlogen ist die Leistungsschau des Bundesheeres am Heldenplatz, wenn es seinen Auftrag nicht erfüllen darf die Grenze zu schützen? Der Österreicher denkt sich sein Teil – und geht wandern! Aus dem „Österreich ist frei“ wurde ein „Österreich war frei“