Der SEC 560 – ein fahrbares Kunstwerk

Ein opus magnum deutscher Automobil-Ingenieurskunst der 80er Jahre

MB SEC 560 – Fahrzeug mit purem V8 Saugmotor-Charakter: Formel 1 Piloten, Privatiers und Halbwelt-Größen fuhren dieses Fahrzeug als Dienstwagen.

Es gibt Automobile, die weit mehr sind als schnöde Fortbewegungsmittel. Der 560 SEC, die Coupe-Version der Mercedes Baureihe W126, gehört zu dieser Art von Fahrzeugen, die eindeutig nicht nur für motorisierte Mobilität geschaffen wurden. Dieser Wagen ist ein fahrbares Kunstwerk! Mobilität wird in diesem Wagen zum Motorerlebnis und Stil-Standpunkt.

Auf der Internationalen Automobil Ausstellung der IAA in Frankfurt im September 1979 war die Mercedes Baureihe W126 als Limousine vorgestellt worden, zwei Jahre später wurde die Coupé-Variante (C 126) präsentiert und damit die Baureihe komplementiert. Mit diesem stilistischem (und motorischem) Meisterwerk des damaligen Mercedes Chef-Stilistiker Bruno Saccho, machte sich der Fahrzeugbauer aus Sindelfingen, Anfang der 80er endgültig zum unangefochtenen Weltmarktführer im prestigeträchtigen Oberklasse-Segment. Etwa 900.000 Exemplare der Baureihe 126 wurden dann von 79 bis 1991 produziert, davon waren rund 75.000 Coupés. Etwa ein Drittel der Gesamtproduktion (wurde in die USA exportiert. Ein weiteres Drittel wurde in Deutschland verkauft. Der Rest wurde überwiegend nach Westeuropa, Japan und in den Nahen Osten exportiert.

Die Baureihe war ein absoluter Welterfolg, von Ingenieuren entworfen, als Design noch Stilistik hieß und von Facharbeitern in Sindelfingen am Fließband gefertigten, als ginge es darum, Marken-Produkte für die Ewigkeit zu schaffen.

© AUTO BILD 1986

Präsenz und gediegener Luxus, ohne Angeberei und Lautstärke
Das Coupe der S-Klasse W 126 – kurz unter Automobilisten der „SEC“ genannt tritt nicht auf, er erscheint. Mit seiner endlosen Motorhaube, den rahmenlosen Türen und der fließenden Coupé-Silhouette wirkt er wie ein klassischer Maßanzug – zurückhaltend, aber unverkennbar edel. Kein übertriebenes Dekor, kein Show-Effekt. Das C126-Coupé verkörpert das, was Mercedes damals definierte: Eleganz und Nobilität auf Rädern.
Beim Öffnen der schweren Tür empfängt den Fahrer ein Interieur, das eher an eine Lounge erinnert als an ein Auto. Feinstes Leder, oder beste Alcantara Bezüge, je nach Ausstattungswunsch, satt klappende Schalter, Wurzelholz, das wie von einem Kunsttischler verarbeitet wirkt – alles greift sich solide und wertig an. Dieses Cockpit vermittelt nicht schicken, protzigen Luxus, sondern Klasse und kunsthandwerkliche Qualität. Hier wurde nichts entworfen, um nach drei Jahren alt auszusehen. Hier herrscht das Versprechen: Das hält länger als Sie es nutzen werden können.

Souveränität auf Rädern, der V8 als perfektes Triebwerk mit schier unendlicher Kraft
Unter der Haube sorgt ein 5,6-Liter-V8 für Leistung und Fahrkultur. Dieser Motor (Werksbezeichnung M117) ist ein Triebwerk! In der 300 PS Version bringt er das Coupé in rund 6,5 Sekunden auf 100 km/h – eine Werksangabe, die in den 80ern noch Respekt einflößte. Doch die nüchternen Werksangaben allein greifen zu kurz. Es ist die Art, wie dieses Triebwerk arbeitet: kraftvoll, souverän, ohne Anstrengung. Kein Aufbrüllen, eher ein kultiviertes Brummen. Leistung wird hier nicht erkämpft – sie ist einfach vorhanden, jederzeit. Sie ist auch dezent hörbar aber nicht vom Auspuff her, sondern vom charakteristischen Sound des klassischen Otto-Motors, der in der M117 ohne Turbo als Saugmotor konzipiert ist. Das Ansaug-Geräusch der Luft für die acht Brennkammern ist für jeden V8- Fan ein absolutes Hörerlebnis. Es macht diesen Motor unverwechselbar.

Auf der Autobahn entfaltet der 560 SEC seine wahre Größe. Jenseits der 200 km/h liegt der Wagen – solange man sich an die Werksempfehlungen bei Reifengröße und Dimension hält und nicht meint mit protzige Breitreifen beeindrucken zu müssen – als gäbe es eine Gleisfahr auf Asphalt. Die Federung bügelt Unebenheiten aus, ohne die Verbindung zur Straße zu verlieren. Kurven nimmt er nicht wie ein Sportwagen, sondern wie ein Grandseigneur: gelassen, mit einem leichten Neigen der Karosserie, das nur daran erinnert, dass man hier fast zwei Tonnen deutsche Ingenieurskunst bewegt.

Keke Rosberg, FI-Pilot und SEC-Fahrer.

Mercedes Alltag – In den 80er Jahren war der SEC das Dienstfahrzeug der F1-Legenden
Der SEC war nie für den schnellen Weg zum Supermarkt gedacht. Er war für die langen Strecken gebaut – für Autobahnen ohne Tempolimit, für die Reise von Wien nach Genf oder Hamburg, nonstop, ohne das Gefühl von Anstrengung. Wer ihn fährt, spürt: Dieses Auto ist das ultimative Reisefahrzeug.
Der 560 SEC ist mehr als ein Coupé. Er ist die Quintessenz dessen, was Mercedes-Benz einst ausmachte: technische Brillanz, gepaart mit zeitloser Eleganz. Ein Wagen, der beweist, dass Ingenieurskunst eine Form von (industrieller) Kunst ist. Jede Linie, jeder Schalter, jedes Detail erzählt von einer Zeit, in der Automobile noch Charakter hatten und nicht auf dem Reißbrett der Effizienz reduziert wurden. Das spätere Mercedes-Credo, das Beste oder Nichts wurde damals aus der Taufe gehoben, freilich zu einem Preis von einem Einfamilienhaus.
Wer heute in einem (unverbauten) SEC 560 Platz nimmt, erlebt eine Stück Mercedes Benz Nostalgie. Er erlebt aber auch ein Stück Ewigkeit und Automobilgeschichte. Und steigt am Ende aus mit dem Gefühl: So baut man leider keine Autos mehr in Sindelfingen! Eine Pikanterie für Benzinbrüder zum Schluss: Diese fahrbare Legende auf vier Rädern war einst das Dienstfahrzeug von Rennfahrer-Legenden wie Nigel Mansell, John Watson, Keke Rosberg, Ayrton Senna und, und, und! Natürlich auch von Niki Lauda! Dass dieses Fahrzeug auch im Halbwelt-Milieu als Statussymbol galt, ist auch nicht wirklich überraschend.

Formel I-Legende Ayrton Senna.

Infokasten:
Mercedes-Benz 560 SEC (Baureihe C 126)
Baujahr: 1985–1991
Motor: V8, M117, 5547 cm³
Leistung: 272 PS (ECE) / 300 PS (US, Kat-los)
Drehmoment: ca. 430 Nm bei 3.750 U/min
0–100 km/h: ca. 6,5–7,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 240–250 km/h
Leergewicht: rund 1.750–1.780 kg
Getriebe: 4-Gang-Automatik
Neupreis (1986): ca. 134.000 DM
Heutiger Marktwert: von 25.000 € (Zustand 2) bis über 70.000 € (Top-Exemplare, Sammlerzustand mit Historie)

Der Autor des Beitrags, Ernst Brandl, mit seinem wunderschönen 560er SEC.

Sammler-Urteil
Der 560 SEC gilt heute als Ikone der Mercedes-80er-Jahre und hat sich längst vom Gebrauchtwagen zum begehrten Klassiker entwickelt. Seine Mischung aus majestätischem Auftritt, hoher Alltagstauglichkeit und der schieren Ingenieursqualität machen ihn zu einem gesuchten Sammlerobjekt. Der 560 SEC bietet heute nicht nur ein faszinierendes Fahrerlebnis, sondern auch eine wertstabile Investition. Wer ein gutes Exemplar findet, hat die Chance, ein Stück Automobilgeschichte zu besitzen, das zugleich Kunstwerk und Zeitzeuge einer Ära ist, in der Mercedes-Benz automobile Perfektion definierte.

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