Gedenken an die Novemberpogrome – Antisemitismus im Wandel der Zeit

Wenn am 9. November Gedenkstunden abgehalten werden, denken viele – schon alleine dem Datum folgend – an die Verbrechen des NS-Regimes. Das ist gut. Das ist richtig. Und es hätte auch viele andere Tage gegeben, an denen man des Anlasses gedenken hätte können. Der 9. November ist es wohl deswegen, weil er für eine besonders üble und perfide Aktion der damals regierenden Nationalsozialisten steht. Er steht für das erste Mal, daß mit entsprechender Organisation, mit hohem Verwaltungsaufwand ein staatlich angeordneter Pogrom im dritten Reich stattfand. Begnügte man sich zuvor mit den bürokratischen Quälereien, den Ungleichbehandlungen vor dem Gesetz, den gezielten Diskriminierungen und all den anderen Schrecklichkeiten, die seit dem Januar 1933 Stufe für Stufe aufgebaut wurden, schritt man hier zu einer Tat, die selbst viele Betroffene nicht für möglich gehalten hätten. Das besondere Maß an Perfidie wurde erreicht, als man diese wohlkalkulierten und bestens organisierten Untaten von Organisationen wie SA und SS zum „Volkszorn“ erklärte. Man versuchte eine breite gesellschaftliche Mehrheit im antisemitischen Brand- und Blutrausch herbeizulügen. Dies gelang leider in weiten Teilen.

Der Antisemitismus ist weder ein alleiniges Problem von heute oder gestern. Der Antisemitismus hat in all seinen ekelerregenden Ausformungen eine lange Geschichte. Seit der Zeitenwende leben Juden auf dem heutigen österreichischen Staatsgebiet. Gemeinsam mit der römischen Besatzung kamen sie. Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem und der Vertreibung durch die Römer aus ihrer Heimat in Palästina erhöhte sich auch der jüdischen Bevölkerungsanteil in unseren Breiten im Laufe des ersten Jahrhunderts. Wir sprechen also hier von einer Zeit vor 2.000 Jahren. Einigen Römern waren die Juden aus einem Grunde suspekt: Der abrahamitische Eingottglaube, der mit dem römischen Polytheismus, der zur Staatsreligion gemacht wurde, nicht kompatibel war. Man lebte in manchen Teilen nebeneinander, in anderen zusammen. Der germanischen und keltischen Urbevölkerung war dieses religiöse Hickhack ziemlich egal.
Und so lassen sich die ersten Nachweise für gelebten Antisemitismus auch erst im Zuge der Christianisierung, als das römische Reich in unseren Breiten längst Geschichte war, nachweisen. Das Judentum wurde von den eifrigen Christianisierern oft als Konkurrenz wahrgenommen. Ein grundsätzlicher Fehler, da das Judentum niemals – im klaren Gegensatz zum Christentum – missionierte, niemals aktiv die eigene Religion bewarb und zu verbreiten versuchte. Hinzu kam die Geschichte vom „Mord an Jesus Christus“, der den Keim für den religiös begründeten christlichen Antisemitismus, dem sogenannten „Antijudaismus“ in sich barg.

Mittelalterliche Darstellung von Jüdinnen und Juden, die am Scheiterhaufen verbrannt werden.

Dieser Antijudaismus zog sich in unterschiedlichen Heftigkeiten bis ins 19. Jahrhundert. Die Herrscher, die Fürsten, Könige, Kaiser, Grafen, Zaren, etc. benutzten diese (quasi göttlich verordnete) Ausgrenzung der Juden für ihre Zwecke. Mal durften sie im Land sein – wenn sie dafür zahlten. Dann wiederum mußten die Ländereien gänzlich von ihnen „befreit“ sein. Je nach Bedarf war diese Bevölkerungsgruppe den Launen der Mächtigen und dem wahnhaft religiösen Erfindungsgeist der Kirche ausgeliefert. Eine leichte Besserung dieser Situation trat Ende des 18. Jahrhunderts mit den Ideen des Humanismus ein, als man sich das erste Mal ernsthaft Gedanken darüber machte, wer oder was ein Mensch ist, welche Rechte er hat, ob er gleich geboren ist, oder ob es eine göttliche (oder andere) Hierarchie gäbe.
In Zeiten starrer Monarchien blieben diese Verbesserungen allerdings eher auf einen kleinen Kreis humanistisch gebildeter Menschen beschränkt.

Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Stimmung wieder, da der religiös motivierte Antijudaismus, der in zunehmend religionsskeptischen Zeiten nicht mehr das Gewicht hatte, einem erheblich gefährlicheren Antisemitismus wich: Die europäischen Staaten waren eben dabei, sich den Rest der Welt als Kolonien aufzuteilen. Und dabei stieß man natürlich auf unterschiedlichste Menschen, unterschiedlichste Völker, unterschiedlichste Kulturen. Und man begann in wissenschaftlichem Eifer zu katalogisieren und einzuordnen: Menschen, Tiere, Pflanzen, … Eine der dazumals populärsten Wissenschaften war die Rassenkunde. Eine damals völlig seriöse Richtung, der auch entsprechender wissenschaftlicher Respekt gezollt wurde. Man vermaß Menschen – unter anderem auch jüdischer Herkunft – und schloß aus den körperlichen Eigenheiten, die man auf teils haarsträubende Weise herbei deutete, auf Eigenschaften, wie Charakter, Intelligenz, … Den Angehörigen der „jüdischen Rasse“ – von der Idee der Religionsgemeinschaft hatte man sich vorsorglich verabschiedet – wurden besonders negative Eigenschaften zugedacht. Und hier war Ende des 19. Jahrhunderts auf allen möglichen Universitäten Europas das Substrat für den vier Jahrzehnte später stattfindenden Völkermord, bekannt als Holocaust oder Shoah, gelegt worden. Das Schlimme war, daß sich die Abneigung gegen, und Ausgrenzung von Juden nun auf zwei Säulen stellen konnte: Entweder kirchlicher Antijudaismus oder „wissenschaftlicher“ Antisemitismus. „Obey the science! Trust the science!“ „Gehorche der Wissenschaft! Vertrau der Wissenschaft!“ Derartige „Weisheiten“ waren schon damals falsch und unbeschreiblich gefährlich. Allerdings fielen diese Dummheiten europaweit – egal ob in der k.u.k. Doppelmonarchie, in Frankreich, im United Kingdom, in Bulgarien, im russischen Zarenreich, wie im Deutschen Reich (usw…) auf fruchtbaren Boden. Man hörte auf die „Wissenschaft“.

Das Ende dieser Geschichte ist bekannt. Der Nationalsozialismus, der sich selbst religiöser Züge bediente, instrumentalisierte ganze Nationen, um den zum Programm gewordenen Antisemitismus in der größten industriell organisierten Vernichtungskampagne gipfeln zu lassen. Und die verantwortlichen Personen waren teilweise sogar stolz auf ihr „humanes“ Vorgehen. Das Vernichten von Millionen Menschenleben wurde – wenn nicht gerade der Befehlsnotstand als Ausrede herhalten mußte – mit einem wissenschaftlich fundierten Dienst an der Menschheit gerechtfertigt.

SS-Männer vor Gefangenen des KL Mauthausen.

So sehr man sich nach dem zweiten Weltkrieg auch davor zierte, eine allumfassende Aufarbeitung stattfinden zu lassen, war man sich doch (wenn auch schweigend) darüber einig, daß es nie wieder zu Verbrechen dieses Ausmaßes, dieser menschenverachtenden Beweggründe kommen darf. Der Rasseantisemitismus, wie auch der religiöse Antijudaismus waren aus den nun viel weiter gefächerten Bereichen gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz verbannt. Es gab mit Sicherheit nach wie vor einen immer mehr verschwundenen und immer kleiner gewordenen Bevölkerungsanteil, der antisemitisch dachte. Aber die Möglichkeit, es öffentlich zu artikulieren und auszuleben war vergangen.

Erst wieder Jahrzehnte später kam es zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle, die nicht mit den Irrwegen von Nationalsozialisten oder gar christlicher Fundamentalisten zu tun hatten.
Es war der im Zuge der Migration aus muslimisch geprägten Ländern importierte Antisemitismus. Gestützt durch die von jeder Form der Migration begeisterten Linken gebar man die derzeit größte Gefahr für jüdisches Leben in Österreich, in Deutschland, in Europa: Den unter den Tarnflaggen „Antizionismus“ oder „Israelkritik“ fahrenden Judenhaß.

Antisemitische Propaganda von Linksextremisten zur Unterstützung muslimischer Terroristen.

Seit Jahrzehnten arbeiten Linksextremisten aus unseren Breiten eng mit den muslimischen Terrororganisationen des nahen und mittleren Ostens zusammen. Mit Flugzeugentführungen und Geiselnahmen versuchte man über Jahre und Jahrzehnte die inhaftierten Terroristen der jeweiligen „Partner“ frei zu pressen. Über den „Marsch durch die Institutionen“ sitzen heute die Gesinnungsfreunde der Linksextremisten in maßgeblichen Schaltstellen unserer Länder und nehmen damit Einfluß auf die gesellschaftliche Gestaltung unserer Staaten und die mediale Darstellung relevanter Veränderungen. So wurde die völlig normale Skepsis weiter Teile der angestammten Bevölkerung gegenüber den als zügellos wahrgenommen Zuzügen von Menschen aus muslimisch (und antisemitisch) geprägten Regionen als Rassismus diffamiert. Das Resultat ist heutzutage in erschreckender Form sichtbar geworden. In Amsterdam werden Anhänger eines israelischen Fußballklubs durch die Straßen gehetzt und verprügelt. In vielen Großstädten Europas wird es jüdischen Menschen empfohlen, auf das Tragen der Kippa (traditionelle jüdische Kopfbedeckung) oder Zeigen des Davidsterns zu verzichten. Begründet wird dies mit der zu erwartenden Gewalt.
In (viel zu häufig links dominierten) Medien wird eben dieses Tragen einer Kippa oder eines Davidsterns, das als Jude erkennbar sein, als Provokation bezeichnet. Und man gibt damit den jüdischen Mitbürgern Mitschuld in der Darstellung eines nicht zu tolerierenden Verhaltens der vielen muslimischen Störenfriede.
86 Jahre nach den Novemberpogromen und 13 Monate nach dem Terrorüberfall der Hamas bekennen sich viele Vertreter der Politik zu einem „Nie wieder!“. Gleichzeitig werden die schlimmsten Antisemiten der Zeit, die kaum einen Hehl aus ihrem Wunsch der Auslöschung des israelischen Staates und der Jüdinnen und Juden machen, in unseren Breiten toleriert. Ja sie werden sogar versorgt und vor berechtigten Kritikern ihrer meist unbegründeten Anwesenheit beschützt. Ein unhaltbarer Zustand und eine Schande, wenn man das mit ernsten Mienen begangene Gedenken an die Novemberpogrome an die Shoah ernst meint.


Foto SS-Männer vor Gefangenen im KL Mauthausen: Bundesarchiv, Bild 192-206 / cc by-sa 3.0

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