Der Schulkollege
Fritz von Herzmanovsky-Orlando (* 30.4.1877 als Friedrich Josef Franz Ritter von Herzmanowsky in Wien; † 27.5.1954 auf Schloss Rametz bei Meran, Südtirol) war österreichischer Schriftsteller und Zeichner. Nach seinem Studium des Hochbaus arbeitete er als Architekt, gab den Beruf wegen einer chronischen Nierentuberkulose auf und widmete sich dem Schreiben und Zeichnen. Der Freund von Alfred Kubin veröffentlichte zu Lebzeiten nur wenig. Die teilweise nur in groben Entwürfen vorhandenen Texte wurden nach seinem Tod von Friedrich Torberg in einem Gesamtwerk veröffentlicht.
Herzmanovsky-Orlando war ein aufmerksamer Beobachter und scharfer Analytiker des gesellschaftlichen Lebens in der im Sterben liegenden Donaumonarchie. Und so berichtete er auch einmal über eine Begebenheit, die seinem Vater Dr. Emil von Herzmanovsky, einem hohen Beamten im „Ackerbauministerium“ widerfuhr:
1897 gab es wieder einmal eine Regierungsumbildung. Und der neue Ministerpräsident, Paul Gautsch Freiherr von Frankenthurn, war Dr. Herzmanovskys ehemaliger Schulkollege im Theresianum. Sektionschef Dr. Emil von Herzmanovsky war im Ministerium auserkoren, den neuen Ministerpräsident vor versammelter Beamtenschaft entsprechend zu begrüßen. Und so freute er sich auf den Antrittsbesuch seines früheren Schulkollegen in seinem Ministerium und hatte eine kleine Rede vorbereitet:
„Mein lieber Gautsch! Es ist mir eine besondere Freude, Dich als unsern’n Chef willkommen zu heißen. Ich versichere Dir, daß wir nach besten Kräften bemüht sein werden, Dir Deine Tätigkeit zu erleichtern…
… Nicht nur als Dein rangältester Mitarbeiter, auch als ein Theresianist dem anderen, wünsche ich Dir in Deinem neuen Amt Erfolg und alles Gute.“
Die Freundlichkeit, mit der Sektionschef Dr. Emil von Herzmanovsky seine Freude über die künftige Zusammenarbeit mit seinem früheren Schulkollegen zum Ausdruck brachte, blieb unerwidert. Und der Ministerpräsident antwortete in betonter Distanz, in spürbarer Kühle:
„Mein lieber Sektionschef, ich nehme Ihre freundlichen Worte gerne zur Kenntnis und hoffe auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Stab. Danke verbindlichst.“
Nach dieser Antwort des scheinbar nun abgehobenen Herrn Ministerpräsidenten an seinen scheinbar vergessenen Schulkollegen hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Und so beendete Dr. Emil von Herzmanovsky das allgemeine Schweigen indem er noch einmal das Wort an den Neo-Ministerpräsidenten richtete:
„Lieber Gautsch, gestatte mir noch einmal das trauliche >Du<. Leck mich im Arsch!“
Umgehend darauf ging der Sektionschef in Pension.
Titel-/Vorschaubild / Christine Kerry: Porträtzeichnung Fritz von Herzmanovsky-Orlando (1952)© Literaturmuseum Altaussee / Bernhard Holub / cc by-sa 4.0