Das laute Schweigen des Max Grund: (K)ein Roman von Ralf M. Ruthardt

Gesellschaftskritik: Lautes Schweigen, leises Verschwinden

Ein Zitat von John Lennon steht am Ende eines beunruhigend aktuellen Buches. Lennon, leicht verkürzt, sagt, dass wir von Wahnsinnigen zu einem wahnsinnigen Ende gelenkt werden, und dass er als Wahnsinniger eingesperrt werde, weil er dies ausspreche. Ist das schon die Quintessenz dieses Buches? Mitnichten, es ist erst der Appetitmacher!

Die Ausganslage ist bekannt. Gender Mainstreaming kann so nicht in Ordnung sein, wie es in den öffentlich-rechtlichen Medien, den Universitäten und in immer mehr Behörden propagiert wird. Die „gerechte Sprache“, von der überall dort ebenfalls zu lesen ist, und dazu in den woken Teilen der evangelischen Kirche – sie hat mit Gerechtigkeit nicht das Mindeste zu tun. Die Aufforderung und Ermunterung bestimmter politischer Kreise, eine „freie Wahl des Geschlechts“ – sogar schon im Kindesalter! – vorzunehmen, ist, so fühlt es der Protagonist instinktiv, ein Vergehen an Kindern, die dem Schutz durch Erwachsene anbefohlen sind. Fühlen Sie das auch? Zweifelten Sie bislang an Ihrer Wahrnehmung, lieber Leser? Nun, es gibt jetzt es eine literarische Verarbeitung der vielen Diktate des Zeitgeists. Den Roman „Das laute Schweigen des Max Grund“ von Ralf M. Ruthardt kann helfen, die Richtigkeit eigener Empfindungen zu prüfen.

Was ist die Handlung? Max, ein alleinerziehender Vater, ist von zu vielen politischen Entscheidungen irritiert. Er denkt nach. Max träumt sich in seiner Verzweiflung in eine Talkshow, wobei Ruthardt ganz raffiniert ofenlässt, ob das real ist oder eine Fiktion, in die sich der Protagonist hineindenkt. Wie dem auch sei – gegenüber seinem vermeintlichen oder realen sozialen Umfeld positioniert sich Max mit hinterfragenden Gedanken. Bringt Argumente, verwirft Gegenargumente. Und dann: Ein falscher Satz, gemeint als faire, keinesfalls extreme Gesellschaftskritik – aber ein Prozess setzt sich in Gang, den Max nicht überblickt.

Wohin führt das? Am Ende des Romans zahlt Max einen hohen Preis. Er bekommt er physisch zu spüren, wo die Freiheit des Einzelnen endet. Ein Rezensent dazu: „Dieser Roman gibt schweigenden Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme. Frei von Polemik will dieses Buch ein Anstoß zum Nachdenken und zum Miteinanderreden sein.“ Der Weg dorthin ist von unbequemen Gedanken gepflastert, von denen mancher Leser den einen oder anderen aus dem eigenen Denken wiedererkennen könnte.

Wie funktioniert das Buch? Auf den Seiten 123 bis 130 beispielsweise wird die gesamte Logik des automobilen Wandels hin zum E-Antrieb für Automobile hinterfragt – spielerisch, in fiktive Überlegungen des Protagonisten verpackt. Viele Fragen legt der Autor dem Protagonisten in den Mund, die Antworten findet der Leser oft bei sich selbst: Es sind die Zweifel an der Alternativlosigkeit des Vorgehens. Es sind die logischen Überlegungen, die noch bis vor wenigen Jahren als gesellschaftlich bindend galten und die von ihm so auch anerkannt wurden, die jetzt plötzlich unmöglich sein sollen – aber nicht aus Gründen der Vernunft, sondern der angeblichen Moral.

Und funktioniert das auch? Ja durchaus. Innerlich stimmt der Leser lebhaft zu, wenn der Protagonist nicht einsehen kann, warum im Namen des Umweltschutzes Millionen von Bäumen im Regenwald des Kongo gerodet werden, weil das darunter im Boden ruhende Kobalt für Batterien benötigt wird. Denn wofür? Na, zu Rettung der Umwelt durch Umstellung auf automobile E-Antriebe, womit auf spielerische, fast schelmische Weise der Autor seinerseits eine Argumentationskette vorlegt. Zwar eine, die auf Beweise verzichtet, die dafür aber durch umso schärfere Logik besticht. Sollte es ihm darauf angekommen sein, die Leitargumente der „grünen“ Partei und ebenso den „Green Deal“ der EU spielerisch zu entkräften, bravourös wäre es gelungen. Am Ende des Kapitels, auf Seite 131, läßt Ruthardt seinen Protagonisten zu Bett gehen – und seinen Leser aufwachen.

Und das war’s dann? Nein, Ruthardt hat ein äußerst gut durchdachtes Buch abgeliefert. Wenn der Leser, auf einige harte Brocken vorbereitet, zum Kapitel 13 gelangt, ist er doch erstaunt, mit welcher Rasanz er mitgenommen wird auf eine nur fünf Seiten lange und dennoch gnadenlos schonungslose Abrechnung. Mit fast emotionsloser Brillanz nimmt Ruthardt die Gedanken und die zugrundliegende Ideologie des Gender Mainstreaming auseinander. Wer dieses Kapitel liest, wer also versteht, der würde sich fortan als Idiot fühlen, wenn er auch nur noch ein einziges Gendersternchen in einem beliebigen Wort platzierte: als Räuber der geistigen Freiheit und damit der Zukunft kommender Generation.

Nun reicht es aber? Nein, immer noch nicht. Als hätte es der Leser geahnt – das Ende für den Protagonisten kommt mit dem Ende des Buches, im abschließenden 15. Kapitel. Es ist das Ende seiner Freiheit, das Ende seines selbstbestimmten Lebensentwurfes, und Max erkennt das Spiel, das mit ihm wie mit allen gespielt wird, erst dann, als er bereits keine Möglichkeit mehr hat, sich zu äußern. Damit ist fast schon zu viel verraten – aber nur fast. Vor dem Ende, ganz kurz davor, zitiert Ruthardt höchst bemerkenswerte Sätze Guido Westerwelles, Carl-Friedrich v. Weizsäckers, Gustav Heinemanns. Für einen Roman höchst ungewöhnlich, belegt Ruthardt im Anhang seine Quellen. So läßt Ruthardt seine Leser beunruhigt davonziehen, in die gedankliche Freiheit, die sie haben. Die sie noch haben.

Ralf M. Ruthardt, Das laute Schweigen des Max Grund, Roman, München 2023, 217 Seiten, geb. mit Lesefaden, ISBN 978-3-9825749-0-5, 23 Euro. Und auch als Hörbuch auf Spotify vielen anderen Plattformen.

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