Dokumentationsstelle: Bericht zu den Aktivitäten von Tablighis und Barelwis

Ultraorthodoxe religiöse Gruppierungen aus Südasien verbreiten auch in Europa Gedankengut, das in politischen Debatten islamistischen Extremismus fördern kann.

Ein neuer Grundlagenbericht des Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) beleuchtet die Aktivitäten von Laienpredigerinnen und Laienpredigern. Die Analyse befasst sich mit den Hintergründen der aus Indien und Pakistan stammenden Bewegungen der Tablighis und Barelwis. Diese agieren als internationale Bildungs- sowie Wohltätigkeitsorganisationen und verbreiten ihre strikte Religionsauslegung über Missionsreisen. Die beiden ultraorthodoxen Gruppierungen haben durch eine gezielte Islamisierungsstrategie einen prägenden Einfluss insbesondere auf das gesellschaftliche sowie politische Leben in Pakistan. Ihre rigiden Glaubensvorstellungen werden im Rahmen politischer Debatten von islamistischen Akteuren oftmals für ihre Ideologie genutzt.

„Mit der aktuellen Publikation zu den Aktivitäten von südasiatischen Missionsbewegungen in Europa leistet der Fonds einen wichtigen Beitrag zur Wissensbildung in diesem Forschungsbereich. Die Tablighis und Barelwis schaffen mit ihrem ultraorthodoxen Islamverständnis ein Gegenmodell zum demokratischen Rechtsstaat, welches gesellschaftliche Konflikte und religiöse Radikalisierung fördern kann“, so Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle.

Aktivitäten in Österreich
Die beiden Gruppierungen aus Südasien konkurrieren in einem globalen Wettstreit von Laienpredigerinnen und Laienpredigern vor allem um die breite Basis der innermuslimischen Community „von unten“. Ziel ist eine Sunnaisierung, also die Umgestaltung der individuellen Lebensweise und Identität nach frühislamischen Vorbild. Auch in Österreich sind die Tablighis und Barelwis aktiv, zumal laut Statistik Austria hier über 4.000 Menschen mit pakistanischer Staatbürgerschaft leben. Die Barelwi-Bewegung ist unter anderem mit der Organisation Da’wat-e Islami verbunden, die vor allem in der Umgebung von Wien sowie vermehrt virtuell über eigene und soziale Medienkanäle tätig ist.

Lisa Fellhofer

Blasphemie und Selbstjustiz
Der globale Einfluss der beiden südasiatischen Bewegungen zeigt sich etwa bei Debatten rund um Koranverbrennungen oder Mohammed-Karikaturen, die oft politisch instrumentalisiert werden. Die Tablighis und Barelwis sind vor allem in Pakistan aktiv, wo die striktesten Anti-Blasphemiegesetze der Welt gelten, sodass zum Beispiel für die Schmähung der Ehre des Propheten mitunter die Todesstrafe vollzogen werden kann. Dem Vorwurf der Blasphemie ausgesetzte Personen – hierzu gehören insbesondere auch Angehörige religiöser Minderheiten – werden regelmäßig Opfer islamistischer Selbstjustiz.

Außerhalb von Pakistan kam es unter anderem in europäischen Ländern zu Gewalttaten. Ein Anschlag in der Nähe des ehemaligen Büros des Satiremagazins Charlie Hebdo im Jahr 2020 in Frankreich wurde beispielsweise durch einen Barelwi-Aktivisten verübt. 2021 wurde die zwischenzeitlich verbotene islamistische Partei TLP in Pakistan wieder zu den Wahlen zugelassen. Die den Barelwis nahestehende Partei vertritt einen radikalen Flügel der Bewegung, so rief sie etwa im selben Jahr zum verpflichtenden Dschihad aller muslimischen Länder gegen Frankreich auf.

Der aktuelle Bericht sowie alle weiteren Publikationen des Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) können auf der Website www.dokumentationsstelle.at abgerufen werden.


Foto Lisa Fellhofer © Dokumentationsstelle Politischer Islam

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