Zeit schinden fürs Gemeinwohl
Edmund Bernatzik (* 28.09.1854 in Mistelbach, Österreich-Ungarn; † 30.03.1919 in Wien) war ein österreichischer Jurist und bedeutender Staats- und Verwaltungsrechtslehrer.
Der Sohn eines Rechtsanwalts studierte in Wien Rechtswissenschaften und wurde Mitglied der Wiener Burschenschaft Silesia, was durchaus seinem messerscharfen aber auch rebellischen Gerechtigkeitssinn und Rechtsempfinden entsprach. Nach seinem Studium war er an diversen niederösterreichischen Gerichten tätig, bevor er nach seiner vielbeachteten Habilitationsschrift in die Lehre wechselte. Er unterrichtete in Innsbruck, Basel, Graz und wechselte 1894 an die Universität Wien. Er gilt als wichtiger Mitgestalter des Umbaus des altösterreichischen Polizeistaats in einen Rechtsstaat. Mit seinem Gutachten „Die Zulassung der Frauen zu den juristischen Studien“ war er ein wichtiger Wegbereiter des Frauenstudiums und richtete gemeinsam mit seiner Tochter 1917 eine außeruniversitäre juristische Ausbildungsstätte für Frauen ein. Seine Tochter wurde als dritte Frau in Wien zur Juristin promoviert.
Der vielbeachtete Jurist war einer der Baumeister zur Verfassung der ersten Republik und wurde 1919 zu einem der ersten Verfassungsrichter ernannt. Mit dem Sommersemester 1919 wurden auch Frauen für das Studium der Rechtswissenschaften zugelassen.
Prof. Bernatzik, dem der Ruf eines juristischen Universalgenies vorauseilte, verlangte auch viel von seinen Studenten. Er war ein gefürchteter – um nicht zu sagen – berüchtigter Prüfer.
Eines Tages trat ein Prüfling, ein junger Vertreter höchsten Adels, beim strengen Bernatzik zum Rigorosum an. Schon bald war dem Professor klar, daß der junge Herr sein bisheriges akademisches Fortkommen eher guten Beziehungen als profunder Kenntnis des Studiengegenstandes verdanken muß. Die Prüfung mit dem Unterhaltungswert einer Wurzelbehandlung zog sich. Kaum eine Frage, die der Kandidat von sich aus beantworten konnte. Alles mußte man ihm „vorkauen“. Das Trauerspiel lief so lange, bis es Prof. Bernatzik reichte und er dem jungen Herrn unverblümt ins Gesicht sagte:
„Herr Kandidat, daß Sie einmal Minister werden, kann ich nicht verhindern! Aber ich kann ’s verzögern!“
Bernatzki sprach ’s aus und ließ den verdutzten jungen Herrn durchfallen.
Titel-/Vorschaubild: Archiv der Universität Wien / Bildarchiv Urheber: Foto OWA / Signatur: 106.I.2695
Beitragsbild: Archiv der Wiener Burschenschaft Silesia