Ein Dienst unter Freunden
Michael Stern (* 11.12.1897 in Wiener Neustadt; † 2.12.1989 in Wien) war ein österreichischer Rechtsanwalt. Nach seinem Jusstudium arbeitete er bei der böhmischen Nationalbank und wurde ab 1931 als Rechtsanwalt in Wiener Neustadt tätig. 1938 verlor er wegen seiner jüdischen Herkunft seine Zulassung als Rechtsanwalt und war als „Rechtskonsulent nichtarischer Klienten“ tätig.
Nach dem zweiten Weltkrieg und dem Wiedererhalt seiner Zulassung eröffnete er in Wien seine eigene Kanzlei mit zeitweise über 40 angestellten Mitarbeitern und wurde zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten Strafverteidigern der Zweiten Republik.
Dr. Michael Stern war nicht nur Staranwalt, sondern vor allem Frühaufsteher. Spätestens um 05:00 sperrte er seine Kanzlei auf und er blieb oft bis 20:00 in der Arbeit. Und dies von Montag bis Sonntag, jahrein, jahraus. Sein Fleiß war legendär und gefürchtet.
Ganz das Gegenteil war der Burgtheaterdirektor Ernst Haeussermann, der selten vor 10:00 aufstand. Vor allem, wenn er neben den Agenden des Burgtheaters auch noch Max Reinhardts meist schon lange ausverkaufte Vorstellungen der Salzburger Festspiele mit betreute.
Eines frühen Sommermorgens läutete bei Haeussermann das Telefon und der mehr schlafende als wache Burgtheaterdirektor nahm den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung war der verdächtig wache und agile Michael Stern: „Mein lieber Hofrat Haeussermann, ich lasse gerade mein Leben Revue passieren. Und da fällt mir ein, daß wir uns jetzt schon so lange kennen. Da hab ich mir gedacht, es wäre doch nett, wir würden uns Du sagen.“
Müde aber sehr gerührt stimmte Haeussermann diesem Ansinnen zu und die beiden tauschet telefonisch ein „Servus Ernstl!“ und ein „Servus Michael!“ aus, als Stern richtig loslegte: „Ach ja, lieber Ernstl, weil wir gerade so nett miteinander plaudern, hätt ich eine Frage an Dich: Hast Du noch zwei Karten für den Jedermann am Sonntag?“
Titel-/Vorschaubild (Dr. Stern in der Mitte): Rechteinhaber unbekannt / Quelle: Stadtarchiv Wiener Neustadt
