„Gesegnet und verdammt ist diese Erde / Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde / Und ihre Zukunft ist herrlich und groß!“, heißt es in Jura Soyfers 1936 geschriebenem „Lied von der Erde“. Das ist seit geraumer Zeit aufgrund multipler Krisen nicht mehr so sicher.
„Wenn es ein Morgen gäbe“ heißt daher entsprechend vorsichtig der Untertitel einer Ausstellung, mit der das Weltmuseum Wien „Science Fiction(s)“ erzählt: eine komplexe, anregende Schau.
Es ist eine ungewöhnliche, aber eines ethnografischen Museums überaus würdige Ausstellung. „Wir in Europa sind nicht die einzigen Menschen, die sich überlegt haben, wie es weitergehen soll“, führte Direktor Jonathan Fine bei der Pressekonferenz am Dienstag in die größte Weltmuseum-Sonderausstellung des Jahres ein. „KünstlerInnen aus der ganzen Welt haben das Werkzeug von Science-Fiction aufgegriffen, um sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Es ist eine Einladung, sich eine Zukunft vorzustellen, die nicht nur dystopisch ist, sondern generativ und verändernd.“
24 Künstler und Künstlerinnen bespielen sechs Räume. „Jeder Raum hat ein eigenes Thema, eine eigene These.“ Es seien „zum Nachdenken anregende Werke“, die man bewusst zunächst ohne große Informationen auf die Besucher wirken lassen wolle. QR-Codes ermöglichen das Aufrufen dazugehöriger Künstlerstatements. „Wir sind dabei ein bisschen Richtung Kunstausstellung gegangen.“
Gleich mehrfach begegnet man in der von den Science-Fiction-Filmarchitekten KAWA (aktueller Film: „Rubikon“) designten Schau dem Thema Weltraum – zunächst als kulturelle Aneignung indigener Traditionen durch Hollywood und „Star Wars“, danach durch die Weiterverarbeitung dieser Popkultur-Einschreibung in „Functivismus“-Performances (von „Fun-Activism“) von Rory Wakemup, von denen eindrucksvolle Figurinen zu sehen sind. Raumfahrt müsse aber nicht unbedingt als Eroberung oder Kolonisierung des Weltraums, sondern könne auch als soziales Experiment verstanden werden, hieß es. So begegnet man dem ersten syrischen Kosmonauten, der heute als Geflüchteter in Istanbul lebt, oder der folkloristisch anmutenden Installation „Autonomous InterGalactic Space Program“ von Rigo 23 aus Mexiko.
„Gerade die westliche Science-Fiction erzählt die Zukunft als Technologie-Fortschreibung und damit auch als Fortschreibung von kolonialen Ambitionen“, sagte Kuratorin Ute Marxreiter, die sich als Fan alternativer Science-Fiction und des Afrofuturismus outete. Die Ausstellung widme sich „Stimmen derer, die in diesen Erzählungen ausgeschlossen sind“. Ob man das von Ekow Nimako aus 100.000 schwarzen Legosteinen zusammengesetzte Modell einer afrikanischen Zukunftsstadt („Kumbi Salah 3020 CE“) nun als Hoffnung oder Warnung auffassen soll, bleibt jedem selbst überlassen.
Bis 16.01.2024
Mo, Do – So, 10:00 – 18:00
Di, 10:00 – 21:00
Weltmuseum
Heldenplatz
1010 Wien
+43-1-53430-5052
info@weltmuseumwien.at
https://www.weltmuseumwien.at
Titel-/Vorschaubild © Cara Romero