Wer steckte hinter den North Stream-Sprengungen?

Blick durch Europa und darüber hinaus

Wenn man den Ausführungen des Investigativjournalisten und Pulitzer-Preisträgers Seymour Hersh Glauben schenkt, waren die Sprengungen der North Stream-Pipelines keine Reaktion auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, sondern schon viele Monate zuvor geplant und in Vorbereitung. Und Seymour Hersh ist auch nicht irgendein Schreiberling, sondern einer der vielleicht wichtigsten Aufdecker politischer Schweinereien seit den 1960ern. Im Laufe seiner journalistischen Karriere deckte er bspw. das Massaker von My-Lai im Vietnamkrieg auf. Ihm wird nachgesagt, daß seine Artikel schlußendlich zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon den Anstoß gaben. Aus Laos, Syrien oder Afghanistan wußte er stets von Vorfällen zu berichten, die der jeweils amtierenden US-Regierung peinlich war. Und stets wurden sie umgehend bestritten. Bis sie sich dann doch als wahr erwiesen.
Ähnlich spielt es sich auch diesmal ab. Die US-Administration, sowie die mit ins Boot geholten Regierungen bezeichnen Hershs Darstellung als erfunden und natürlich falsch. Man beschwert sich über Hershs anonyme Quellen, und daß sie nicht genannt werden. Die jüngere Geschichte liefert Argumente am laufenden Band, sich eher nicht öffentlich zu machen, wenn man über „Unregelmäßigkeiten“ der US-Regierung zu berichten hat.

Seit Herbst 2021 soll der Anschlag auf die North-Stream-Pipelines in Vorbereitung gewesen sein. Neben dem US-Präsidenten Biden sollen der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und die Unterstaatssekretärin Victoria Nuland eingebunden gewesen sein. Ziel soll die Zerstörung der energiewirtschaftlichen Handelsbeziehung zwischen den westlichen Staaten und der russischen Föderation gewesen sein. Nutznießer des Wegfalls russischer Gaslieferungen sollen in Folge neben den USA auch Norwegen mit seiner eigenen Erdgasförderung sein.
Der Bericht Seymour Hershs stützt sich auf Quellen, die von Anfang an in der Operation beteiligt waren.
Während des NATO-Sommermanöver „Baltops 22“ wurden die Sprengsätze von einem Taucherteam aus Florida platziert. Von ursprünglich geplanten Zeitzündern, die 48 Stunden später die Explosionen ausgelöst hätten, nahm man Abstand. Die Zündung wurde erheblich später, durch eine von einem von einem norwegischen Überwachungsflugzeug abgeworfene Sonarboje, ausgelöst. Schweden und Dänemark sollen zuvor schon von den „Unterwasseraktivitäten“ unterrichtet worden sein. 

Bislang erhärtete sich jede einzelne von Seymour berichtete Geschichte im Laufe der Zeit. Das macht auch diese neue Geschichte aus seiner Feder so problematisch. Sie wäre ein sehr großes Stück im Mosaik der seltsamen Verhaltensweisen der im Ukrainekonflikt beteiligten Staaten. Und sämtliche an der Aktion beteiligten Staaten müßten sich eingestehen, daß sie eine Kriegshandlung vorbereiteten, lange bevor sie auf einen anderen Krieg reagieren konnten. Die Geschichte der „Reaktion auf russische Aggression“ wäre fragwürdig. Auch die massiv ablehnende Haltung einzelner Staatenlenker auf eine Friedenslösung im April 2022 zwischen der Ukraine und der russischen Föderation bekäme eine andere Bedeutung.
Fest steht – egal ob diese Sprengungen auf die dargestellte Weise stattgefunden haben oder nicht, daß sich die Union rasch in der künftigen Ukraine-, bzw. Rußlandpolitik neu ausrichten muß, wenn sie nicht als absoluter Verlierer aus diesem Krieg hervorgehen will. Und dieses Schicksal droht der EU, seinen Staaten und vor allem seinen Bürgern.

Der Artikel von Seymour Hersh ist HIER abrufbar.


Foto Gasleck: Seymour Hersh

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